Credit: David Broy (EBBE Fotografie)

14.03.2024

Lottospiel Friseurausbildung durch jährlichen Betriebswechsel stoppen

Lena Kühn will im Friseurhandwerk etwas bewegen. Deswegen unterrichtet sie Azubis, verhandelt Ausbildungstarife in der ver.di-Kommission und ist beim ZV engagiert. Für die bestehende Friseurausbildung schlägt sie eine Umlagefinanzierung, jährliche Betriebswechsel und regelmäßige Ausbildungsbetriebs-Überprüfungen vor.

Lena Kühn im Interview mit Juliane Krammer

"Die Friseurausbildung ist wie Lottospielen."

Deine Lehrzeit ist jetzt noch nicht so lange her. Wie siehst du die Duale Ausbildung – ist sie ein Schatz, der gehütet werden soll oder braucht es Veränderung?
Lena Kühn:
Ich bin nun seit 5 Jahren ausgelernt und begleite Azubis in der Berufsschule bei den überbetrieblichen Lehrgängen in Theorie und Praxis. Erst da wurden mir die massiven Unterschiede des jeweiligen Leistungsstands bewusst. Die Friseurausbildung ist wie Lottospielen.

Lottospielen?
LK:
Ich hatte sehr viel Glück, war in einem guten Salon, habe viel gelernt und durfte rasch Eigenverantwortung übernehmen. Es fühlte sich oft nach „ins kalte Wasser springen an“, was aber besser war, als nichts zu lernen. Das meine ich mit Lottospielen: Die einen lernen viel und werden unterstützt, bei den anderen ist das Gegenteil der Fall.

Warum gibt es so gravierende Unterschiede?
LK:
Wenn man so jung ist, macht man sich nicht zu große Gedanken darüber, worauf man beim zukünftigen Ausbildungsplatz achten muss. Ich will auch nicht sagen, dass diese Salons es nicht richtig machen wollen, aber sie können aus diversen Gründen keine gute Ausbildung bieten. Natürlich beeinflusst das auch unsere dramatischen Ausbildungszahlen: Läuft die Ausbildung nicht optimal, brechen viele ab und wollen gar nicht in einen anderen Friseur-Betrieb wechseln. Sie nehmen an, es ist überall gleich.

Hast du einen Lösungsansatz für ein besseres Ausbildungssystem?
LK:
Um den Fortbestand des Dualen Systems zu sichern, bin ich für eine Umlagefinanzierung der Ausbildungsbetriebe! Egal, ob ein Salon ausbildet oder nicht - es soll in die Azubi-Zukunft investiert werden. Das ist sicherlich ein Anreiz für Salons auszubilden und Ausbildungsbetriebe sind nicht gefrustet, weil sie auf den Kosten sitzen bleiben.
Einjährige Lehrverträge finde ich eine gute Idee, um unterschiedliche Lehrbetriebe kennenzulernen und die Ausbildung vielfältiger zu gestalten.Genauso ist es unerlässlich Ausbildungsbetriebe ordentlich zu prüfen, denn alle Azubis brauchen die gleichen Voraussetzungen. Wenn ich sechs Schüler in einem Lehrgang habe, die alle die gleiche Aufgabe erhalten und die einen mit einem guten Ergebnis in einer halben Stunde fertig sind und die anderen 1,5h Stunden benötigen, ist das fatal für das gesamte Handwerk.

"Leider haben viele Friseure kein Interesse daran, etwas politisch zu bewegen und einen „Man kann nichts mehr machen“-Modus aktiviert. Wir sind doch eine riesige Gemeinschaft und müssen uns zusammenschließen!"

Wie siehst du die Zukunft des Friseurhandwerks?
LK:
Ich verdiene sehr gut, aber es gibt Nachholbedarf. Es tut sich viel in puncto Arbeitszeitmodelle, etc., aber wir Friseure müssen alle an einem Strang ziehen und uns politisch engagieren. Leider haben viele Friseure kein Interesse daran, etwas politisch zu bewegen und einen „Man kann nichts mehr machen“-Modus aktiviert. Wir sind doch eine riesige Gemeinschaft und müssen uns zusammenschließen!

Wie engagierst du dich politisch?
LK:
Ich bin in der ver.di-Tarifkommission und auch für die Innung im Modeteam Niedersachsen bzw. Deutschland tätig.

Wie ist es möglich, sowohl bei ver.di sowohl als auch beim ZV aktiv zu sein?
LK:
Ich will mich für das Friseurhandwerk engagieren und als Angestellte bot sich an, in der Gewerkschaft tätig zu sein. Dass ich bei ver.di als auch der Innung tätig bin, war für die jeweilige Partei anfangs schwierig zu verstehen. Ich habe das aktiv aus dem Weg geräumt, in dem ich mit höheren Mitgliedern des Landesverbandes und ZVs gesprochen habe.

Wie lautete deine Erklärung?
LK:
Das Friseurhandwerk muss froh darüber sein, wenn sich junge Menschen für ihre berufliche Zukunft starkmachen. Wir verfolgen alle das gleiche Ziel. Wir wollen ein besseres Friseurhandwerk-Image, steigende Ausbildungszahlen und Gehälter, sodass Mitarbeiter zufrieden sind. Dafür braucht es aber junge Menschen, die für das Handwerk einstehen, aber auch Unterstützung der Erfahrenen und keinen Generationenkampf.

Danke, Lena, für das spannende Gespräch und alles Gute für die Zukunft.