Guido Wirtz

18.08.2023

Guido Wirtz: Die heutigen Friseure werden mich verfluchen, Zukünftige mir danken

Der Landesverband Friseur&Kosmetik, vertreten durch Landesinnungsmeister Guido Wirtz, hat mit der ver.di einen neuen Lohn- und Gehaltsvertrag im Rheinland abgeschlossen, der mit 1. Oktober 2022 in Kraft trat. Nun gibt es Neuigkeiten: 13 Euro Mindestlohn ab 1. September 2023 für Friseure im Rheinland allgemeinverbindlich.

Anmerkung der Redaktion: Das Interview mit Guido Wirtz wurde im September 2022, nach Abschluss des neuen Tarifvertrags für Friseure in Rheinland, geführt. Nun gibt es, fast ein Jahr später, für die Friseure im Rheinland Neuigkeiten:13 Euro Mindestlohn ab September für Friseure im Rheinland allgemeinverbindlich

Im Rheinland wurden vier Lohngruppen von jeweils 13,00 Euro bis 17,50 Euro beschlossen. Der neue Lohn- und Gehaltsvertrag kommt zum 1. Oktober 2022, ist unabhängig vom Zentralverband und soll ein wichtiges Zeichen zur Wertigkeit der Branche setzen.

Guido Wirtz im Gespräch mit Raphaela Kirschnick

Herr Wirtz, man sieht aktuell auf ihrer Facebookseite/ Instagram einen Aufkleber „Ich zahle faire Löhne“. Was hat es damit auf sich?
Guido Wirtz:
Die Kampagne ist für uns der Knaller. Wir investieren hier als kleiner Verband sehr viel. Aber Kern der Aktion ist unser neuer Lohn- und Gehaltsvertrag für das Rheinland, der Maßstäbe setzen wird.

Am 1.10. tritt bundesweit ein neuer Mindestlohn in Kraft, was macht das Rheinland anders?
GW:
Es wird alles teurer, wir kriegen keine Mitarbeiter mehr, die Ausbildung ist auch im Rheinland am Boden. Das hat uns veranlasst mit der ver.di zu sprechen, um einen ganz neuen Tarifvertrag zu machen. Der Mindestlohn wird nun ja schon länger diskutiert, aber uns als Verband war klar, wir müssen da viel höher sein. Diesen höheren Tarifvertrag haben wir als Landesverband unterzeichnet, damit gehören wir zu einem der ersten Verbände, die überhaupt mit ver.di jetzt neu einen Tarifvertrag ausgehandelt haben.

Welche Gehaltsstufen wird es denn geben?
GW: 
Wir starten bei 13 Euro Einstiegslohn für ausgelernte Friseure, 14,50 nach 2 Jahren Berufszeit und nach 4 Jahren im Friseurberuf steigert sich das Gehalt auf 16,00 €, und Meister, die Meistertätigkeiten verrichten 17,50 Euro. Das sind Steigerungen bis zu 40 %. Die heutigen Friseure werden mich verfluchen, die zukünftigen Friseure werden mir danken.

Das ist eine Ansage, wie gehen Friseurunternehmer und Arbeitgeber damit um?
GW:
Wir wissen, das ist ein großer Schritt. Es ist jetzt unsere Aufgabe, unsere Unternehmer dafür zu wappnen, damit umzugehen. Arbeitnehmer müssen wissen, was auf sie zukommt. Aber auch Kunden, deshalb starten wir die Kampagne „Ich zahle faire Löhne“.

Wie bereitet man seine Unternehmer auf die Preissteigerungen vor?
GW:
Wir sind da ganz direkt: Liebe Unternehmer, ihr habt ab Oktober andere Löhne zu zahlen und deshalb müsst ihr jetzt andere Preise kalkulieren. Dazu gehören begleitend Gespräche mit Mitarbeitern und im nächsten Schritt mit euren Kunden. Wir haben da ganz viele Inhalte reingepackt. Seit 5 Wochen informieren wir unsere Unternehmer und Mitarbeiter, machen sie Schritt für Schritt stark.

Wie sieht das konkret aus?
GW:  
Dafür gibt es viele Werbemittel und eine eigene Webseite mit vielen Informationen: ► www.ich-zahle-faire-löhne.de. Die wichtigsten Instrumente sind aber direkte Onlineschulungen und Kalkulationsseminare mit teilweise bis zu 60 Teilnehmern.  Wir haben ein Kalkulations-Tool entwickelt, mit dem Kollegen individuell arbeiten können. Wir möchten unsere Unternehmer so bestärken, ihre Preise nach oben anzupassen. Diese betriebswirtschaftliche Hilfe ist wichtig.

