19.01.2021
Nadine Kasten: Friseur muss Gesundheitsdienstleister werden
Mit einem neuen Blickwinkel kämpft die Leverkusener Salonunternehmerin für ein neues Berufsbild, in dem die Basisdienstleistungen als Körperpflege und Gesundheitserhalt eingestuft werden…
Im Gespräch mit Raphaela Kirschnick
Wie geht es dir aktuell?
Nadine Kasten: Mir geht es gut, aber ich merke mittlerweile den Lockdown und mache mir finanziell meine Gedanken.
Sind die finanziellen Unterstützungen denn angekommen?
NK: Die erste Förderung ist angekommen, das waren € 9.000, allerdings kann es sein, dass ich davon auch wieder einen Teil zurückzahlen muss. Im zweiten Lockdown ist noch nichts angekommen.
Wie hältst Du das Unternehmen liquide?
NK: Ich gehe parallel woanders arbeiten, meine Mitarbeiter sind in Kurzarbeit. Und ich habe Glück, dass die Salonimmobilie meinem Papa gehört, so habe ich kaum Fixkosten.
Was ärgert Dich aktuell am meisten?
NK: Mich ärgert sehr, dass ich das Gefühl habe, das alles in die falsche Richtung läuft. Ich bin der Meinung, dass staatliche Unterstützung nicht geschenkt sein sollte, wir müssen das ja alles irgendwie doch zurückzahlen. Und irgendwann hat der gesamte Markt ein Problem. Ich möchte einfach wieder selbst arbeiten, dann zahle ich Steuern, das ist am nachhaltigsten.
„Es gäbe für uns keinen Lockdown, wenn der Friseurberuf als systemrelevante Dienstleistung eingestuft werden würde.“
Das Lockdown Ende ist noch nicht greifbar, was ist das große Problem für Friseure?
NK: Leider sehen uns die meisten nur als Beautybranche. Wir Friseure sind aber viel mehr als nur Beauty, sondern auch Körperpflege und Gesundheitserhalt. Gerade ältere Kunden kommen zu uns, weil sie allein ihre Haare nicht hinbekommen. Es gäbe für uns keinen Lockdown, wenn der Friseurberuf als systemrelevante Dienstleistung eingestuft werden würde. Müssen wir also nicht an unserem Berufsbild arbeiten, um als Pflegeberuf eingestuft zu werden?
Das heißt, Du würdest den Friseur als Gesundheitsdienstleistung sehen wollen?
NK: Der Grundgedanke ist, dass die Basisdienstleistung im Friseursalon einen pflegenden Charakter hat, der uns systemrelevant macht. Dazu zähle ich die Kopfhautberatung, Waschen, Pflegen, Föhnen. Aber auch eine Ansatzfärbung wirkt einer Verwahrlosung und einem Unwohlfühlen vor.
Und der Beautybereich?
NK: Und dann gibt es den Beautybereich, dazu zähle ich Extensions oder eine Balayage. Da geht es rein ums Äußere, ohne die absolute Notwendigkeit.
„Die Schwarzarbeit fördert die Ausbreitung des Virus“
Das ist ein recht radikaler Ansatz!
NK: Ich sehe das als Chance für die Branche. Für diese Basisdienstleistungen könnten Salons offen halten. Bei der Fußpflege ist das ja ähnlich, der Diabetiker darf, die French Pedicure darf nicht. Das öffnet doch Schwarzarbeit Haus und Tor.
Die Schwarzarbeit fördert aber auch die Ausbreitung des Virus, denn es gibt sicher einige Friseure, die zu Kunden nach Hause fahren. Ob da die Hygiene-Regeln eingehalten werden, das bezweifle ich.
Wie sollte die Branche nun vorgehen?
NK: Ich habe meine Forderungen ans Ordnungsamt der Stadt Leverkusen geschickt, die haben mir auch gleich geantwortet und mich an die lokale Innung und das Gesundheitsamt verwiesen. Die stehen nun als nächstes auf meiner Liste.
Die Forderung?
NK: Der Friseur muss neu eingestuft werden, von mir aus auch unter noch strengeren Hygiene-Regeln. Nur so ist mir und meinen Kollegen geholfen.
Genügen Basisdienstleistungen rein rechnerisch zum Betriebserhalt?
NK: Natürlich verdient man mit Beauty mehr, aber das kann man hinten anschieben.
