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25.08.2023

Welches Gehalt gilt denn nun und für wen? Tarifvertrag oder Gesetzlicher Mindestlohn?

Für viel Verwirrung sorgen die unterschiedlichen Angaben in erhobenen Statistiken zu Friseurgehältern. Dabei gilt es vor allem zu unterscheiden zwischen allgemeinverbindlichen Tarifverträgen und nicht allgemeinverbindlichen Tarifverträgen sowie der gesetzlichen Mindestausbildungsvergütung/ dem gesetzlichen Mindestlohn.

Das Friseurhandwerk ist bezüglich seines Vergütungssystems in Deutschland ein reiner Flickenteppich. Aktuell gibt es 13 Tarifgebiete, jeweils vertreten durch einen Landesinnungsverband, der die sogenannte Tarifhoheit innehält, also z.B. die regionalen Tariflöhne verhandeln darf. Dabei sind die Tarifgebiete nicht unbedingt ident mit den jeweiligen Bundesländern. Ebenso gibt es Regionen ohne einen entsprechenden Landesinnungsverband mit Tarifhoheit.

Viele Statistiken orientieren sich in der Regel nicht an real gezahlten Löhnen, sondern in der Regel an den bereitgestellten Daten der einzelnen Tarifgebietsvertretungen.

Woran muss sich Friseurarbeitgeber*in halten?

Tarifvertrag ohne Allgemeingültigkeit

In einem Bundesland wie Thüringen hat ein Tarifvertrag aus 2019 Gültigkeit, obwohl er unter der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestvergütung liegt. Das dies überhaupt möglich ist, erklärt das BIBB nachfolgend.
Allerdings haben nur Verbandsmitglieder in Thüringen die Möglichkeit, ihren Azubis diese niedrigere Vergütung zu zahlen. Alle Nicht-Verbandsmitglieder müssen sich an den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn halten.

Liegt die Tarifvertragsvorgabe über dem gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn, dann müssen alle Verbandsmitglieder im entsprechenden Tarifgebiet sich an die Vorgabe im Tarifvertrag halten.

Siehe auch ►Interview mit Holger Stein, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Friseurhandwerks!

Allgemeinverbindlicher Tarifvertrag

Schafft es ein Tarifvertrag, als allgemeinverbindlich anerkannt zu werden, so gilt dieser für alle Arbeitgeber*innen in diesem Tarifgebiet. Liegt dieser über dem gesetzlich vorgeschriebenen Mindestentgelt, so müssen sich die Arbeitgeberinnen an den höheren Tariflohn halten.

Siehe auch ►Tarifgebiet Rheinland setzt allgemeinverbindlich 13 € Mindestlohn durch. 

Friseur Tarifstatus Ausbildung Stand Juni 2023

Für größere Darstellung bitte Bild anklicken

Mindestausbildungsvergütung 2023

1.Lehrjahr  620,00

2.Lehrjahr  731,60

3.Lehrjahr  837,00

4.Lehrjahr  868,00

Wie die Mindestausbildungsvergütung in den Folgejahren aussieht, gibt das Bundesministerium für Bildung und Forschung im November 2024 bekannt.

Gesetzlich vorgeschriebener Mindestlohn

Seit 1.10.2022 liegt der gesetzliche Mindestlohn bei 12,00 Euro/ Stunde.

Zum 1. Januar 2024 soll der gesetzliche Mindestlohn auf 12,41 Euro angehoben werden soll. Diese Entscheidung ist eine Empfehlung der Mindestlohnkommission und liegt der Bundesregierung vor.

Siehe auch ►Anhebung Mindestlohn

Stellungnahme BIBB – Bundesinstitut für Berufsbildung

Wie kann es sein, dass Gehaltsvorgaben in Tarifverträgen unter den gesetzlichen Mindestvorgaben liegen?

