14.12.2023
Zeitenwende beim Zentralverband?
Barber, Schwarzarbeit, Fachkräftemangel, Steuervermeidung, Nachwuchsmangel…! Nicht wenige Begriffe, die im Friseurhandwerk aktuell hochkochen. Bei diesen Diskussionen werden gleichzeitig immer auch Innungen und Verbände genannt und für unnütz befunden. Rene Krombholz will es wissen und sucht den Diskurs mit Manuela Härtelt-Dören.
Der faire Salon Gründer Rene Krombholz im Gespräch mit Manuela Härtelt-Dören, Präsidentin des Zentralverbandes des Deutschen Friseurhandwerks.
Freudig überrascht war Rene Krombholz, als er die StyleCOM in Erfurt besuchte. Der Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks und der Landesinnungsverband Thüringen/Sachsen-Anhalt hatte zur Podiumsdiskussion mit VertreterInnen aus Handwerk und Politik eingeladen.
Alle Problemstellungen wurden in aller Schärfe angesprochen und diskutiert. Manuela Härtelt-Dören überzeugte, diese Themen vehement angehen zu wollen. Genau aus diesem Grund bat Rene Krombholz die ZV-Präsidentin zum Austausch.
Rene Krombholz: Als ich vor einigen Jahren beim Deutschen Bundestag eine Petition wegen der Kleinstunternehmerregelung einbrachte, wurde diese abgelehnt. Begründung: die von mir beanstandete Wettbewerbsverzerrung sei nicht erkennbar. Heute spricht selbst der ZV von einer solchen.
Diese Kleinstunternehmerregelung verhindert nicht nur eine marktgerechte Preisentwicklung, sondern auch eine positive Entwicklung, weil weder Aus- und Weiterbildung noch die Sicherung eines Qualitätsstandards möglich sind.
Wie sieht der ZV diese Situation, welche Möglichkeiten hat der ZV ins Auge gefasst?
"Auch deshalb fordern wir seit Jahren die Entlastung der Friseure durch eine Mehrwertsteuersenkung."
Manuela Härtelt Dören: Der Zentralverband sieht die Besteuerung der Kleinunternehmer gemäß § 19 UStG im Kern sehr kritisch und thematisiert die Wettbewerbsverzerrung bereits seit der Einführung. Bei Vorhaben, die Freigrenze anzuheben, hat der ZV sich 2003 und 2019 ganz offiziell gegen überbordende Erhöhungen ausgesprochen. Leider wurden unserem Vorbringen bezüglich der letzten Änderungsnovelle nicht vollumfänglich Rechnung getragen. Gemeinsam mit anderen Interessensverbänden, unter anderem dem ZDH und dem DGB, konnte jedoch verhindert werden, dass die Grenze des vorangegangenen Kalenderjahres auf 50.000 Euro angehoben wurde. Es gilt, den im internationalen Vergleich eher niedrigen Schwellenumsatz in Brüssel zu verteidigen. Wann immer diese Thematik auf politischer Ebene aufkommt, sind wir da, um uns zu positionieren! Auch deshalb fordern wir seit Jahren die Entlastung der Friseure durch eine Mehrwertsteuersenkung. Dies würde die Wirkung der Wettbewerbsverzerrung abmildern.
Krombholz: Die Kleinstunternehmerregelung muss durch EU-Recht mit den anderen Mitgliedstaaten abgeglichen werden. Einen Wegfall wird es nicht geben. Deutschland wird seit Jahren aufgefordert, den zur Steuerbefreiung benannten Schwellenumsatz, zu erhöhen. Dieser ist in den Nachbarländern deutlich höher. Durch den Einsatz der Verbände konnte dieser (vorerst) mit 22.000 € Jahresumsatz relativ niedrig gehalten werden. Trotzdem ist diese Regelung ein Problem, weil sie im Friseurhandwerk missbraucht wird.