Wie bereitet ihr euch auf das Lockdown-Ende vor?
NK: Wir stehen mit allen Kunden in Kontakt und können rechtzeitig Termine aufteilen. FFP2 Masken sind eingetroffen und wir erhöhen im Februar die Preise, das rate ich auch allen Kollegen. Man sieht ja, was aktuell mit den Billigketten passiert.
Liebe Nadine Kasten, Danke für Deinen Einsatz und spannenden Ansatz im Kampf für eine ganze Branche.
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Zu Nadine Kasten
Salonunternehmerin in Leverkusen seit 2017
7 MitarbeiterInnen
Mit dieser Anfrage wandte sich Nadine Kasten an die Stadt Leverkusen
Sehr geehrte Damen und Herren,
in Ausführung der geltenden Corona Schutzverordnung des Landes NRW ist mein Frisörsalon seit dem 15.12.2020 geschlossen.
Mit diesem Schreiben stelle ich einen Antrag auf sofortige, begrenzte Wiedereröffnung meines Salons gemäß
§12 Abs. 2 und begründe dies wie folgt:
In der zu Grunde liegenden Coronaschutzverordnung vom 07.01.2021 ist der Betrieb von Einrichtungen bei denen ein Abstand zum Kunden von mindestens 1,50 m nicht eingehalten werden kann, untersagt, Hier werden exemplarisch Kosmetiksalons, Tätowierstudios und Frisörbetriebe genannt. Gleichwohl lässt die Corona Schutzverordnung auch hier Ausnahmen zu die eine inhaltliche medizinische Begründung aufweisen. Beispielhaft wird hier die Fußpflege genannt. Bei diesen Ausnahmen ist es rechtlich nicht beachtlich, ob der Dienstleister einem Heilberuf angehört oder er in anderer Weise die Heilkunde ausübt. Somit können auch Frisöre vom Grundsatz her in die Personengruppe fallen, auf die sich diese Ausnahmemöglichkeit bezieht.
Inhaltlich wird in der Coronaschutzverordnung das Spektrum der Frisördienstleistungen nicht differenziert. Anders als bei der Fußpflege, die vom Inhalt einen Ausnahmetatbestand darstellt, nicht aber die Maniküre, die wohl nur eine kosmetischen nicht aber medizinischen Ansätze aufweist. Ähnlich ist hier bei den Frisördienstleistungen zu unterscheiden. Schneiden, waschen und föhnen sind Basisleistungen die unmittelbar der Körperpflege und Gesunderhaltung dienen. Färben, stecken, Extension sind kosmetische Leistungen die verschiebbar sind. Gerade meine älteren Kundinnen und Kunden sind oft rein physisch nicht in der Lage diese körperliche Basispflege durchzuführen und verschlechtern damit ihren Gesundheitszustand.
Ich beantrage daher wie eingangs genannt die sofortige Wiedereröffnung meines Salons zur Durchführung der genannten und auch klar abgrenzbaren Dienstleistungen.
Das Vorliegen eines belastbaren Hygienekonzeptes wird versichert.
Mit freundlichem Gruß
Nadine Kasten - Frisörmeisterin
Die Antwort der Stadt Leverkusen
Sehr geehrte Frau Kasten,
zuerst möchte ich mich bei Ihnen für Ihre Anfrage bedanken. Leider kann ich mich Ihrer Rechtsauffassung nicht anschließen.
§ 12 Abs. 2 der aktuellen Corona-Schutzverordnung vom 07.01.21 untersagt u.a. „insbesondere Friseurdienstleistungen“. Ausgenommen davon sind ausschließlich Dienstleister im Gesundheitswesen. In der anschließenden (nicht abschließenden Aufzählung) werden Friseurdienstleistungen nicht mehr erwähnt. Damit ist für mich keine andere Entscheidung möglich, als die, dass Ihr Betrieb b.a.w. geschlossen bleiben muß, da für mich trotz Ihrer Einwände Friseurdienstleistungen nicht (auch nicht teilweise) zu Dienstleistungen im Gesundheitswesen gehören. Ich empfehle Ihnen daher, über Ihre Standes-/Innungsvertretung Ihre Rechtsauffassung an den Verordnungsgeber zu übermitteln und entsprechend überprüfen zu lassen.
Gerne stehe ich auch für telefonische Rückfragen zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
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