Tarifvertraglich vereinbarte Vergütungen sind von der gesetzlich festgelegten Mindestausbildungsvergütung ausgenommen (vgl. § 17, Absatz 3 BBiG). Angemessen ist auch eine für den Ausbildenden nach § 3 Absatz 1 des Tarifvertragsgesetzes geltende tarifvertragliche Vergütungsregelung, durch die die in Absatz 2 genannte jeweilige Mindestvergütung unterschritten wird. Nach Ablauf eines Tarifvertrages nach Satz 1 gilt dessen Vergütungsregelung für bereits begründete Ausbildungsverhältnisse weiterhin als angemessen, bis sie durch einen neuen oder ablösenden Tarifvertrag ersetzt wird.

Im BIBB erhalten wir für die Auswertungen zu den tariflichen Ausbildungsvergütungen vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) jeweils zum Stichtag 1. Oktober aus dem dort geführten Tarifregister die aktuellen Ausbildungsvergütungssätze aus rund 500 Tarifbereichen in Deutschland.

Für das Friseurhandwerk lagen uns im zum Stichtag 1.10.2022 einige tarifliche Vereinbarungen vor, die zum Teil bereits vor Einführung der Mindestausbildungsvergütung abgeschlossen wurden (dies betrifft v. a. die Tarifvereinbarungen in Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Bayern und Baden-Württemberg aus dem Jahr 2019) und bisher noch nicht durch einen neuen Tarifvertrag ersetzt wurden.

Die dort vereinbarten Ausbildungsvergütungen sind daher für tarifgebundene Betriebe lt. BBiG weiterhin anwendbar. Sie unterschreiten die derzeit geltende Mindestausbildungsvergütungen zum Teil deutlich, insbesondere in Ostdeutschland. In anderen Tarifgebieten wurden zwar z. B. 2020/2021 neue Tarifverträge abgeschlossen. Allerdings liegen auch die dort vereinbarten tariflichen Vergütungen teilweise unter den für 2022 vorgesehenen Mindestausbildungsvergütungen (vgl. hierzu auch den entsprechenden Abschnitt zum Friseurhandwerk im Beitrag zu den tariflichen Ausbildungsvergütungen auf S. 10 im PDF, downloadbar.

In der Berufsbildungsstatistik der statistischen Ämter des Bundes und der Länder, die auch Angaben zu den bei Abschluss des Berufsausbildungsvertrags vereinbarte monatliche Bruttovergütung für jedes Ausbildungsjahr enthält, zeigt sich, dass einige Auszubildende tatsächlich die tariflich vereinbarten Sätze erhalten, die unterhalb der Mindestausbildungsvergütung liegen. Dies ist aber nur für tarifgebundene Betriebe möglich. Alle anderen Betriebe müssen sich an die gesetzlich festgelegten Mindestausbildungsvergütungen halten und mindestens die entsprechenden Vergütungen zahlen, die im Gesetz für den Zeitraum zu Beginn der Ausbildung festgelegt wurden.

Die zuletzt veröffentlichte Statistik Tarifliche Ausbildungsvergütung im Handwerk allgemein bezieht sich auf was und sind die Zahlen denn real?

Grafik: imSalon

In den BIBB-Auswertungen zu den tariflichen Ausbildungsvergütungen werden nur Aussagen über die tariflichen Durchschnittsvergütungen getroffen. Die tatsächlich gezahlten Ausbildungsvergütungen können im individuellen Fall erheblich vom tariflichen Durchschnittswert des betreffenden Berufs abweichen.

Fazit

Das Friseurhandwerk leidet stark unter konstant gefütterter medialer Aufmerksamkeit als „Niedriglöhner“ der Nation. Dies ist freilich nicht gänzlich falsch. Dennoch verzerren einige Tarifgebiete das Gesamtbild maßgeblich.

Der Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks fordert daher seit Jahren Tarifhoheit auf Bundesebene, um hier für alle Friseurbetriebe Deutschlands eine faire und nachhaltig imagebildende Wende zu schaffen.

Abschließend sei festzuhalten, dass nach oben hin alle Möglichkeiten offenstehen, denn mehr zahlen geht immer.