Credit: Frank Bayh & Steff Rosenberger-Ochs Photographie BFF Professionals

05.10.2023

Ahmet Bilir: Die Mittelschicht-Kunden werden wegbrechen

Der One Shot Gewinner aus Stuttgart verkleinerte seine Salon-Struktur radikal und setzt nun im „Privé“ auf Wohnzimmer-Atmosphäre. Warum er im Moment nicht ausbildet und eine klare preisliche Positionierung für Salons unausweichlich ist …

Im Interview mit Juliane Krammer

Du hast die ONE SHOT AWARDS in der Kategorie Texture Shots gewonnen. Hat sich seit dieser internationalen Auszeichnung etwas geändert?
Ahmet Bilir:
Es war für mich die erste internationale Award-Teilnahme. Die Auszeichnung German Hairdresser of the Year habe ich 2005 und 2006 erhalten, aber ein internationaler Award fühlt sich nach einer anderen Liga an. Ich bekomme nun viele Medienanfragen, wurde zu einer Talksendung eingeladen und abseits davon kommen nun deutlich mehr Neukunden-Anfragen rein.

Was treibt dich an, für Awards Arbeiten einzureichen?
AB:
In erster Linie mache ich mit, weil ich Spaß an der Arbeit habe, meinen Stil und mein Können mit anderen vergleichen möchte. Auf diese Weise will ich herausfinden, ob andere Menschen das fühlen und verstehen, was ich transportieren will. Ehrlich gestanden, wollte ich auch einmal das ganze Spektakel eines Awards außerhalb der Heimat hautnah miterleben und sehen, wie eine Veranstaltung in dieser Größenordnung mit all den Shows organisiert wird.

Themenwechsel Downgrading vs. Upgrading: Wo siehst du Vorteile bzw. Nachteile als Unternehmer?
AB:
18 Jahre lang führte ich einen größeren Salon mit 15 Bedienplätzen. Vor 7 Jahren habe ich mich bewusst von diesem Salonkonzept getrennt. Ich wollte einen kleinen, individuellen Salon mit privater Atmosphäre schaffen, einen Ort, wo die Zeit während der Behandlung stillsteht. Das war auch meine Intention beim Verkleinern: Ich wollte Tempo rausnehmen und mich voll und ganz auf meine Kunden einlassen.

Bringt ein Salon-Downgrading wirklich mehr Ruhe in deinen Stylisten-Alltag?
AB:
Mein Salon fühlt sich wie ein Wohnzimmer an. Das verschafft auch mir ein anderes Arbeiten. Die Kunden sind meine Gäste, jede Person wird auch in einem separaten Zimmer behandelt. Es fühlt sich weniger nach Friseur-Salon, sondern nach Zuhause an.

Die One Shot Award Gewinner-Billder von Ahmet Bilir | Credit: Frank Bayh & Steff Rosenberger-Ochs Photographie BFF Professionals

Was bedeutet für dich der Zusatz „Prive“? Gibt es nun einen Unterschied zu konventionellen Salons?
AB:
Den Ausdruck Prive wählte ich bewusst, da ich beruflich oft in Paris unterwegs war und so ein Stück Frankreich in meinem Salon integrieren wollte.

Wie groß ist dein Team?
AB:
Neben mir gibt es noch eine weitere Stylistin. Eine Rezeptionistin kümmert sich um alles Organisatorische sowie um den Empfang. Sie hilft beim Kimono anziehen, serviert Getränke, beantwortet Mails, kassiert und nimmt mir die Warenbestellung ab. Sie ist zwar nicht produktiv am Kunden, sorgt aber für ein Wohlbefinden. Das macht viel aus.  

"Wissen ist wie das olympische Feuer, das weitergegeben muss, damit es nicht erlischt."

Hast du dich beim Verkleinern bewusst gegen Auszubildende entschieden?
AB:
Ganz und gar nicht. Wir haben einen weiteren Raum und somit Kapazität für insgesamt 3 Friseure. Ich habe viel zu geben und ich möchte gerne mein Wissen an andere vermitteln. Ich sehe das, wie das olympische Feuer, das weitergegeben muss, damit es nicht erlischt. Es ist schön zu sehen, wie man ein Fundament als Rüstzeug mitgibt und verfolgt, was daraus gemacht wird. Ich freue mich so sehr für meine ehemaligen Azubis, die sich irre gut weiterentwickelt haben.

"Gute Dienstleistung wird in naher Zukunft immer kostbarer. Das ist auch der Grund, warum man vor angemessenen Preisen nicht zurückschrecken darf."

Warum bildest du aktuell nicht aus?
AB:
Ich habe nicht die passende Person gefunden. Wenn ich ausbilde, habe ich eine Verantwortung, das muss aber von der anderen Seite auch passen. Das fehlte leider in den letzten Jahren. Ich setze auf bestimmte Umgangsformen und Verhaltensweisen. Wir haben im Salon Ansprüche, die müssen gelebt werden. Hier meine ich nicht den Schulabschluss, der ist immer zweitrangig für mich. Man kann alles lernen, wenn der Wille da ist. Manchmal ist man in der Schule auf einer anderen Welle als es in der Praxis der Fall ist.

"Die Mittelschicht-Kunden werden wegbrechen und du musst entscheiden, willst du billig sein und Masse abfertigen oder dich im oberen Preissegment positionieren."

Wo siehst du die Zukunft des Friseurhandwerks?
AB:
Wir Friseure dürfen keine Angst haben, wir brauchen uns nichts verstecken, denn gute Dienstleistung wird in naher Zukunft immer kostbarer. Das ist auch der Grund, warum man vor angemessenen Preisen nicht zurückschrecken darf. Meine Meinung als Mensch und Friseur: Die Mittelschicht-Kunden werden wegbrechen und du musst entscheiden, bist du billig und willst Masse abfertigen oder dich im oberen Preissegment positionieren. Da gehe ich doch lieber mit dem Preis nach oben, da ich einen Anspruch an meine Leistung habe.

Apropos Preis: Du bietest Styling-Packages an. Was war dein Gedanke dahinter?
AB:
Wenn du im Spa bist, stehen auch immer wieder Pakete zur Verfügung. Ich biete „Queen for a Day“ mit 60 Minuten Auszeit an. Das beinhaltet Waschen, ein Treatment, Handpeeling, Föhnen und Styling, prickelnder Prosecco inklusive. Diesen Beauty-Wellness-Kurzurlaub gibt es um 100 Euro zu buchen.  

Wann ergibt sich die Zeit für dich, um voll und ganz in kreative Prozesse für Awards einzutauchen?
AB:
Ich habe einen Friseur-Freund in New York, Mustafa Yanaz. Er ist auch Fashion-Stylist und arbeitet für große Kampagnen: Gucci, Chanel, für Vogue Italia oder mit Bella Hadid - eine Liga, die seinesgleichen sucht. Ab und an nehme ich mir eine Auszeit, um in seiner Werkstatt zu üben, testen, mich inspirieren zu lassen. Ich gebe mich meinem inneren Kompass ganz hin und dann entstehen meine Kollektionen.

Was ist als nächstes geplant?
AB:
Ich spiele mit dem Gedanken beim nächsten Oneshot Award bei anderen Rubriken mitzumachen. Diese Social Media Awards sind eine tolle Möglichkeit, unkompliziert einzureichen. Es erleichtert ungemein, neben der Arbeit, einfach via Instagram Bilder hochzuladen und auf diese Weise einzureichen.

Dann bleiben wir gespannt, wie es in Zukunft mit Ahmet Bilir weitergeht. Alles Gute für die Zukunft und vielen Dank für das offene Gespräch.