Friseurunternehmerin Sabrina Poser aus Herford (NRW) | Credit: zur Verfügung gestellt von Sabrina Poser

17.11.2023

„90 Prozent der Friseure sind darauf trainiert, Termine abzuarbeiten“

Erfolgreich und preisgekrönt zeigt Sabrina Poser, wie man mit neuen Strukturen Emotionen lenkt und das Know-how eines gesamten Teams zum Upgrading nutzt.

Kann ich geringe Aufmerksamkeitsspanne, Digitalisierung und Emotion so in Dreiklang bringen, dass ein Salonkonzept der Zukunft entsteht? Geht!, weiß Sabrina Poser.

Im Gespräch mit Birgit Senger

Warum braucht es neue Strukturen und das Denken in Upgrades?
Sabrina Poser
: Wir haben eine ganz niedrige Aufmerksamkeitsspanne, das sehe ich nicht nur bei den jungen Leuten, sondern auch bei mir selbst. Entweder catcht mich etwas in der ersten Minute -oder nicht. Die Zeiten, in denen man Mitarbeitenden lange Vorträge hielt, sind vorbei. Heute muss alles kurz und knackig sein, ich muss es spielerisch verpacken und am besten mit digitalen Inhalten mischen.

„Das Denken in Upgrades schafft Erlebnisse und Emotionen.“

Denken in Upgrades, was bedeutet das für Sie als Unternehmerin?
SP:
Das Denken in Upgrades schafft Erlebnisse und Emotionen. Ich habe mich in meinem Salon darauf spezialisiert, Strukturen zu gestalten, die in unserer Arbeit die Empfindungen der Kunden genauso miteinbindet, wie ich als Führungskraft die Emotionen meiner Mitarbeitenden in meine Art zu führen, miteinbeziehe. Auch die Industrie muss sich neu ausrichten, um uns Friseurinnen und Friseure emotional mitnehmen zu können.

Wie setzen Sie das im Salon um?
SP:
In unserer Upgrade-Beratungsstruktur arbeiten wir mit einem Analysetool der Firma Schwarzkopf. Mit diesem messen wir vor jeder Beratung die Haarstärke und die Haargesundheit der Kundin, können so den Haaraufbau von innen sehen und ermitteln, welche Verbesserung des Haarzustandes wir durch Pflege erzielen. Die Kundin binden wir in den digitalen Prozess mit ein und schaffen ein Erlebnis, das sie zur "kleinen" Expertin für ihr Haar macht. Auf dieses bauen wir die Beratung auf. Aber Vorsicht: So großartig das Analysetool als Grundlage ist, so wichtig ist es, die Beratung mit unserer eigenen Expertise zu füllen. Der Gedanke, dass ich ihr etwas verkaufen möchte, kommt gar nicht auf, denn sie sieht selbst die Notwendigkeit, etwas für ihr Haar tun zu wollen. Geringe Aufmerksamkeitsspanne, Digitalisierung und Emotion so in einen Dreiklang zu bringen und damit ein Erlebnis zu schaffen, ist für mich eine spannende Sache.

Seit wann praktizieren Sie ihr Upgrade Konzept im Salon und was war für Sie hier der Gamechanger?
SP:
Vor vier Jahren habe ich erstmals mit der Unternehmensberaterin Christiane Geuting zusammengearbeitet. Dort ging es nicht um Zahlen, Daten, Fakten, sondern um den Unternehmenswert Mensch. Ich habe mich unter anderem zur „Trinität der Persönlichkeit“ (Managementtraining, Anm.) ausbilden lassen und ich habe einen zwanzigjährigen Sohn. Aus diesen Erfahrungen und Lernprozessen profitiere ich und habe neue Strukturen, wie unser digitales Onbording-System entstehen lassen. Hier geht es nicht darum, neue Mitarbeitende auszufragen, sondern um sie zu verstehen und Arbeitsstrukturen zu schaffen, die auf sie zugeschnitten sind.

„Wenn ich heute nur mit Waschen, Schneiden, Farbe an den Start gehe, bin ich sehr schnell austauschbar.“

Welche Strukturen sind überaltet?
SP:
90 % der Friseure wurden in den letzten Jahren darauf trainiert, Termine abzuarbeiten: 60 Minuten Waschen, Schneiden, Föhnen, vielleicht noch eine kleine Stylingberatung, ein Produkt verkaufen und Tschüss! Wenn ich heute nur mit Waschen, Schneiden, Farbe an den Start gehe, bin ich sehr schnell austauschbar. Vor ein paar Jahren war eine Spezialisierung auf Blond noch etwas Besonderes, mittlerweile ist jeder zweite Blondspecialist. Den Mehrwert für Kunden sehe ich in einer ganz simplen Frage: Was macht die Person, die vor mir sitzt, schöner und warum? Die Kundinnen kommen zu uns, weil sie schöne Haare haben wollen. Wenn ich diese frage: „Haben Sie Interesse zu hören, was ich für Sie das Beste finde?“, sagt niemand, Nein.

Sie haben im Salonablauf einen digitalen Eincheckprozess integriert. Lohnt sich das?
SP:
Ich nenne diesen Beratungsprozess meinen ersten Filter. Das Ausfüllen der digitalen Check-in-Card dauert für die Kundin etwa 3-5 Minuten und dient uns als erster Fokus für die Beratung. Da wünscht eine Kundin, von der man das nie gedacht hätte, beispielsweise eine Make-up-Beratung. Warum? Wahrscheinlich, weil sie es nicht kann! Also brauche mich nicht „überwinden“ in die Beratung zum Thema Make-up zu gehen, schließlich wünscht sie sich die Beratung! Die Kundin setzt eine gute Schnitt- und Farbberatung voraus - was sie nicht voraussetzt, ist das Umfassende, den ganz anderen Blick auf sie selbst. Und wenn ich aus einer geplanten 60-minütigen Waschen, Schneiden, Föhnen Dienstleistung für 80-100 Euro das Dreifache mache, lohnt sich der Einsatz.

