17.04.2024
„Die Ignoranz der Innung führt zur Separierung!“
Kristina Baumgartner führt ihren Premium-Barbershop im Bayerischen Wald. Sie ist der Meinung, dass Barbershops sich das Nutze machen, was von der Innung jahrelang verabsäumt wurde: Für den Mann spezielle Services.
Kristina Baumgartner im Interview mit Juliane Krammer
Schwarzarbeit ist ein großes Thema und wird oft mit Billig-Barbershops in Verbindung gebracht. Ist das ein Thema, das dich beschäftigt?
Kristina Baumgartner: Tatsächlich mache ich mir diesbezüglich keine Gedanken. Ich konzentriere mich auf meine Kunden, die das Service schätzen und faire Preise bezahlen. Aber es gab schon mal die Situation, dass ein Kunde meine Mitarbeiterin gefragt hat, ob sie auch privat Haare schneidet.
Wie seid ihr mit der Situation umgegangen?
KB:Meine Mitarbeiterin hat ihm gesagt, dass für sie Schwarzarbeit nicht in Frage kommt. Der Kunde kam anschließend nicht mehr. Was mir aber nur recht ist, denn so jemanden will ich nicht im Barbershop haben. Ich will, dass mein Job und die Professionalität respektiert werden.
Viele klagen über Friseurinnen*, die neben ihrem Job noch privat Haare schneiden …
KB: Ich lege viel Wert auf Kommunikation innerhalb des Teams und mir ist es sehr wichtig, dass es allen gut geht. Da gehört die richtige Entlohnung dazu und dass der Spaß in der Arbeit vorhanden ist. Wenn die Faktoren passen, kommt man nicht auf die Gedanken, zu Hause ein Stübchen einzurichten und dort Haare zu schneiden.
Hast du ausschließlich Vollzeit-Angestellte?
KB:Nein, ich habe aktuell zwei Vollzeit-Mitarbeiter, zwei in Teilzeit und seit einem Jahr unsere Friseurgesellin, die auch bei uns die Ausbildung gemacht hat.
Ein Azubi im Barbershop?
KB: Ja, ich glaube sogar, sie ist die erste in Bayern, die die Friseurgesellenprüfung abgelegt hat. Eine Freundin führt einen klassischen Salon und sie freute sich über den Support im Geschäft und unser Lehrling konnte so alles für die Prüfung Notwendige lernen.
Wie arrangiert man sich mit einem Partner-Salon?
KB: Die offene Kommunikation, ist wichtig. Natürlich könnte sich der Azubi dazu entscheiden, doch zum Partnersalon zu wechseln, aber sie wollte unbedingt in einem Barbershop lernen und arbeiten. Wie so einige junge Mädels, die sich bei mir beworben haben.
Andere klagen über fehlende Azubis. Woran liegt das, dass es bei dir im Salon anders ist?
KB: Ich glaube, dass es an dem System der Friseurlehre liegt. Es ist veraltet und langweilig. Kürzlich sprach ich mit einer 19-jährigen, die ihre Friseurlehre abbrach. Der Grund: Es ist zu altmodisch und langweilig. Die wollte nicht nur Dauerwelle wickeln und Hochsteckfrisuren machen, die keiner trägt. Bei uns im Barbershop ist alles anders. Wir haben ein komplett anderes Paket, sind am Puls der Zeit, machen unser eigenes Ding. In vielen Friseur-Salons geht das unter. Was ich damit sagen will: Ein klassischer Friseur, ohne Spezialisierung tut sich in puncto Nachwuchs bestimmt schwerer.
Wen siehst du hier in der Verantwortung? Welche Forderungen hast du?
KB: Sowohl Handwerkskammer als auch die Innung müssen mehr Interesse für das Männer-Thema aufbringen, um mehr zu bewegen und verändern - vor allem in der Berufsschule. Ich fordere, dass das Barber-Handwerk endlich bei den Friseuren ankommt und nicht immer zweigeteilt wird. Auch auf der Messe in Düsseldorf habe ich es hautnah erlebt. Kollegen schütteln die Köpfe, wenn Barber-Themen aufgegriffen werden. Das verstehe ich nicht. Man gehört doch zusammen. Ich bin doch auch gelernte Friseurin und Barber. Aber aufgrund der Ignoranz der Innung fühlt es sich nach zwei separaten Bereichen an.
"Männer haben Lust auf Service."
Was wünschst du dir von der Innung?
KB:Dauerwelle und Co können kleiner gehalten werden, auch das Augenbrauenfärben muss nicht so viel Raum einnehmen. Das schafft man in einer Schulung nebenbei zu erlernen, aber das Barber-Thema ist so groß: Schnitte, Bartformen, Gesichtsformen, Pflege sowie auch Rasur und Hygiene sind wichtig! Männer haben Lust auf Service. Ich habe 13 Jahre Salon-Erfahrung gesammelt, bevor ich mich selbstständig machte, da wurden Männer zwischen Haarfarbe und Damenschnitt schnell geschnitten. Das vermittelt auch die Berufsschule. Herren-Service muss mehr in den Fokus rücken. Seht doch mal auf Instagram: Die Barber-Reels explodieren! Und nun meine Frage: Warum sprießen überall die Billig-Barber? Weil der Friseur, dieses Feld nicht bedient. Die Industrie hat das Potenzial Herren seit vielen Jahren schon entdeckt. Es braucht aber ein Umdenken der Friseure, erst wenn die das Potenzial Herren erkennen, wird die Innung nachziehen und reagieren. Herren wollen ihren Platz, ihr eigenes Service und nicht zwischen Damenkunden warten, damit sie dazwischen eingeschoben werden.
" ... warum sprießen überall die Billig-Barber? Weil der Friseur, dieses Feld nicht bedient."
Wann hast du das Barber-Handwerk für dich entdeckt?
KB:Friseur ist für mich der geilste Beruf der Welt und einer der ältesten Berufe. Mit dem Barber-Handwerk hat alles gestartet. Schon als Gesellin nervten mich die 10 Minuten-zwischendurch Schnitte für den Mann. Ich habe gerne Herren-Kunden bedient und so entstand auch die Idee, meinen eigenen, auf den Herren abgestimmten, Salon zu eröffnen.
" ... du kannst nicht vor der Konkurrenz sitzen und schauen, ob die etwas falsch machen."
Viele sind der Meinung, dass Schwarzarbeit durch ausschließliche Kartenzahlung eingedämmt werden kann. Wie stehst du dazu?
KB: Wenn jemand schwarzarbeiten will, macht er das. Als Friseur musst du dich davon lösen, du kannst nicht vor der Konkurrenz sitzen und schauen, ob die etwas falsch machen. Aber es kann schon sein, dass mit ausschließlicher Karten-, Paypal-, Apple Pay-Bezahlung das an der Kasse-vorbei-arbeiten reduziert wird.
Euer Salon ist in einer eher ländlichen Gegend. Gibt es dort viele Billig-Barber?
KB: Nein. Wir sind in einem Städtchen mit 9000 Einwohnern. Die nächste Stadt ist 30km entfernt, da fängt das Thema langsam an. Das, was mich tangiert, sind die Nachrichten, die gefühlt alle Barber über einen Kamm scheren. Das vermittelt das Gefühl, dass alle Barber schlecht und billig arbeiten, sich Hautpilz verbreitet, etc. – in meinem Umkreis sehe ich das zum Beispiel nicht. Wir sind ein etablierter Barbershop, uns gibt es seit 9 Jahren. Billig-Barber machen auf und wieder zu.
Vielen Dank für das spannende Gespräch und alles Gute für die Zukunft!