Christoph Filser ist stolz auf alle Friseure, die sich eingesetzt haben | C: Moritz Thaler

17.02.2021

Christoph Filser: Ich lasse meine Mitarbeiter in Kurzarbeit

Die Lockerung des Lockdowns ist erst der Anfang, Christoph Filser gibt weiter Vollgas und kämpft für 7%, weitere Hilfen und nutzt Kurzarbeit effizient zum Vorteil der Mitarbeiter.

In Kempten betreibt Christoph Filser mit seinem Geschäftspartner Christoph Höpfer in einer Straße insgesamt 5 Friseursalons, er hat über 7000 Follower auf Instagram, bei TikTok erzielt er mit einem Video 1,4 Milionen Views in wenigen Stunden.

Wie glücklich bist du, dass Friseure ab 01. März wieder arbeiten können?
Christoph Filser:
Sehr glücklich, wobei wir natürlich weiterdenken müssen. Unser Gesundheitsamt hat gerade richtig Action wegen der Mutation. Ich sehe schon die Gefahr, dass der 1.März nicht ganz sicher ist oder wir vielleicht in 6 Wochen nochmal in einen Lockdown gehen.

Noch ein Lockdown – Was dann?  
CF:  
Mein Hauptanliegen ist die Verbesserung der Situation der Friseure in einem Lockdown.

Was muss sich verändern, käme es zu einem weiteren Lockdown für Friseure in Deutschland?
CF:
Die Überbrückungshilfe muss schneller ausgezahlt werden und der Unternehmerlohn angepasst werden. Ganz wichtig jedoch ist das Kurzarbeitsgeld. Mitarbeiter müssen einen Ersatz auf Basis des Lohnes, den sie auch versteuert haben, erhalten, also einen Durchschnitt des Monatslohns plus Provisionszahlungen.

Du kämpfst für die Senkung der MwSt auf 7% für das Friseurhandwerk?
CF:
Als die Umsatzsteuer von 19% für das Handwerk beschlossen wurde, war die Situation noch eine ganz andere als heute. Alle Handwerker waren auf einem Level. Ein Tischler hat noch selbst einen Tisch gebaut, es waren wesentlich weniger Maschinen und Roboter im Einsatz. Während andere Gewerbe durch Digitalisierung und den Einsatz von Maschinen Personalkosten senken und die Produktivität steigern konnten, ist es bei den Friseuren immer noch so, dass ein Friseur an einem Kunden steht! Wir können uns keine Roboterhand wachsen lassen und sind daher von vielen im Handwerk überholt worden. Dass die Lohnkosten in der Friseurbranche steigen steht außer Frage, wir können aber steigende Lohnkosten nicht allein mit steigenden Dienstleistungspreisen auffangen.

Nachvollziehbar, hast du noch mehr Argumente?
CF:
7% sind eine Möglichkeit die Branche zu stärken, die die meisten Frauen, nämlich 15.000, ausbildet, gefolgt auf Platz 2 von der Lebensmittelbranche mit ca. 7.500 Lebensmittelfachverkäuferinnen.
Wir sind auch das Gewerbe, das am meisten Flüchtlinge ausbildet und somit viel für die Integration tut. Ich finde, wir sind als Branche ein wichtiger Bestandteil der Gesellschaft. Das sollte honoriert werden, auch daher halte ich die 7% für richtig.

„…7% MwSt gibt uns die Möglichkeit wieder Rücklagen zu bilden.“

Was hat der Staat rückwirkend falsch gemacht?
CF:
Die Voraussetzungen waren falsch. Viele Kollegen mussten die Soforthilfe aus dem ersten Lockdown zurückzahlen und dann ewig auf die Hilfen des zweiten Lockdowns warten. Unternehmerlöhne wurden nicht berücksichtigt, Fixkosten nur zu 90% abgedeckt. Das hat uns in ein finanzielles Loch gerissen, das wir eventuell mit Hilfe der 7% MwSt aus eigener Kraft noch stopfen können und das uns die Möglichkeit gibt wieder Rücklagen zu bilden.

Du hast gemeinsam mit Friseurkollegen auf die Situation der Friseure aufmerksam gemacht. ►Das Video ging viral und wurde über eine halbe Million Mal aufgerufen. Haben eure Forderungen auch die Politik erreicht?
CF:
Der Präsident der Handwerkskammer hat mir zugesagt, dass sowohl der bayrische Wirtschaftsminister, Hubert Aiwanger und der Bayerische Staatssekretär für Gesundheit Klaus Holetschek bereit sind, sich mit mir, sowie meinem Geschäftspartner Christoph Höpfer und Frank Brormann zu treffen. Was wir erreichen wollen, haben wir ►in einem Positionspapier zusammengefasst.