Wie kann ich Mitarbeitende langfristig motivieren?SP: Um Mitarbeitende langfristig zu motivieren, braucht es Sinnhaftigkeit. Für junge Menschen sind Nachhaltigkeit und Ethik wichtige Themen und es ist bedeutend, für wen man arbeitet und für wen das, was ich tue, einen Sinn hat. Mitarbeitende brauchen Erfolgserlebnisse, um in die Kraft und in die Motivation zu kommen. Als Unternehmerin sehe ich die Aufgabe als sehr wichtig an, Strukturen zu schaffen, die Erfolgserlebnisse ermöglichen. Ich möchte behaupten, dass 25-30 % der unternehmerischen Tätigkeiten mittlerweile im Mitarbeiterbereich liegen.

Ihr Team hat auf der Fashionweek in Berlin und New York gearbeitet, nächstes Jahr steht Miami an. Nach welchen Kriterien wird ausgewählt, wer aus dem Team dabei sein kann?
SP:
Die Entscheidung wird nach unserem Wertesystem und nicht nach Umsatz getroffen. Mitarbeiterinnen aus meinem Team entscheiden darüber: Wer hat was fürs Team getan? Wer ist wie selbstverständlich eingesprungen? Und wer ist dem Druck gewachsen, der fachlich und mental bei solchen Jobs gefordert wird?

Wie gelingt es Ihnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über Jahre in ihrem Team zu halten?
SP:
Ich schaffe alle Voraussetzungen, dass sich meine Mitarbeitenden fragen können: Wo habe ich solch ein Teamspirit? Wo habe ich tolle Kundinnen? Wo habe ich die Möglichkeit, mich im Premiumbereich verwirklichen zu können? Wo verdiene ich das Geld? Wo habe ich die Freiheiten, meine Arbeitszeiten frei zu wählen? Wo kann ich international tätig sein? Wo kann ich von den Besten lernen?

„Um junge Menschen zu gewinnen, müssen wir ein exzellentes Ausbildungssystem schaffen.“

Was sollten wir ändern, um junge Menschen für eine Ausbildung im Friseurhandwerk zu gewinnen?
SP:
Um junge Menschen zu gewinnen und über die dreijährige Ausbildung im Beruf zu halten, müssen wir ein attraktives und fachlich exzellentes Ausbildungssystem schaffen. Die Investitionen pro Ausbildungsplatz, so schätze ich, liegen bei 50.000 Euro. Ich finde es einen sehr guten Ansatz darüber nachzudenken, eine Ausbildungsabgabe für alle Betriebe einzuführen. In Bremen wird dies nach meiner Information schon praktiziert. Ja, das System ist umstritten, da einige der Betriebe, die nicht ausbilden, es als ungerecht empfinden. Aber wer genau darüber nachdenkt, wird merken, dass auch Betriebe, die nicht ausbilden, irgendwann auf Mitarbeiter zurückgreifen müssen, die irgendwo anders gut ausgebildet wurden. Wer langfristig und globaler denkt, müsste diese Idee befürworten.

Wieviel Zeit und Geld investiert Ihr Unternehmen in die Teamentwicklung?
SP:
3-5 % des Jahresumsatzes investiere ich in Weiterbildung. Bei einer Auslastung von 80 % habe ich 20 % ungenutzte Zeit, die ich für Weiterbildung nutzen kann. Durch die Corona-Zeit habe ich keine Verlustangst mehr. Wenn ich an einem Tag den Salon für eine Schulung schließe, gehen meine Kundinnen und Kunden ja nicht gleich zu einem anderen Friseur. Selbstverständlich hole ich aus dem Tag das Bestmögliche raus, bereite alles perfekt vor, poste von der Weiterbildung auf Social Media, plane in Anschluss eventuell Trainingseinheiten fürs Team ein. Die Investition muss sich natürlich auch amortisieren.

„Ich werde 2024 mein Buch herausbringen: Mein Praxisleitfaden zum Upgraden im Salon.“  

Welches Projekt beschäftigt Sie im Moment?
SP:
Ich bin viel in der Branche unterwegs und treffe immer häufiger auf Unternehmerinnen und Unternehmer, die erschöpft und ausgebrannt sind. Überall bekommen wir gesagt, was wir alles tun sollen, aber selten wird uns erklärt, WIE! Ich werde im ersten Quartal 2024 mein Buch veröffentlichen, welches gut und schnell lesbar sein wird und erklärt, wie wir mit unserem Team die Emotionen nutzen, um erfolgreich und glücklich zu werden: „Mein Praxisleitfaden zum Upgraden im Salon“.

Vielen Dank für das ausführliche Gespräch! Das klingt spannend und ich freue mich sehr, dass wir Sie am 15. Januar auf dem Zukunftskongress der Friseure in Berlin auf der Bühne sehen werden:


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Frauen im Friseurhandwerk - DIE LISTE

Sabrina Poser ist eine der vielen, tollen Frauen in unserer Branche, die mit ihrem Know-how und ihrem Spirit das Friseurhandwerk strahlen lassen, die sich für Image, Ausbildung und Vorankommen einsetzen - ob als Unternehmerin, Ausbilderin oder Trainerin, ob als Entwicklerin, Verantwortliche in der Industrie, Obermeisterin einer Innung oder als Business-Speakerin. 

Stöbert in unserer Liste und gebt uns Tipps, wen wir noch auf diese Liste setzen können! ►Frauen im Friseurhandwerk - DIE LISTE