Credit: Sandrino Donnhauser | imSalon

06.03.2024

„Das Duale System lässt die Beauty-Blase der jungen Menschen platzen!“

Für Damian Tworuschka ist „nicht ausbilden“ keine Option, schon gar nicht, wenn man sich über die aktuelle Azubi-Situation beschwert. Er fordert ein zeitgemäßes Duales Ausbildungssystem, sieht aber nicht nur den ZV und die Innungen, sondern auch Salons in der Bringschuld eine gegenwartsnahe Ausbildung zu bieten.

Damian Tworuschka im Interview mit Juliane Krammer

Du hast dich in letzter Zeit öfters kritisch gegenüber dem bestehenden Dualen Ausbildung-System in Deutschland geäußert. Was fehlt diesem System deiner Meinung nach bzw. was braucht es?
Damian Tworuschka:
Die Themen Ausbildung und Auszubildende sind von drei unterschiedlichen Faktoren abhängig. Zum Ersten Handwerkskammern und Innungen mit dem Sprachrohr Zentralverband. Das sind diejenigen, die die politische Ebene erreichen sollten. Zweitens hast du den Friseursalon und drittens kommen äußere Umstände, wie z.B. Social Media, hinzu. Und diese drei für das Friseurhandwerk essenziellen Parteien ziehen nicht am selben Strang.

Kannst du das näher ausführen?
DT:
Jeder macht sein eigenes Ding, trotzdem beschweren sich alle, dass es keine Azubis gibt. Alle reden von der 4-Tage-Woche, Work-Life-Balance, … ich glaube, das ist nicht der richtige Ansatz, jemanden für unseren Beruf zu begeistern.
Wie finden Azubis überhaupt einen Salon? Heutzutage über Social Media! Azubis folgen Influencern und sehen, dass die in coolen Salons sind, … das wiederum kann ein Anreiz für junge Menschen sein, diesen Influencern einmal in einem Lifestyle-Salon, die Haare zu machen. Dabei wird eine Beauty-Blase aufgebaut und der junge Mensch ist motiviert, diesen Beruf zu ergreifen, aber dann kommt die Realität, die die Beauty-Blase platzen lässt und diese Realität heißt: Duales System.  

"Über Jahre hinweg ist eine Blase entstanden, welchen Lifestylecharakter der Friseur-Beruf hat, dann kommt man in die Berufsschule und dort ist die Praxis konträr zu dem, was auf Social Media vermittelt wird."

Welche Punkte stören dich besonders am dualen System, die deiner Meinung nach diese Beauty-Blase platzen lassen?
DT:
Mir ist schon klar, dass das Handwerk gewisse Fingerfertigkeiten benötigt, aber wenn ich in der heutigen Zeit von Beach Waves, Undone Looks, Foilyage, Balayage, Air Touch, Texture Lights, … immer noch ein Modell für Dauerwelle, zum Legen und Ausfrisieren finden muss, wird es immer schwieriger, junge Leute für diesen Beruf zu begeistern. Über Jahre hinweg ist eine Blase entstanden, welchen Lifestylecharakter der Friseur-Beruf hat, dann kommt man in die Berufsschule und dort ist die Praxis konträr zu dem, was auf Social Media vermittelt wird. Das Duale System ist in meinen Augen veraltet. Es fehlt Fach-Englisch, das gelehrt werden sollte. Ich vermisse Social Media Kurse. Warum kooperiert man nicht mit Experten wie z.B. Maximilian Grüneberger, um Azubis auf die Zukunft vorzubereiten?

"Vor allem als Session Stylist ist es sogar wichtig, solche Techniken zu erlernen, aber das wird den jungen Menschen in der Berufsschule nicht vermittelt – was man mit altbewährten Techniken, modern umsetzen kann."

Du kritisierst die noch immer bestehende Dauerwelle im Lehrplan. Was ist die Alternative?
DT:
Das Schlimmste ist doch, dass die Dauerwelle noch immer an Modellen gewickelt werden soll. Es kann Bestandteil der Prüfung bleiben, aber ob du auf einem Übungskopf oder einem Modell wickelst, macht doch keinen Unterschied. Vor allem als Session Stylist ist es sogar wichtig, solche Techniken zu erlernen, aber das wird den jungen Menschen in der Berufsschule nicht vermittelt – was man mit altbewährten Techniken, modern umsetzen kann. Stattdessen ist man stolz darauf, dass die permanente Glättung in die Ausbildung integriert wurde. Der Trend geht aber weg von permanenter Dauerwelle oder Glättung. Stattdessen will man wieder gut geföhnte Haare, aber selbst das ist nicht mehr Bestandteil der Ausbildung.

"Das große Defizit ist aber mit der Zeit herangewachsen. (...) Nach wie vor wird man als Azubi durch dieses veraltete System durchgeschleust und auf die reale Kunden-Welt nicht vorbereitet."

Hast du die Duale Ausbildung zu deiner Azubi-Zeit schon so wahrgenommen oder erst seitdem du einen Salon führst? Wann war für dich der Knackpunkt, dass dich dieses System so sauer aufstoßen lässt?
DT:
Ich hatte das Glück, die Ausbildung in einem Salon zu machen, in dem meine Chefs Trainer waren. Ich durfte gleich in die spannende Seite des Friseurberufs eintauchen und bei Messen und Shows mit dabei sein. Da habe ich gesehen, was man außerhalb des Salons noch erreichen kann. Auch wenn meine Ausbildungszeit nun 22 Jahre her ist, fand ich es damals schon veraltet und habe Inhalte wie fachspezifisches Englisch vermisst. Das große Defizit ist aber mit der Zeit herangewachsen. Balayage oder Social Media gab es damals noch nicht, das fehlt heute erst recht. Nach wie vor wird man als Azubi durch dieses veraltete System durchgeschleust und auf die reale Kunden-Welt nicht vorbereitet.