Wie machst du nach dem zweiten Lockdown anders?
CF:  Ich werde meine Mitarbeiter in Kurzarbeit lassen.
Einige Kollegen haben dies schon nach dem ersten Lockdown getan und haben dadurch im 2. Lockdown 80% Kurzarbeitergeld bekommen.

Wow, Vorausschauend und clever geplant. Darauf muss man erst mal kommen. 
CF:
Ja, damals habe ich das in der Euphorie und anlässlich des Kundenansturms im Mai auch nicht ganz verstanden. Aus heutiger Sicht ein Fehler. Die Regelung ist so, dass Mitarbeiter ab dem 8. Monat Kurzarbeit nicht 60% sondern 80% Kurzarbeitergeld gezahlt bekommen. Daher werde ich mich jetzt entscheiden meine Mitarbeiter ab 1. März mit 10% in Kurzarbeit zu lassen. Für die Mitarbeiter macht das im Moment netto gar nicht so viel aus, da sie trotzdem die Chance haben ihre Provisionen zu erwirtschaften.

Mit den 2 Monaten aus dem ersten Lockdown und den Wochen aus dem zweiten Lockdown haben sich jetzt schon fast 5 Monate angesammelt. Ich kann mir so ab Mai eine bessere Voraussetzung schaffen, sollten wir die Kurzarbeit noch weiterhin in Anspruch nehmen müssen.

Was hat dich in den letzten Tagen gefreut?
CF:
Ich hatte nach der Pressekonferenz das Gefühl, die Politik hat gecheckt, wie wichtig wir Friseure sind.

Was hat dich in den letzten Tagen enttäuscht?
CF:
Maßlos enttäuscht bin ich vom Zentralverband der deutschen Friseure. Was da passiert ist, ist für mich witzlos. Zum Glück haben wir Friseure uns selbst gut organisiert. Diese ganzen Symbolaktionen, ich schick eine kaputte Schere nach Berlin oder ich lass das Licht an bringen doch nichts. Wir haben Briefe an die Politiker geschrieben, Social Media Aktionen gestartet und Druck auf die Medien gemacht. Ich bin so stolz auf alle Friseure, die Vollgas gegeben haben.

Was hättest du vom Zentralverband des deutschen Friseurhandwerks erwartet?
CF:
Mehr Präsenz und nicht nur zu Fußballerfrisuren. Die Gastronomie hat Vertreter, die so krass gekämpft haben, dass sie 75% vom Umsatzausfall erstattet bekommen haben. Was bei einem Umsatz von 100 000 € im Monat bedeutet 75 000 € staatliche Hilfe! Unberücksichtigt davon, dass dir dein Vermieter eventuell mit der Miete entgegenkommt, wieviel Mitarbeiter in Kurzarbeit sind, oder dass die Gastronomie viele 450€ Kräfte beschäftigt, die eh gleich raus waren. Nicht angerechnet wurde das „To Go- Geschäft“ was zusätzlich möglich war. Alles in allem fast eine Überkompensation. Ich habe nicht wahrgenommen, dass Vertreter des Zentralverbandes in Talkshows waren und für uns gekämpft haben.

Die Euphorie über die Öffnung der Friseure ist groß, wird aber nicht von allen geteilt. Wie kommt das bei Dir an?
CF:
Letzte Woche habe ich ein Video gepostet, das eine Kundin zeigt, die meine Salon Tür mit 2 Flaschen Sekt in der Hand auftritt. Es hatte eine halbe Million Klicks und enorm viele Kommentare. Unter anderem von Kosmetikerinnen, die sich beschweren, dass sie nicht aufmachen dürfen oder Boutique Betreiber.

„Entschuldigen, für das was wir erreicht haben, müssen wir uns sicher nicht.“

Sollen Friseure sich jetzt entschuldigen oder für andere Branchen kämpfen?
CF: 
Hast du schon mal erlebt, dass die Automobilbranche für eine andere Branche kämpft? Jeder muss selbst schauen, dass er sich organisiert bekommt. Kosmetiker zum Beispiel sind nicht wie wir ein Vollhandwerk und werden daher nicht durch Handwerkskammer und Innungen vertreten. Sparen sich dadurch Beiträge und längere Ausbildungszeiten. Jeder muss für sich erkennen was in Zukunft wichtig ist. Entschuldigen, für das was wir erreicht haben, müssen wir uns sicher nicht.

Was ist dir in nächster Zeit wichtig?
CF:
Wir Friseure haben in den letzten Wochen Vollgas gegeben und dadurch Druck auf die Medien gemacht. Wir haben viel erreicht und sind bei den Ersten mit am Start. Das ist ein toller Erfolg, auf dem wir uns aber nicht ausruhen dürfen. Ich finde jedoch wir müssen weiter Vollgas geben, um bessere Bedingungen für unser Handwerk zu schaffen. Ich möchte, dass alle von uns im Video geforderten Punkte erfüllt werden.

Vielen Dank für das tolle Gespräch bleib dran. Viel Erfolg!