Credit: The Colored Cut Berlin

12.04.2024

Mich ärgert Schwarzarbeit, denn es ist ein harter Weg, eine sehr gute Friseurin zu werden!

Melina Stog investierte viel Fleiß, Geld und Arbeit in ihre Karriere, um eine erfolgreiche Salonunternehmerin zu sein. Schwarzarbeit ärgert sie, vor allem, wenn Meisterbriefe verkauft oder verliehen werden. Ein Gespräch über Friseurgenerationen, Ungerechtigkeiten und wie Jungunternehmende ihre Zukunft aktiv in die Hand nehmen.

Melina Stog im Interview mit Juliane Krammer

"Mich nervt aktuell das Herumgestöhne, dass es unserem Handwerk so schlecht geht und dass nur die Politik etwas ändern kann."

Du wünschst dir mehr Sichtbarkeit von Jungunternehmerinnen auf Bühnen! Welche Themen werden übersehen, die die neue Generation der Salonunternehmerinnen betrifft?
Melina Stog:
Mich nervt aktuell das Herumgestöhne, dass es unserem Handwerk so schlecht geht und dass nur die Politik etwas ändern kann. Wenn wir nicht innerhalb der Branche etwas ändern, wird auch nichts passieren.

Wenn man etwas in der Branche verändern will, ist es nicht naheliegend, in der Innung tätig zu sein?
MS
: Mit der Innung Berlin habe ich nur schlechte Erfahrungen gemacht.

Kannst du das näher ausführen?
MS:
Das war, als ich meinen Meister machte: Ich habe wirklich sehr viel Geld gezahlt, aber es war für mich gefühlt eine Katastrophe – von den Räumlichkeiten, bis zu den Kosten, … Es war alles so altmodisch und schlecht aufgestellt, da vergeht einem als Jungunternehmerin die Lust und auch die Hoffnung schwindet, dass dort eine Veränderung der Branche stattfindet. Beim Zukunftskongress habe ich niemanden von der Innung Berlin gesehen. Ja, es war die ZV-Präsidentin da, aber das ist für mich zu wenig.
Da die Innung als Sprachrohr für mich keinen Sinn macht, habe ich mich an euch gewandt, um mir als junge Unternehmerin Gehör zu verschaffen.

"Es braucht nachhaltige Arbeitsmodelle, mit mehr Pausen, mehr Freizeit – und ja, der Lohn muss dabei trotzdem nach oben."

Vielen Dank für dein Vertrauen und dass du imSalon als Sprachrohr der nächsten Generation wahrnimmst. Wie siehst du die Zukunft der Friseurbranche?
MS:
Die ganze Negativität hat keinen Sinn. Natürlich gibt es Themen, die wichtig sind, aber anstatt 7 % MwSt. zu fordern, sollten endlich Löhne angehoben werden – von Unternehmer*innen und Angestellten. Das muss deutlich nach oben gehen. Unser Beruf ist immer noch viel zu schlecht bezahlt! Es braucht nachhaltige Arbeitsmodelle, mit mehr Pausen, mehr Freizeit – und ja, der Lohn muss dabei gleichzeitig nach oben. Es muss uns Unternehmer*innen und auch den Angestellten gut gehen. Sonst will doch keiner mehr diesen Job machen.

"Mich ärgert Schwarzarbeit, weil ich weiß, wie hart der Weg ist, eine sehr gute Friseurin zu werden. Ich habe so viel Zeit, Geld und Fleiß investiert und das muss entsprechend honoriert werden."

Schwarzarbeit ist ein aktuell großes Thema, wie stehst du dazu?
MS:
Ich persönlich finde es ganz schön frech, in welchen Formen Schwarzarbeit ausgeführt wird. Ob zu Hause im Privaten oder auch bei diversen Salon-Konzepten. Da muss man stärker dagegen vorgehen. Ich denke aber nicht, dass wir dadurch mehr Kund*innen bekommen. Mich ärgert Schwarzarbeit, weil ich weiß, wie hart der Weg ist, eine sehr gute Friseurin zu werden. Ich habe so viel Zeit, Geld und Fleiß investiert und das muss entsprechend honoriert werden.