Warum wird keine zeitliche begrenzte Regelung eingeführt, die auf die Startphase eines Unternehmens positiven Einfluss nimmt? Dafür war diese Regelung auch gedacht.
Härtelt Dören: Sowohl der Ansatz einer zeitlichen Begrenzung für Unternehmen als auch Optionen, wie man eine Gleichbehandlung von allen Unternehmern erreichen kann, wird derzeit intern beim Zentralverband diskutiert und geprüft.
Krombholz: Qualität ist ein weiter Begriff – Die Ansprüche bei den Kunden sind ebenfalls unterschiedlich. Hochpreisige Salons mit hoher Qualität haben ebenso Zulauf wie die Barbershops zum kleinen Preis. Der große Verlierer ist der Friseur im mittleren Preissegment.
Haben wir hier ein Qualitäts- oder ein Preisproblem? Liegt es an mangelnder Qualität der Salons oder an mangelnder Preisakzeptanz beim Kunden?
Härtelt Dören: Sicherlich ist Preisakzeptanz ein Teil des Problems. Den Kundinnen und Kunden sind die Probleme, mit denen die Branche zu kämpfen hat, nicht bekannt. Ich für meinen Teil nehme bei der Arbeit in meinem Salon auch wahr, dass das Geld bei den Kundinnen und Kunden nicht mehr so locker sitzt. Sie bleiben uns zwar treu, aber ihre Besuchshäufigkeit nimmt ab. Ganz klar ist aber, dass die Qualität der Dienstleistungen zu jeder Zeit bestehen bleiben muss.
Krombholz: In der Zeit des Fachkräftemangels steigen die Zahlen der arbeitslos gemeldeten Friseure und Friseurinnen deutlich. Die viel zitierten niedrigen Löhne im Friseurhandwerk mögen ein Thema sein. Vor den Löhnen muss aber eine entsprechende Leistung stehen. Den Unternehmen steht bekanntlich kaum noch Spielraum zur Verfügung.
Was muss passieren, dass entsprechende Umsätze möglich werden, um ein besseres Lohnniveau zu ermöglichen?
Härtelt Dören: Bei allen Schwierigkeiten, die Unternehmen aktuell entgegenschlagen, müssen Inhaberinnen und Inhaber eine sinnvolle Preiskalkulation vornehmen. Für 2023 erwarten wir einen Branchen-Umsatz, der über dem Niveau von vor Corona liegt. Ob diese Entwicklung, die inflationsbedingte Kostensteigerung in den Unternehmen oder auch die gestiegenen Lohn- und Lohnnebenkosten ausgleichen wird, werden wir erst im Verlauf des Jahres 2024 bewerten können. Um Unternehmen wirtschaftlich effizient zu führen und in Folge faire Löhne, gute Qualität und Ausbildung garantieren zu können, müssen Saloninhaberinnen und Saloninhaber ihre Preise regelmäßig neu kalkulieren und überprüfen.
Krombholz: Das Bürgergeld ist ja verlockend, weil sich daraus Freizeit ergibt, die auch für den „Homeservice“ (Nebeneinkunft Schwarzarbeit) genutzt werden kann. Diese hat in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen, das wird sich in Zeiten knapper Kassen beschleunigen.
Kann man diese Entwicklung überhaupt stoppen? Wie denkt der ZV darüber?
Härtelt Dören: Das Bürgergeld ist ja letztlich der Nachfolger von „Hartz IV“. In der Systematik hat sich nichts verändert. Wer vor Inkrafttreten die Freizeit hatte und „Homeservice“ genutzt hat, wird das natürlich auch jetzt tun können. Wir gehen derzeit nicht davon aus, dass hier diesbezüglich die Zahlen explodieren werden. Der ZV teilt aber Ihre grundsätzlichen Bedenken hinsichtlich der Bekämpfung der Schwarzarbeit. Wir bleiben auch hier an Politik und Verwaltung dran. Über das gemeinsame Bündnis mit dem Finanzministerium, den Finanzbehörden und ver.di stehen wir im regelmäßigen Austausch und haben auch die Zahlen im Blick.
