21.03.2024
Friseure, die ihren Wert erkennen, werden überleben!“
Cigdem Wieczorek ist Friseurin, Unternehmerin, 3-fache Mutter und Alleinverdienerin für eine 5-köpfige Familie. Sie hat ihre alte Salonstruktur hinter sich gelassen und sich den Traum des nachhaltigen Luxus-Salons erfüllt!
Cigdem Wieczorek im Interview mit Juliane Krammer
Cigdem, du warst beim Zukunftskongress für Friseure in Berlin. Was hat dich dazu bewegt, bei dieser Veranstaltung mit dabei sein?
Cigdem Wieczorek: Das Konzept Zukunftskongress hat mich sehr angesprochen, weil mir unser Handwerk wichtig ist. Ich wollte herausfinden: Wo stehe ich mit meinen Gedanken?
Was durftest du vom Zukunftskongress für dich mitnehmen?
CW: Ich wurde bestärkt, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Das tat gut!
Kannst du das konkreter ausführen?
CW: Mein Salon ist in einer 80.000 Einwohner-Stadt und meine Preise werden als teuer im Vergleich zu anderen Friseuren in Bayreuth wahrgenommen. Ich höre oft: Wir sind hier nicht in München oder Hollywood! Aber es ist doch egal, wo mein Salon ist, was zählt ist meine Arbeitsleistung.
"In den meisten Salons rackern Friseure von früh bis spät, damit die Kunden nicht jammern und am Ende des Tages zählen sie die Cents."
Wie kann mit diesem Mindset gebrochen werden?
CW: Alles verändert sich! Generationen, Preise, Social Media Trends, … warum nicht wir Friseure? Ich bin als Trainerin in vielen Salons unterwegs und sehe, dass sich der Großteil unter seinem Wert verkauft. In den meisten Salons rackern Friseure von früh bis spät, damit die Kunden nicht jammern und am Ende des Tages zählen sie die Cents. Ein Döner kostet mittlerweile 10 Euro, wie kann es dann so günstige Haarschnitte geben? Die, die ihren Wert erkennen, werden überleben! Ich weiß, dass ich Arbeitsplätze biete, wo man gut verdienen kann. Waschen, schneiden, föhnen kostet 120 Euro – nicht weniger! Kunden, die das nicht einsehen, werden später Schlange stehen.
Aber was ist die Lösung? Wie kommen Friseure aus dieser Spirale raus?
CW: Ich bin in der Innung aktiv, tausche mich aus, denn ich weiß, wir sitzen allen im selben Boot. Aber vor allem Frauen liegen mir sehr am Herzen. Unsere Branche ist zu 85% weiblich. Es braucht mehr Unterstützung für berufstätige Frauen und Mütter. Die meisten können sich nur mit dem Geld ihrer Partner über Wasser halten, aber uns Frauen steht Gleichberechtigung zu! Ich sehe mich nicht nur als Friseurin, sondern auch als Unternehmerin.
Du hast drei kleine Kinder …
CW: … von 9 Monate bis 5 Jahre. Mein Mann ist zu Hause und übernimmt die Kinderbetreuung. Ich liebe meinen Job und will erfolgreich sein. Um eine 5-köpfige Familie zu ernähren wusste ich, dass ich nur gut verdienen kann, wenn ich meinen Beruf ernst nehme. Dafür habe ich vor 7 Jahren mit Persönlichkeitsentwicklung begonnen, denn als Chefin bin ich Vorbild und ich darf die Professionalität trotz Hürden nie verlieren.
Frauen haben mit festgefahrenen patriarchalen Strukturen täglich zu kämpfen. Wurdest du emanzipiert erzogen, um da zu sein, wo du jetzt bist?
CW: Nein, das Gegenteil ist der Fall. Ich war bereits mit 21 Jahren selbstständig und das ging nach drei Jahren in die Hose, war verschuldet und habe weitergekämpft, denn mein Traum war, einen Familienbetrieb zu schaffen. Ich fand das schon immer toll, wenn Kinder die Möglichkeit haben, in einen Betrieb einzusteigen.
"Mittlerweile nehmen sich meine Kunden für einen Termin bei mir frei."
Wie ist es möglich, aus einem gescheiterten Betrieb wieder mit vollem Elan durchzustarten?
CW: Ich eröffnete einen zweiten Salon, der super lief, hatte aber schon immer den Plan einen Luxus-Salon zu eröffnen, in dem ich mir Zeit für meine Kunden nehme. Deswegen stellte ich mich komplett neu auf, ging mit den Preisen hoch, habe Kunden verloren und neue gewonnen. Mittlerweile nehmen sich meine Kunden für einen Termin bei mir frei.
Es ist so schade, dass so viele dieses Potenzial nicht erkennen. Ich habe Geld als Friseurin! Das geht! Und es funktioniert auch mit wenigen Mitarbeitern. Weniger ist hier oft mehr. Lieber mit den richtigen Personen vorankommen, als sich mit vielen Personen immer im Kreis zu drehen.
"Ich habe Geld als Friseurin! Das geht! Und es funktioniert auch mit wenigen Mitarbeitern. Weniger ist hier oft mehr. Lieber mit den richtigen Personen vorankommen, als sich mit vielen Personen immer im Kreis zu drehen."
Wie groß ist dein Team?
CW: Aktuell habe ich vier Mitarbeiter. Zwei neben mir im Salon, eine ist aktuell in Karenz und mein Mann macht für ein paar Stunden Controlling und die Buchhaltung.
Ich habe alles erreicht, was ich wollte, aber beim Thema Mitarbeiter hakt es aktuell noch bei mir.
Wo liegt deiner Meinung nach das Problem?
CW: Das habe ich vom Zukunftskongress mitgenommen: Gibt es ein Problem, muss man sich in anderen Branchen umsehen, wie die das lösen. Mir ist klar geworden, dass ich klare Ziele definieren und Aufgaben verteilen muss. Es bringt nichts, Personen einzustellen und sie einfach arbeiten zu lassen. Das schafft nur Chaos.
Bildest du aus?
CW: Ich habe ausgebildet, bin aber nicht mehr bereit, junge Menschen zu erziehen, dafür habe ich drei Kinder zu Hause. In meinem Luxus-Salon machen nur Fachkräfte Sinn, die mit den Kunden umgehen können. Es gibt so viele Personen, die dieses Handwerk erlernt und aus diversen Gründen an den Nagel gehängt haben. Ich möchte Wiedereinsteigern die Chance geben, sich neu im Friseurberuf zu erfinden und gut zu verdienen. Genauso sind Quereinsteiger willkommen - wir sind in der Beauty-Branche, die boomt! Ob Haare, Nägel, Wimpern, Make-up – Angst vor der Zukunft habe ich nicht!
Was wünschst du dir vom Zukunftskongress 2025?
CW: Ich wünsche mir Speaker, die das Thema Persönlichkeitsentwicklung und zwischenmenschliche Kommunikation aufgreifen. Vor allem die jungen Leute wissen oft gar nicht, wie sie kommunizieren sollen. Wir sind keine Maschinen. Das ist unser absolutes Plus, deswegen müssen wir lernen, wie wir mit unserem Gegenüber umgehen.
Danke, Cigdem, für das spannende Gespräch und alles Gute für die Zukunft!