RYF Geschäftsführer Marc Breckwoldt | Credit: Pieter Pan Rupprecht

19.01.2021

Marc Breckwoldt: Salonschließung zur Eindämmung des Infektionsrisikos ist kontraproduktiv

Von Enttäuschung und Vorfreude… Marc Breckwoldt, Geschäftsführer RYF, ist seinen MitarbeiterInnen und PartnerInnen unendlich dankbar und schaut optimistisch nach vorne. Eines jedoch fehlt: ein Gesicht der Branche…

Im Gespräch mit Raphaela Kirschnick

Diese Woche wurde der Lockdown verlängert. Wie betroffen ist RYF aktuell ?
MB:
Insgesamt hat uns Corona in 2020 € 5,2 Mio. Umsatz gekostet. In den zwei umsatzstärksten Phasen hatten wir geschlossen, das spüren wir. Was uns in 2021 verloren geht, ist noch gar nicht abzusehen. Nur dank des Mittels der Kurzarbeit und Anpassung der Kostenstruktur konnten wir den wirtschaftlichen Schaden, der natürlich immens ist, in Grenzen halten. Hier haben wir als Unternehmen, aber vor allem unsere Mitarbeiter große Opfer bringen müssen.

Was hat Sie 2020 am meisten überrascht?
MB:
Wie viel anlassbezogene Besuche beim Friseur ausmachen!
Nach dem Hoch im Mai hat sich die Frequenz in den Salons deutlich und nachhaltig verringert. Wir führen das auf vier Faktoren zurück: 1. Die Menschen haben Angst vor Infektionen oder gehören zur Risikogruppe, 2. Sie sind selbst wirtschaftlich betroffen und ihnen fehlt Geld, 3. Das fehlende Friseurerlebnis. Die Trennwände, das dauerhafte Maskentragen und die Distanz geben kein Gefühl einer Wohlfühloase. Und 4. Die Anlässe fehlen – normalerweise macht das 15-20% unserer Gäste aus. Auch beobachten wir, dass die männliche Kundschaft stärker zurückgegangen ist als die weibliche.

Interessant, denken Sie, das ist ein Überbleibsel aus dem Lockdown?
MB:
Mit Sicherheit, viele Männer werden für sich das Selberschneiden entdeckt haben. Oder sie lassen die Haare länger wachsen. Aber ich bin sicher, dass auch die Herren den Salonbesuch nach der Krise wieder schätzen werden.

„Wertschätzung …Darauf können wir nach der Krise aufbauen.“

Oder Sie lassen eine FriseurIn nach Hause kommen…?
MB:
Das ist ja aktuell verboten und stellt eine große Gefahr dar. Sicherlich hat der Home-Service zwischen den beiden Lockdowns an Attraktivität gewonnen. Ich denke aber nicht, dass dies ein Trend ist, der nachhaltig unsere Branche prägen wird. Nichts kann einen Besuch in einem Friseursalon ersetzen. Hier wird professionell und sicher gearbeitet.  

Ein positiver Effekt der Coronakrise ist, dass die Wertschätzung für unser Handwerk gestiegen ist. Darauf können wir nach der Krise aufbauen.

Wie zufrieden sind Sie mit den Corona-Hilfen des Staates?
MB:
Wir werden jetzt mit der Überbrückungshilfe III unsere ersten Erfahrungen machen. Nach dem ersten Lockdown hatten wir keinen finanziellen Anspruch, da unser Unternehmen zu groß für die Hilfen war. In der Theorie klingen die Hilfen ja alle erstmal gut, wie es in der Praxis dann ausschaut, werden wir noch erfahren. Fakt ist aber, dass es viel zulange dauert, bis die Hilfe ankommt.

Wie halten Sie das Unternehmen RYF, immerhin 70 Salons und 600 Mitarbeiter, liquid?
MB:
Wir haben in den letzten Jahren erfolgreich gewirtschaftet, haben Reserven angelegt und konnten bisher ohne fremdes Geld die Krise meistern. Natürlich stellt auch uns die Krise vor eine echte wirtschaftliche Herausforderung.

Das Hamburger Abendblatt schrieb über RYF Salonschließungen. Da drängte sich auf, nach Klier geht der nächste in die Insolvenz!
MB:
Die Überschrift des Artikels hat mich geärgert, aber wenn man den Artikel ganz liest, sieht man, dass ich mich differenziert geäußert habe. Wir haben ein starkes Fundament.

„Die Krise stellt uns vor Entscheidungen,
wie zukunftsfähig ein Salonstandort ist…“

Aber Sie schließen Salons!?
MB:
Ein Filialunternehmen ist immer in Bewegung. Mal schließen wir Salons, dann öffnen wir wieder welche. Die Krise stellt uns vor Entscheidungen, wie zukunftsfähig ein Salonstandort ist, aber das war auch schon vor Corona so.

