07.06.2023
Bertram K: Ich brauche keinen großen Salon, um erfolgreich zu sein
Der österreichische Exportschlager Bertram K glaubt nicht ans duale Ausbildungssystem, denkt übers Verkleinern nach und tritt leiser. Unser Talk ...
Wir treffen den Haarentertainer und heimischen Exportschlager im Anschluss an sein erstes Schnittseminar für Wella Professionals, das er im neuen Studio in Wien gab.
Bertram K im Gespräch mit Katja Ottiger
Nach deinem Wechsel zu Wella - trittst du kürzer?
Bertram K: Ich habe diesen Schritt ganz bewusst gewählt. Ich möchte nicht mehr 30 Wochenenden im Jahr unterwegs sein, das habe ich lange gemacht und was ich geschafft habe, schafft kaum ein anderer in Österreich. Lange Zeit habe ich nichts mit Wochenenden anfangen können, weil ich immer erledigt war und diese auf der Couch verbracht habe. Es hat ein Jahr gedauert, zu wissen, was Wochenenden sind. Seit ich 25 bin, war ich unterwegs, in manchen Jahren 150 Tage! Ich lerne gerade Entspannen und ich mag das.
Was schade für die Branche ist. Du bist ein großartiger Educator - man hat es heute wiedergesehen: die Leute hängen dir an den Lippen und Händen …
BK: Ich möchte der Branche treu bleiben, aber ich möchte keinen Zugzwang mehr und jedes Seminar mitnehmen, das sich mir bietet. Natürlich, es war auch gutes Geld, so ehrlich muss ich sein. Aber ich möchte nicht mehr nach Hause kommen, Koffer umpacken und in den nächsten Flieger steigen. Es sei denn, es ist eine super interessante Sache. Ich habe das Glück, dass mich eine Friseurorganisation in Indien für 40 Tage im Jahr unter Vertrag hat. Darauf bin ich stolz und freue mich, dort immer noch etwas machen zu können.
Befinden wir uns im Generationenwechsel?
BK: Absolut. Ich merke schon, dass bei meinen Seminaren der Altersdurchschnitt höher ist. Man darf nicht vergessen, dass – auch durch Corona - die Zeit, als ich ständig in Friseurmagazinen war, fünf Jahre her ist. Die Jungen, die gerade ausgelernt haben und im Job anfangen - ich war längst vor deren Zeit. Vielleicht habe ich aber auch ein Revival, wer weiß… (lacht)
Du hast vorhin beim Workshop gesagt: Wer sich selbst treu bleibt, wird irgendwann wieder trendy. Ist das so?
BK: Du musst nur lang genug das gleiche machen, dann bist du wieder ‚in‘ (lacht).
Du pflegst keine Social Media-Aktivitäten?
BK: Nein, ich mach das nicht. Weil es mich nicht interessierst, was du zum Frühstück isst und wohin du in den Urlaub fährst. Und wenn, dann ruf ich dich an.
„Ich glaube nicht an das duale Ausbildungssystem.“
Du hast jetzt mehr Zeit für deinen Salon "Private Hairdressing" in Wien. Würdest du wieder ausbilden?
BK: Learning by doing! Ich glaube nicht an das duale Ausbildungssystem, auch wenn das gehypt wird. In meinen Augen wäre Mentoring eine bessere Sache. Ich möchte jemanden auf Augenhöhe etwas beibringen und das geht nicht, wenn man in einem Lehrlingsverhältnis steckt. Allerdings denke ich auch, dass es wenige Leute geben wird, die die entsprechende Motivation hätten. Ich habe genüg „Leeches“ (Blutegel, Anm.) kennengelernt, die dich aussaugen und dann liegen lassen.
„Unsere Branche hat mir so viel gegeben, dass ich gern bereit bin, zurückzugeben.“
Könnte man dich als Mentor buchen?
BK: Ich habe mich immer schon gefragt, warum verstaatlichte Organisationen, die den Beruf weiterbringen sollten, sich nie bei mir gemeldet haben. Mit dem damaligen Wiener Innungsmeister Lui Vehzely hatte das gut geklappt, er erkannte das Potential. Damals habe ich solche Sachen umsonst gemacht. Unsere Branche hat mir so viel gegeben, dass ich gern bereit bin, etwas zurückzugeben.
Innungsarbeit ist kein Thema für dich?
BK: (Schelmich) Nun ja, ich würde sofort Innungsmeister werden (lacht).
Verstehe … also nein :) Wann wird es das nächste Wella Seminar mit dir geben?
BK: Das steht noch nicht fest.
Also doch ein schleichender Rückzug? Wie schaut es denn bei dir im Salon mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus?
BK: Momentan spielen sie ‚Meuterei auf der Bounty‘ – ich bin der Marlon Brando, der ausgesetzt wird.
Warum? Weil du zu viel da bist?
BK: Ja, vielleicht sehe ich nun Sachen, die ich früher nicht gesehen habe (lacht). Momentan denke ich darüber nach, noch einmal kleiner zu werden.
„Ich werde mir nicht, durch das Problem Mitarbeiter zu motivieren, (…) die Lust am Haareschneiden nehmen lassen.“
Du hast jetzt 7 Mitarbeiter*innen – warum verkleinern?
BK: Ich kenne Leute in Amerika, in England, in Deutschland ... die Salons mit 20 Mitarbeitern und mehr hatten, und nun in einem kleinen Geschäft stehen und allein arbeiten. Ganz ehrlich, ich werde mir nicht durch das Problem, Mitarbeiter zu motivieren, zu halten und zu popscherln, mir die Lust am Haareschneiden nehmen lassen. Ich schneide für mein Leben gern, aber ich werde mir nicht das MUSS der Branche auferlegen, einen großen, gut gehenden Salon haben zu müssen, um erfolgreich zu sein. Ich habe für mich herausgefunden: Erfolgreich zu sein heißt, ein Wochenende mit meiner Frau zu haben.
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