Credit: Markus Schmidt imSalon

27.12.2023

„Die Ausbildungsvergütung im Friseurhandwerk muss dringend Richtung 1.000 € korrigiert werden“

ACHIM ROTHENBÜHLER, J.7 GROUP DIRECTOR und Kao Artist, im Zukunftsgespräch mit imSalon

Was glaubst Du, braucht es als Friseurunternehmer, um auch in Zukunft erfolgreich sein zu können?
Achim Rothenbühler:
Professionalität in unserem Business ist wichtiger denn je, und damit meine ich in allen Bereichen. Ein handwerklich guter Friseur zu sein, wird zukünftig nicht mehr reichen. Betriebswirtschaftliche Kenntnisse sind gerade in Zeiten, in denen das Geld knapp wird, unabdingbar. Gleichzeitig muss ich mehr denn je für die Sichtbarkeit meines Unternehmens sorgen. Das bezieht sich auf die Endverbraucher, aber vor allem auf die Arbeitgebermarke.

Was ist für dich die wichtigste Maßnahme, um Sichtbarkeit zu gewährleisten?
AR:
Der Salon, inklusiver seiner Persönlichkeiten, muss in meiner Region wahrgenommen werden. Eine kontinuierliche Social Media Präsenz auf allen wichtigen Kanälen ist für mich ein absolutes Muss.

Auch für die Arbeitgebermarke?
AR:
Wenn ich in Zukunft weiterhin erfolgreich sein will, muss ich mich als Ausbildungsbetrieb, den sich ändernden Herausforderungen des Arbeitsmarktes stellen.

Flexible Arbeitszeitmodelle, faire Bezahlung und eine teamorientierte Atmosphäre sind die Grundvoraussetzung, um als Arbeitgeber attraktiv zu sein. Die Zeiten, wo Übungsabende nach Feierabend stattfinden, oder Überstunden als selbstverständlich gelten, sind schon lange vorbei.

„Wer darauf wartet, dass es wieder so wird, wie vor 5 Jahren hat verloren.“

Damit tun sich noch immer viele schwer!
AR:
Was wir jetzt vor allem brauchen, sind Führungskräfte, die positiv eingestellt sind und sich den aktuellen Herausforderungen mit Kreativität stellen. Wir müssen diese Energie unserer Gründungszeit wieder abrufen und jetzt mit einem Neustart in die Zukunft gehen. Wer darauf wartet, dass es wieder so wird, wie vor 5 Jahren hat verloren.

„Es sind keine lauten Insolvenzen, es sind leise Schließungen.“

Es gibt viel, das wir dafür als Branche selbst lösen müssen. Es gibt aber auch Forderungen an die Politik, welche hättest Du dabei?
AR:
Von der Politik erwarte ich schon lange nichts mehr! Am meisten würde ich mir wünschen, dass wir als mittelständische Unternehmen wieder wahrgenommen werden.

Die meisten von uns waren in den guten Zeiten fleißige Steuerzahler, aber seit der Pandemie fehlt es an der notwendigen Unterstützung, um vernünftig durch diese Krisenzeit zu kommen. Ja, es sind keine lauten Insolvenzen, es sind leise Schließungen. Aber hinter jedem Salon, der aufgeben muss, hängen persönliche Schicksale und Existenzen.

Ihr bildet noch aus und gehört damit zu den nur noch 11 % der Betriebe, die ausbilden. Was muss hier geschehen, um wieder mehr Betriebe für die Ausbildung zu motivieren?
AR:
Ausbildung ist für uns ein Muss und eine Absicherung der Zukunft unserer eigenen Salons.

Natürlich wird es auch für uns von Jahr zu Jahr schwieriger, an gute Auszubildende zu kommen. Fair fände ich es, wenn die wenigen Betriebe, die noch ausbilden, in irgendeiner Form Unterstützung bekämen. Und die Ausbildungsvergütung im Friseurhandwerk muss dringend Richtung 1.000 Euro korrigiert werden, dann bewegen wir uns im Mittelwert der Ausbildungsberufe. Die Signalwirkung, die vom Image des am schlechtesten bezahlten Ausbildungsberuf ausgeht, ist wettbewerbstechnisch verheerend.

Wie schafft Ihr es, Nachwuchs zu finden?

Natürlich sind wir sehr aktiv auf Kanälen wie Facebook, Instagram und auch TikTok. Wir gehen allerdings auch direkt an Schulen, um die Schüler und Schülerinnen sehr früh für unseren Beruf und unser Unternehmen zu begeistern. Wir konnten uns über die Jahre hinweg mit unseren Standorten so als gute Arbeitgeber und attraktive Ausbildungsmarke positionieren.

Und wie motiviert ihr?
AR:
 Kontinuierliche Trainings an der eigenen J.7 school sowie der Kao Salon Academies für unsere Mitarbeitenden sind für uns ein absolutes Muss. Wir fördern unsere Mitarbeiter auch gezielt im Bereich Kommunikation und Persönlichkeitsentwicklung und geben unseren jungen Mitarbeitenden alle Möglichkeiten an die Hand, erfolgreich auf hohem Niveau zu arbeiten. Dazu gehört natürlich auch, dass wir inzwischen sehr flexibel bezüglich verschiedener Arbeitszeitmodelle sind.

Was kann die Industrie bewegen?
AR:
Von der Industrie würde ich mir aufgrund ihrer Größe und Möglichkeiten wünschen, uns dabei zu helfen, mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit zu erzielen.

Außerdem benötigt diese Branche dringend mehr innovative Produkte und Dienstleistungen.

Gerade die großen Player haben auch Marken aus anderen Beauty Bereichen unter ihrem Dach. Welche Trends und Dienstleistungen kann man von dort in unsere Branche übertragen?

Und welche Möglichkeit gibt es, den Wareneinsatz in den Salons durch moderne Warenorderprogamme zu reduzieren?

Wie setzt Ihr Digitalisierung heute schon im Salon um, wo seht Ihr Potenzial für die Zukunft?
AR: 
Digitalisierung ist auch bei uns ein großes Thema. Die Onlineterminierung ist heute aus unseren Salons nicht mehr wegzudenken. Auch in der Kommunikation untereinander und mit unseren Kunden setzen wir immer mehr auf das Digitale, in Form von Newslettern oder eben über Social Media. Aber auch im Education Bereich setzen wir verstärkt auf digitale Formate, weil wir damit Mitarbeitenden deutlich flexibler Weiterbildung ermöglichen können und digitale Formate natürlich auch von mehr Leuten gleichzeitig in Anspruch genommen werden können.

Danke lieber Achim, wir sehen uns beim Zukunftskongress

Am 15.1.2024 kämpfen wir gemeinsam für die Zukunft der Friseurinnen und Friseure, seid dabei beim ► Zukunftskongress!