Krombholz: Laut Wella waren die Barber im Jahr 2022 mit +19 % das am stärksten gewachsene Marktsegment. (der herkömmliche Markt 3%).
Der Unmut hierüber ist groß. Innungen und Handwerkskammern werden der Untätigkeit beschuldigt. Fakt ist auch, dass die vielen Zulassungen mittels Ausnahmeregelungen, die nur Teilbereiche des Friseurhandwerks erlauben, überschritten werden, ohne dass Kontrollen oder strafrechtliche Konsequenzen erfolgen.
Wie will der ZV hier reagieren? Kann er diesem Wachstum Einhalt gebieten?
"Barber-Shops sind nicht per se „schlecht“. Es ist wichtig, genau hinzuschauen und eine passende Differenzierung vorzunehmen."
Härtelt Dören: Grundsätzlich müssen wir an der Stelle das Bild der Barber-Shops etwas zurechtrücken. Barber-Shops sind nicht per se „schlecht“. Es ist wichtig, genau hinzuschauen und eine passende Differenzierung vorzunehmen. Als Branche dürfen wir keinesfalls den Fehler begehen, klischeehaft bestimmte Gruppen in Generalverdacht zu nehmen.
Wir sehen, dass die Ausnahmeregelung nicht einheitlich und konsequent gehandhabt wird. Im Austausch mit den Handwerkskammern forcieren wir Sensibilisierung und strengere Regelungen bei der Vergabe von Ausnahmegenehmigungen. Auch und insbesondere im Zusammenhang mit z.B. Barbiertätigkeiten. Der Zentralverband, die Landesinnungsverbände und Innungen haben keine Kontroll- und Aufsichtsfunktionen inne. Wir setzen auf die kooperative Haltung der befugten Instanzen. Unseren Standpunkt vertreten wir auf ZDH-Ebene gegenüber Vertretern der Handwerkskammern, mit dem Ziel, das Bewusstsein für die Problematik zu schärfen.
Krombholz: Letztlich stellt sich auch die Frage nach dem Zusammenhalt unserer Branche!
Nur zusammen können wir etwas bewirken und notwendige Veränderungen angehen.
Durch zahllose Austritte wurden den Innungen und damit auch den Verbänden Mittel und damit die Handlungsfähigkeit entzogen. Es ist ein Teufelskreis: weniger Handlungsfähigkeit > mehr Kritik von der Basis > steigende Austritte > noch weniger Handlungsfähigkeit!
Wie können wir das durchbrechen oder die Branche wieder zusammenführen?
Härtelt Dören:Indem wir uns für Veränderungen und Neues öffnen. Friseurinnen und Friseure sollen wieder wissen, warum sie organisiert sind und stolz auf ihren Beruf sein. Meiner Meinung muss sich besonders in den Themen Berufsbildung, Mitgliedergewinnung, Stärkung der Basis, Nachhaltigkeit und neue Kommunikationswege etwas tun. Diese Bereiche sind elementar, weswegen wir sie dringend weiter voranbringen müssen.
Außerdem muss das Einheitsgefühl in der Branche gestärkt werden. Denn: Nur gemeinsam sind wir stark. Dazu müssen wir aber alle an einem Strang ziehen, im Zentralverband sowie auch im gesamten Friseurhandwerk. Aus diesem Grund lade ich weiter alle dazu ein, ihre Visionen und Ideen für das zukünftige Friseurhandwerk mit uns zu teilen.
Frau Härtelt-Dören, Herr Krombholz herzlichen Dank für Ihren interessanten Austausch und weiterhin viel Erfolg bei der Umsetzung Ihrer Pläne und Arbeit für das Friseurhandwerk.
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