Was unterscheidet Sie von anderen Filialisten?
MB:
Wir haben uns für ein Premiumkonzept entschieden und liegen preislich über vielen unser filialisierten Mitbewerbern. In den letzten 10 Jahren haben wir uns massiv qualitativ weiterentwickelt, haben einen umfangreichen neuen Markenauftritt umgesetzt und investierten viel in Weiter- und Ausbildung. Das Image von RYF und die Strategie in Richtung Premium zu gehen, unterscheidet uns von vielen anderen filialisierten Unternehmen und hebt uns deutlich ab. Und wenn wir vor der Frage stehen, ob wir an manchen Standorten den Mietvertrag verlängern wollen, müssen wir uns bewusstwerden, ob dort das Premium Konzept auch weiterhin noch einen Sinn hat. Dementsprechend schrumpfen wir immer mal wieder, wachsen allerdings auch weiter, in dem wir andere Salons übernehmen.

Wie partnerschaftlich geht es in Corona Zeiten zu?
MB:
Wenn ich das pauschal zusammenfasse, bin ich wirklich positiv überrascht. Wir haben mit allen Partnern, Lieferanten und Vermietern einen sehr guten Kontakt und suchten immer gemeinsam nach Lösungen, die für beide vereinbar sind. Von gesenkten bis hin zu erlassenen Mieten und Stundungsvereinbarungen konnten wir uns mit fast allen Partnern einigen. Das ist der langjährigen offenen Kommunikation mit unseren Partnern geschuldet. Das große Erlebnis war aber auch das partnerschaftliche Zusammenhalten und Zusammenwachsen mit unseren Mitarbeitern. Eine solche Krise kann man nur gemeinsam meistern.

Gab es letztes Jahr große Enttäuschungen?
MB:
Natürlich gab es Einzelfälle, wo es von Seiten der Vermieter keinerlei Entgegenkommen gab. Das ist sehr enttäuschend. In einem Fall sind wir seit über 30 Jahren ein treuer und verlässlicher Mieter. Wenn dann der Vermieter zu gar keinem Entgegenkommen bereit ist, stellt man die Partnerschaft natürlich in Frage.   

RYF Premium Friseursalon am Hamburger Hauptbahnhof
Luxuriöses und stilvolles Ambiente | C: Pieter-Pan Rupprecht

Sind RYF Mitarbeiter in Kurzarbeit?
MB:
Ja weitestgehend. Wir machen ein wenig Online-Weiterbildung und zusätzlich haben wir ein digitales Angebot für unsere Azubis.

Wie ist die Erfahrung mit Ihren MitarbeiterInnen in dieser Krise?
MB:
Es ist ein Wahnsinn, was unsere MitarbeiterInnen alles leisten! Seit knapp einem Jahr stehen sie an vorderster Front und das in einer Zeit, in der man Kontakte vermeiden soll. Ich bin dankbar für diese unglaubliche Leistung und auch das Verständnis. Ich blicke dankbar, optimistisch und positiv ins neue Jahr, denn mit solchen MitarbeiterInnen kann man nur gewinnen!

Nutzen Sie die Corona Prämie?
MB: Ja, damit wollen wir all unseren Mitarbeitern für ihre unglaubliche Leistung in diesem Sonderfall danken und Anerkennung zeigen.

Finden Sie es richtig, Friseursalons geschlossen zu halten?
MB:
Als Inhaber von RYF, rein wirtschaftlich und rational betrachtet, kann ich es nicht verstehen. Wir sind Hygieneprofis und haben ein funktionierendes Hygienekonzept. Es wurde alles dafür getan, dass ein sicherer Friseurbesuch möglich ist. Bei über 400.000 Gästebedienungen zwischen Lockdown 1 und 2, ist bei uns kein Infektionsfall aufgetreten. Dies hatte Bundesgesundheitsminister Spahn ja auch schon frühzeitig erkannt. Seine Aussage „Friseure müssen nicht wieder schließen“ war goldrichtig!

Was ist Ihre konkrete Forderung an die Politik?
MB:
Öffnet die Salons! Auf den Straßen laufen, trotz Lockdown, einige mit gut geschnittenen Haaren durch die Gegend, obwohl Salons geschlossen sind. Das wird dann zu Hause schwarz gemacht. So entstehen deutlich mehr Kontakte, als wenn man uns öffnen ließe. Also ist die Schließung zur Eindämmung des Infektionsrisikos kontraproduktiv. Ich bin der Meinung, dass man uns ohne Sorge wieder öffnen könnte. Von mir aus auch mit FFP-2-Masken, die stell ich gerne zur Verfügung.

