Filiz Erdogu führt gemeinsam mit ihrer Schwester Figen das Unternehmen Erdogu - Die Friseure | Credit: Stefan Schubert imSalon

15.12.2023

„Jeder muss die Werte übernehmen wollen, für die das Land steht“

Gelebte Integration, dafür stehen die Erdogu Friseure, allen voran Filiz und Figen Erdogu. Dennoch braucht es Bereitschaft bei den Mitarbeitenden und faire Rahmenbedingungen von Regierungsseite.

Filiz Erdogu im Gespräch mit Birgit Senger

„Es ist gut, dass Mitarbeitende Forderungen stellen. Das sollte uns Arbeitgeber aber nicht davon abhalten, Leistungen einfordern zu können."

Im Moment gibt es eine große Bereitschaft, sehr viel in seine Mitarbeitenden zu investieren. Wie ist das bei euch?
Filiz Erdogu:
Kaum ein anderer Beruf lebt so stark von ständiger Aus- und Weiterbildung. Allerdings zu viele Arbeitgeber kümmern sich mehr um das Wohl ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als um ihr eigenes. Dass Arbeitnehmer heute Forderungen stellen, finde ich gut. Das sollte uns Arbeitgeber aber nicht davon abhalten, Leistungen einfordern zu können.

Was wünschst du der Friseurbranche für die Zukunft?
FE:
Nicht von Ängsten geprägt zu sein und selbstbewusster, vor allem in der Preisgestaltung, zu werden. Preise müssen endlich die Wertigkeit unserer Arbeit widerspiegeln, branchenweit.

Wie haben eure Kundinnen und Kunden auf die letzte Preiserhöhung reagiert?
FE:
Gar nicht. Null.

Viele Unternehmerinnen und Unternehmer haben vor regulierten Reaktionen Angst.
FE:
Ich glaube, bevor man eine Preiserhöhung macht, muss man wissen, wie man mehr Wert in Dienstleistungsprozesse bringt. Eine Preiserhöhung von 5% oder 10%, ohne etwas am Qualitätsstandard zu verändern, halte ich für schwierig.

Welche Skills braucht man heute, um erfolgreich zu sein?
FE:
Für mich ist Klarheit der Schlüssel zum Erfolg.Wer erfolgreich werden möchte, sollte sich zuerst die Frage stellen: „Wer bin ich? Sich unter die Lupe zu nehmen lohnt sich, denn mein Unternehmen ist immer das Spiegelbild meiner selbst. Wem Klarheit fehlt, der ist in seinem Handeln unsicher. Und Unsicherheit weckt Ängste. Je klarer ich bin, umso sicherer kann ich mein Team führen, umso fester stehe ich mit beiden Beinen auf der Erde und komme in schwierigen Situationen nicht ins Schwanken.

Hast du eine Routine, diese Ruhe und Klarheit im Alltag zu halten?
FE:
Ich halte mir stets vor Augen, nicht nur dafür zu sorgen, dass es den anderen gut geht, sondern auch, dass es mir gut geht. Da helfen gesunde Ernährung, Sport, eine gute Beziehung und ein stabiler Freundeskreis.

Alles spricht von Spezialisierung, wie kann man sich als Salon mit seinem Angebot in Zukunft abgrenzen?
FE:
Ich glaube nicht, dass wir uns in Zukunft über schöne Läden abgrenzen können. Auch allein durch gute fachliche Leistung wird es schwierig, denn die hat in den letzten Jahren in vielen Salons deutlich zugenommen. Wer zum Friseur geht, setzt voraus, dass er einen guten Schnitt und eine gute Farbe bekommt. Wurden wir vor 10 Jahren noch gefragt, was Trend ist, kommen Kundinnen heute gut informiert in die Salons. Sie sind aufgeklärter, erwarten mehr und haben höhere Ansprüche. Um dem gerecht zu werden, müssen wir nicht nur fachlich top sein, sondern auch eine starke Persönlichkeit haben. Je ausgeprägter die Persönlichkeit, umso erfolgreicher wird ein Friseur in Zukunft sein.