Erschwert diese Tatsache, dass aktuelle Trends in der Dualen Ausbildung nicht gelehrt werden, den Salons das Ausbilden?
DT:
Das wäre zu einfach gedacht, auch Salons sind in der Bringschuld. Wenn sich ein Salon dazu entscheidet, auszubilden, bedeutet das, Verantwortung zu übernehmen und auf die Bedürfnisse der Endverbraucher zu schulen. Die Azubis müssen selbstbewusst am Kunden arbeiten können. Die Inhalte des Lehrplanes sind die eine Sache, aber der Salon muss auch Zeit investieren und gegenwartsnah ausbilden.

"Ich brauche meine Azubis nicht zum Putzen oder Kaffeebringen. Ich will, dass sie Spaß haben, am Kunden zu arbeiten und selbst kreieren zu können."

Bildest du aus?
DT:
Ja, mit unserer Auszubildenden machen wir regelmäßig Übungsabende. In den ersten drei Monaten soll sie Glossings machen, vernünftig Föhnen lernen, dann geht es zur Haarfarbe über, danach zu Strähnen- und Balayage-Techniken usw. Ich brauche meine Azubis nicht zum Putzen oder Kaffeebringen. Ich will, dass sie Spaß haben, am Kunden zu arbeiten und selbst kreieren zu können.

"Die Schule gibt dir die Basis, aber erst mit der Salon-Praxis wächst man."

Wie bereitest du deine Auszubildende nun auf die Realität der Dualen Ausbildung vor? Hast du Sorge, sie deswegen zu verlieren?
DT:
Ich suche das Elterngespräch, egal ob sie schon 19 sind und erkläre, wie es bei mir im Salon abläuft. Es gibt viel zusätzliche Weiterbildungen und auch Trainingseinheiten, wo Zeit geopfert werden muss, aber ich kann durch meine Erfahrung und durch meine Kontakte Türen öffnen, um außerhalb des Salons weiterzukommen. Die Schule gibt dir die Basis, aber erst mit der Salon-Praxis wächst man.

Du schulst Friseure weltweit. Könntest du dir vorstellen in deutschen Berufsschulen zu unterrichten oder Prüfungen abzunehmen?
DT:
Ich komme aus der Sassoon-Schule und habe das Konzept der Bauchhaarschneider nie wirklich verstanden. Bei Prüfungskommission habe ich bereits ausgeholfen, wurde aber danach nicht mehr eingeladen, weil ich zu streng kontrollierte. Auf die Frage, warum überhaupt Arbeiten kontrolliert werden, war die Antwort, dass der Prüfling aus einem Salon kommt, der viele Azubis ausbildet und sehr engagiert sei.Aber das ist doch kein Freifahrtsschein! Jetzt spielen wir das mal durch: Dieser Schüler kommt durch und wenn dieser Azubi vom Ausbildner nicht übernommen wird, hat der nächste Salon das Problem.

Dein Fazit?
DT:
Ja, ich wäre bereit, zu unterrichten oder Prüfungen abzunehmen, aber wenn ich bei Prüfungen ein Auge zudrücken muss, bin ich raus.

"Ein großes Problem sehe ich im Zentralverband und bei den Innungen. Die Personen, die etwas zu sagen haben und im Vorstand sind, wollen nichts ändern und halten an dem fest, wie es schon immer war."

Wunschkonzert Duale Ausbildung. Wie sollte diese deiner Meinung nach aussehen?
DT: 
Ein großes Problem sehe ich im Zentralverband und bei den Innungen. Die Personen, die etwas zu sagen haben und im Vorstand sind, wollen nichts ändern und halten an dem fest, wie es schon immer war. In mir macht sich dann immer ein Gefühl von einem Kegelclub breit, wenn ich diese Personen vor mir sehe. Es wird nichts getan, nichts vorangetrieben, nichts geändert. Siehe Duales System: Das Duale System ist nicht verkehrt, aber komplett überholt! Es hapert hierbei schon an der Basis. Denn in jedem Bundesland ist die Basis-Ausbildung komplett unterschiedlich. Und wenn die Basis nicht stimmt, wie soll dabei etwas Gutes herauskommen? Man braucht ein einheitliches System, damit überhaupt ein Standard gewährleistet ist, um darauf mit der kreativen Ausführung aufzubauen. Alles andere ist fatal für die Zukunft.
Was ich mir wünsche? Neben den bereits genannten Faktoren wie eine zeitgemäße Anpassung des Lehrplans sollte man ab dem 2. oder 3. Lehrjahr eine Spezialisierung einschlagen können. Genauso bin ich für eine einjährige Ausbildung von Nicht-EU-Bürgern, die bereits als Friseure oder Coloristen gearbeitet haben.
Aber auch wenn man als Salon-Inhaber gefrustet ist: Nicht ausbilden ist keine Option und schon gar nicht für die, die sich beschweren.

Danke Damian für dieses spannende Gespräch und alles Gute für die Zukunft.