„Uns fehlt eine laute Stimme, ein Gesicht, das für uns einsteht.“

Wie könnten Sie sich ein Lobbying für die Friseurbranche vorstellen?
Den pauschalen Lockdown im Dezember konnte ich noch nachvollziehen. Jetzt fordere ich von der Politik mit einem Skalpell an einer Lösung zu arbeiten. Das heißt nicht einfach pauschal alles zu schließen, sondern von Branche zu Branche zu schauen, wo könnte man wieder öffnen. Uns fehlt eine laute Stimme, ein Gesicht, das für uns einsteht. Die Landesinnungsverbände und der Zentralverband haben auch nur eingeschränkten Handlungsspielraum und geringe zur Verfügung stehende Mittel. Das verstehe ich auch, aber wenn der Gesundheitsminister meint, dass wir mit diesem Wissen von heute nicht mehr schließen müssten, brauchen wir eine laute Stimme, die hinterfragt, warum wir dann doch drei Monate später wieder zusperren müssen. Bewegungen gibt es zwar, aber die werden nicht laut genug kommuniziert.

Wie planen Sie 2021?
Momentan ist das ganz schwierig. Wahrscheinlich wird es 3 Phasen geben: Bei einer Wiedereröffnung wird es wieder einen Run auf die Friseure geben, danach wird sich die Frequenz auf Vorjahresniveau reduzieren mit ca. 20 – 25% weniger Gästen. Meine Hoffnung ist, dass wir ab dem 3. oder 4. Quartal wieder zur Normalität zurückkehren und erfolgreich und normal weiterarbeiten. Wir haben viele strategische Projekte vor, die Digitalisierung und Weiterbildung wird einen riesigen Push erhalten.

Was planen Sie in Bezug auf Digitalisierung?
MB:
Terminvergabe ist das größte Projekt! Wir arbeiten an einem System, dass Termine effizient auf unsere KundInnen abstimmt und Termine vorschlägt, die es sich automatisch aus der Besuchsinformationen zieht.

Mit wem arbeiten Sie da zusammen?
Das machen wir selbst, ich komm ja aus der IT- und Beratungsbranche und bin sehr IT-affin. Seit vielen Jahren haben wir ein ausgeklügeltes Informationssystem, um die Flut an Daten zu analysieren und daraus Schlüsse zu ziehen. Wir waren eines der ersten Unternehmen, die den gesamten Prozess der gesetzliche vorgeschriebenen Kontaktdaten-Dokumentation direkt bei der Wiedereröffnung im Mai vollständig digital abgebildet hatte. Da sind wir gut unterwegs.

Preiserhöhung. Wie gehen sie damit um?
Ich bin grundsätzlich der Meinung, dass die Branche mit der Preisentwicklung nicht mutig genug ist. Wir sind da ganz anders. Wir erhöhen regelmäßig die Preise, aber investieren auch in die Qualität der MitarbeiterInnen und der Salons. Unser Ziel –Qualität und Leistung müssen immer stärker steigen als der Preis.

Und nach dem Lockdown?
MB:
Wir haben nach dem 1. Lockdown die Preise nicht erhöht, aber einen Hygieneaufschlag verlangt. Diese 2-4€ pro Besuch mehr steckten wir in unser Hygienekonzept. Mit der Mehrwertsteuersenkung haben wir die Preise nicht gesenkt. Unsere Kunden haben uns deswegen auch nicht abgestraft. Wir haben mit den etwas höheren Erträgen Boni für unsere MitarbeiterInnen ausgezahlt.

Um langfristig wirtschaftlich zu gesunden, muss man Preise erhöhen. Ein Teil der Kosten muss von Kunden mitfinanziert werden, dafür können wir ihnen eine super Leistung in einem sicheren Umfeld gewährleisten. Mit der wachsenden Wertschätzung unseres Handwerks, bin ich überzeugt, dass das unsere Gäste auch mitmachen werden.

„… zuversichtlich, dass wir gestärkt und auch besser aus dieser Krise herausgehen als wir hineingegangen sind.“

Auf was freuen Sie sich am Allermeisten in 2021?
Am allermeisten freue ich mich darauf, dass wir uns wieder begegnen können. Es fehlt die Nähe zu MitarbeiterInnen und Gästen. Ich freue mich auf die Zukunft und bin zuversichtlich, dass wir gestärkt und auch besser aus dieser Krise herausgehen als wir hineingegangen sind. Es wird den ein oder anderen treffen, der es nicht schaffen wird, aber die, die es schaffen werden, werden gesund und voller Tatendrang und Optimismus in die Zukunft starten. In jeder Krise entstehen immer auch neue Chancen, man muss nur hart arbeiten, um sie zu nutzen.

Vielen Dank für das ausführliche Gespräch und weiterhin viel Erfolg und Tatendrang.

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Marc Breckwoldt ist Geschäftsführer der RYF Friseure Gruppe

70 Standorte in Deutschland und der Schweiz

Ca. 600 MitarbeiterInnen