„All das, was an der persönlichen DNA feilt, sind Themen, die wir vermehrt brauchen.“

Gibt es hierfür schon genügend Unterstützung in Form von Aus- und Weiterbildung?
FE:
Im Bereich der Persönlichkeitsentwicklung würde ich mir etwas mehr Futter wünschen. Das Feedback, das ich von unseren Mitarbeitenden kürzlich nach dem Trainerkolleg bei Wella bekommen habe, war eindeutig: Den Teil, in dem es um Persönlichkeit geht, fanden sie spannender als den über Schnitt und Farbe. Themen wie Rhetorik, wie wirke ich auf andere, wie kann ich meine Sprache verändern - all das, was an der persönlichen DNA feilt, sind Themen, die wir vermehrt brauchen.Als Arbeitgeberin werde ich in Zukunft Erfolg haben, wenn ich die Leute individuell fördern kann. Nicht nur fachlich, sondern auch in ihrer Persönlichkeit.

Wie hat sich dein Leben als Unternehmerin in den letzten Jahren verändert?
FE:
Heute muss ich viel schneller entscheiden können. Früher habe ich mich für Frisurentrends interessiert, das tue ich natürlich heute auch noch, aber heute ist für mich zukunftsweisender, wohin wir als Gesellschaft gehen.

Welche Veränderung in der Gesellschaft nimmst du im Moment wahr?
FE:
Die Leute haben ihre Ängste, aber gleichzeitig wird ihnen ihr Aussehen und Beauty immer wichtiger. Wir merken, dass unsere Kunden heute gute Qualität von schlechter viel besser unterscheiden können als früher.Dadurch ist es für uns einfacher geworden, im Luxussegment Geld zu verdienen.

Was würdest du am Ausbildungssystem ändern wollen?
FE:
Viel! Was in den Berufsschulen gelehrt wird, ist massiv veraltet. Für mich ist das der Hauptgrund, dass die Ausbildung im Friseurhandwerk nicht attraktiver wird.
Wir haben in unseren Salons derzeit 13 Auszubildende, von denen im ersten Lehrjahr eine Dauerwelle am Modell mit Ausfrisieren verlangt wird. Nehme ich alle unsere drei Salons zusammen, haben wir aktuell zwei Dauerwellkundinnen. An wem sollen die Auszubildenden ihr Dauerwelle Know-how anwenden? Warum bringen wir heute den Auszubildenden nicht im ersten Lehrjahr eine Farbtechnik bei, damit könnten sie sich eher profilieren?

Im Friseurberuf gelingt uns die Integration von Menschen aus unterschiedlichen Nationen gut, ihr lebt das vor. Was ist dir wichtig, wenn es um Zuwanderung und Integration geht?
FE:
Wir haben in Deutschland Fachkräftemangel. In unseren Salons beschäftigen wir Menschen aus 12 unterschiedlichen Nationen. Ein gutes Beispiel dafür, dass sich in der Beautybranche Menschen aus unterschiedlichen Kulturen wohlfühlen können. Jeder muss die Werte übernehmen wollen, für die das Land steht, in dem man lebt, und jeder muss bereit sein, Pflichten übernehmen zu wollen.

Was kann der Staat tun, damit sich Menschen in Deutschland besser integrieren können.
FE:
Meine Aufgabe ist es, mein Unternehmen so aufzustellen, dass es profitabel ist. Dafür brauche ich faire Rahmenbedingungen. Was ich vom Staat erwarte ist, dass er die Schwarzarbeit kontrolliert und allen Menschen nach ihrer Ankunft in Deutschland Sprachkurse zur Verfügung stellt. Da sind Politik und Kommunen gefragt.

Filiz, ich freue mich, dich im Januar auf dem imSalon Zukunftskongress zu sehen. Bis dahin viel Erfolg im Weihnachtsgeschäft!
 

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Erdogu - die Friseure

  • 3 Salons in Marburg, Giessen und Bad Nauheim
  • Über 50 Mitarbeiternnen*Mitarbeiter, davon 13 Auszubildende