"Hier in Berlin werden Meisterbriefe verliehen oder verkauft, ..."

… und wie nimmst du das konkret in Berlin wahr?
MS:
Hier in Berlin werden Meisterbriefe verliehen oder verkauft, um kleine Shops zu eröffnen. Das nervt mich! Aber Kunden werden weiterhin zu Leuten gehen, die schwarz Haare schneiden, weil es schlichtweg günstiger ist und ich glaube auch nicht, dass wir das in den nächsten Jahren eindämmen können. Die Schere von Arm und Reich wird weiter auseinandergehen.

Du warst beim Zukunftskongress für Friseure in Berlin …
MS:
Der Zukunftskongress war sehr spannend, aber es geht doch um die Zukunft, um uns junge Menschen, ... ich war schockiert, wie wenig junge Leute vor Ort waren – im Publikum und auf der Bühne.

Woran glaubst du, lag die Unterrepräsentation der jungen Leute?
MS:
Ich vermute, dass es einfach weniger junge Unternehmer*innen gibt. Das ist aber trotzdem kein Grund dafür …

"Wir müssen von den „Älteren“ mehr gehört werden!"

Gibt es Wünsche und Themen, die du als Jungunternehmerin an die „Erfahrenen“ in der Branche hast?
MS:
Wir müssen von den „Älteren“ mehr gehört werden! Wir werden als junge Menschen oft belächelt und nicht ernst genommen. Es macht doch Sinn, gegenseitig voneinander zu lernen! Ich wünsche mir mehr Zusammenarbeit aller Friseurgenerationen! Aber es liegt auch an uns jungen Leuten, dass wir uns mehr Gehör verschaffen und so die älteren Leute unsere Gedanken zwangsweise mitbekommen.

Welche Themen wünschst du dir für den nächsten Zukunftskongress?
MS:
Nachhaltiges Arbeiten! Damit meine ich gesundes Arbeiten, dazu gehört eine gesunde Wochenstundenzahl, eine gesunde Preiskalkulation. Dinge, die auf den ersten Blick wir Kleinkram wirken, aber am Ende dafür sorgen, dass es uns gut geht. Viele Chefs haben das noch immer nicht verstanden. Eine gesunde Arbeitsatmosphäre muss mehr in den Fokus gerückt werden.

Welche Vorträge wünschst du dir konkret?
MS:
Es braucht keine Präsentation einer Abwasser-Recycling-Anlage, die sich keiner leisten kann, sondern Themen, die sofort umgesetzt werden können, wie nachhaltige Umhänge, ordentliches Recycling, von zum Beispiel verwendeter Alufolie oder leeren Haarspray-Dosen. Neben nachhaltigem, gesundem Arbeiten finde ich das Thema Nachwuchs super wichtig! Man muss darüber sprechen, wie Ausbildung moderner gestaltet werden kann.

"Ich finde das System genial, denn damit können wir unsere Qualitätsstandards in Deutschland schaffen. Aber so wie es aktuell ist, kann es nicht bleiben."

Wie stehst du zur dualen Ausbildung?
MS:
Ich finde das System genial, denn damit können wir unsere Qualitätsstandards in Deutschland schaffen. Aber so wie es aktuell ist, kann es nicht bleiben. Es braucht eine Überarbeitung der Inhalte! Es kann doch nicht sein, dass man noch immer eine Bombage schneiden oder Einlegefrisuren machen muss. Da ist doch klar, dass junge Leute keinen Bock auf diesen Beruf haben.

Danke, Melina, für das ehrliche Gespräche und alles Gute für die Zukunft!

Melina Stog führt gemeinsam mit Chris-Ole Denniger das Salonkonzept "The Colored Cut" in Berlin. Nachhaltigkeit wird im Friseursalon der beiden großgeschrieben. Deswegen setzen sie auf Produkte, die aus recyceltem Material hergestellt werden und tierversuchsfrei sind, aber auch die Reduzierung von Salon-Müll sowie das richtige Recycling sind ein Fixum in ihren Salon-Alltag.