Gibt es denn Durchschnittspreis-Richtwerte?
GW:
Aufgrund kartellrechtlichen Verordnungen möchte ich hierzu keine Angaben machen.

Glauben Sie nicht, dass es einen Aufschrei geben wird? Bei 12 € sind die Foren ja schon explodiert.
GW:
Viele Arbeitgeber jammern doch längst. In ein paar Jahren werden sie froh sein, überhaupt noch einem Mitarbeiter das Geld zahlen zu können.

„Ohne entsprechende Anpassungen wird es Kollegen geben, die das nicht überleben, das ist bitter, aber wir haben doch keine andere Wahl.“

Ab wann tritt der rheinländische Lohn- und Gehaltstarif in Kraft?
GW:
Zum 1.10.2022. 

Was sagen Sie denen?
GW:
Wir sind das doch Wert. Ich möchte dem Kunden stolz sagen können, meine Leistung ist das wert und wenn er meine Leistung nicht ordentlich und fair zahlen möchte, dann muss er woanders hingehen. Wer meint, ein guter Haarschnitt wäre zu teuer, der hat noch keinen schlechten Haarschnitt erlebt. 

Wie sieht es eigentlich im Rheinland mit den Barbershops und Zollkontrollen aus?
GW:
Wir haben mit den Zollbehörden einen sehr gutes Naheverhältnis und haben immer wieder Schwerpunktkontrollen. Wir fordern das weiterhin massiv. Wir fordern auch von den Handwerkskammern eine stringente Einhaltung der Handwerksordnung mit entsprechenden Kontrollen.

"Mein Motto ist: Was nur irgendwie geht, wird nach oben gepusht"

Wie sieht es mit den Auszubildenden aus?
GW:
Das Azubi-Einstiegsgehalt liegt im Rheinland bei 625 Euro und steigt 2023 auf 660. Im dritten Lehrjahr erhalten Azubis 830 Euro. Mein Motto ist, was nur irgendwie geht, wird nach oben gepusht. Das fordere ich seit Jahren, auch von anderen Landesverbänden und vom Zentralverband.

Unterstützt der Zentralverband ihre Aktion?
GW:
Das Rheinland ist aus dem Zentralverband ausgestiegen. Wir haben gefordert, vieles gesagt und wurden als kleiner Verband immer wieder belächelt. In Folge haben wir gekündigt.

Sollten wir hinsichtlich der großen Herausforderungen nicht alle an einem Strang ziehen?
GW:
Es ist in den letzten Jahren überhaupt nichts passiert, um die großen Probleme, mit denen wir konfrontiert sind, zu lösen. Also ist es nur konsequent, wenn dieser sich nicht verändert, dann verändern wir uns.

"Selbstverständlich ist unsere Aktion offen für andere Verbände"

Kurze Zwischenfrage Rheinland-Pfalz sind 2 Verbände?
GW:
Ja, es gibt das Rheinland und die Pfalz. Der Pfälzer Landesverband macht bei unserer Aktion nicht mit. Aber wir verfolgen unser Berufsbild und glauben an die Wertigkeit des Berufes.

Haben Sie denn mit Kollegen anderer Landesverbände hierüber gesprochen?
GW:
Einige Friseurinnungen haben bereits nachgefragt, weil sie etwas auf Facebook gesehen haben. Aber wir werden Gespräche führen, wenn die Aktion publik ist. Ich freu mich über jeden, der sich anhängt.

Was macht die Innung Rheinland anders?
GW:
Wir haben uns hier auch 2 Tage die Köpfe heiß diskutiert, aber das Gute ist, wir mögen uns alle und finden am Ende auch nach einer schwierigen Diskussion einen Konsens. Ich bin meinen Landesinnungsmeister Kollegen, dem Landesvorstand und den Vertretern der Mitgliedsinnungen für diese mutigen Entscheidungen sehr dankbar.

Mensch, wir müssen doch endlich aus dem verstaubten Innungsimage raus. Wir setzen dafür stark auf ganz junge Leute und die geben uns auch ganz schön Zunder, die tun sich nämlich so einen „Sch…“ nicht an, wie einer mal ganz direkt zu mir sagte. Das war ein Wake-up Call.

Lieber Guido Wirtz, vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg für Ihre Aktion. Ich bin gespannt auf die bundesweiten Reaktionen.

Guido Wirtz ist Salonunternehmer von Guido Wirtz Friseursalon in Körperich und Vorsitzender Landesinnungsmeister des Landesverbandes Friseure & Kosmetik Rheinland 

 

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