Credit: Eugen Mai

17.03.2016

André Märtens zwischen Salon, Hairstyle-Buch & Fashionweek

Der Head of Hair der Mercedes-Benz Fashionweek Berlin erzählt uns über sein Engagement im eigenen Salon, warum er niemals einer Kundin zu grauem Haar raten würde und warum "konservativ" nichts Schlechtes sein muss...

Fakten

  • Salon in Berlin seit 2000
  • Mitarbeiter: 17

"...viel lieber hätte ich an Autos geschraubt..."

imSalon: War Friseur ihr Traumberuf?
André Märtens: Um ehrlich zu sein, gab es für mich mit 16 viel spannendere Berufe. Ich wollte nicht Friseur werden, viel lieber hätte ich an Autos geschraubt. Durch einen schweren Motorradunfall war meine Schulausbildung fast ein Jahr unterbrochen. Danach war alles anders und ich folgte dem Rat eines guten väterlichen Freundes, der sagte: "Mensch werd' doch Friseur, da hast du alle Möglichkeiten!" 

imSalon: Was muss man mitbringen, um ein so gefragter Friseur zu werden?
Obwohl meine Eltern und auch schon deren Eltern, vorher bereits Friseure waren, ist mir nichts in den Schoß gefallen. Ich musste mich mächtig anstrengen. Einen Teil meiner Ausbildung habe ich in der Friseurfachschule Harder verbracht, dort wurden mir alle Grundtechniken beigebracht. Ich erinnere mich, 4 Wochen nur mit Wasserwelle legen verbracht zu haben. Ich habe mir zu Anfang einige Nächte um die Ohren geschlagen, habe Haarteile zusammengefummelt oder Freunden die Haare geschnitten. Um immer wieder weiter zu kommen und sich zu entwickeln, ist es sehr wichtig, immer offen zu bleiben, sich alles anzusehen, nichts zu verweigern und Biss zu haben.

imSalon: Bilden Sie auch Friseure aus?
Ja, wir haben immer 4-5 Auszubildende. Im Moment habe ich ganz wunderbare junge Menschen, die ich auch gerne übernehmen würde.

imSalon: Haben Sie sich schon mal überlegt, einen 2. Salon zu eröffnen?
Ein weiterer Standort kommt für mich aktuell nicht in Frage. Für mich funktioniert es nicht, einen Salon anonym zu führen. Mir ist es wichtig, meine Kunden zu kennen und sicherzustellen, dass ich auch für meine Kunden und Kundinnen wirklich ansprechbar bin. Gleiches gilt auch für mein Salon-Team. Das würde mit mehreren Standorten so nicht mehr realisierbar sein. Ich denke nicht, dass die Qualität, die wir im Salon liefern, mit zwei Salons zu halten ist. Ich konzentriere mich lieber auf einen Standort und finde Möglichkeiten, um dort weiter zu wachsen, da wir mit 17 Mitarbeitern im Moment an unsere Kapazitätsgrenze stoßen.

imSalon: Sind Sie auch für die Mitarbeiterführung verantwortlich oder haben sie diese Aufgabe abgegeben?
Ich habe ein enges Verhältnis zu meinen Mitarbeitern. Diese Aufgabe übernehme ich oder meine Frau, die auch im Unternehmen arbeitet. 

imSalon: Wo trifft man in Berlin die hippsten Leute, wo spürt man den Trend auf?
Ich gehe immer mit offenen Augen durchs Leben, denn Trends findet man immer und überall – gerade in einer so lebendigen Metropole wie Berlin.

"Unsere Kunden verlassen sich darauf, dass wir nicht an ihnen herumexperimentieren..."

imSalon: Wie ließe sich der Style Ihrer Kunden beschreiben?
Unsere Kunden sind eher konservativ und verlassen sich darauf, dass wir nicht an ihnen herumexperimentieren, jedoch gut beraten und vielleicht auch mal zu etwas inspirieren, das sie von sich aus nicht wagen würden. Wie viel Veränderung kann man jemandem zumuten? Was passt zu der Person? Das sind die Fragen und zugleich eine Gratwanderung. Wir sind dafür bekannt, dass unsere Kunden den Salon mit einem guten Gefühl und gesunden Haaren verlassen.

"Wenn etwas Trend ist, ist es eigentlich schon wieder vorbei"

imSalon: Ich habe bei Ihnen, Ihren Mitarbeitern und Ihren Kunden das Gefühl, konservativ zu sein kann
enorm viel Spaß machen.

Man muss nicht das Außergewöhnliche suchen, sondern lieber immer das Gewöhnliche außergewöhnlich gut machen. 

imSalon: Wie würden Sie in dem Fall das Thema Haartrend beschreiben?
Aktuell sieht man auf allen Laufstegen der Welt den Undone-Look, in allen Variationen. Trend ist sanft bewegtes Haar, das so aussieht, als hätte man gerade die Party seines Lebens gefeiert und man morgens einfach so losgeht, ohne dabei ungepflegt auszusehen. Im Vordergrund steht gesundes Haar. Kurze fransige Ponys à la Amélie finde ich schön. Es dreht sich alles um Bewegung und versprungene sanfte Locken. Die 80er Jahre beeinflussen die Frisuren, die Locken werden nicht mehr mit Dauerwellen, sondern mit Hilfe von Lockenstäben, wie beispielsweise dem "Curve" von ghd, gemacht sein.

imSalon: Wie sieht der Trend in Punkto Haarfarbe aus?
In Bezug auf Farbe bleiben nach wie vor seidige, wunderschöne Kupfertöne Trend. Und ich habe schon ein spannendes, synthetisches Orange gesehen. Die Farbe des Jahres 2016 wird Weinrot sein. 

"Ich lasse nur gefärbte Grautöne gelten..."

imSalon: Keine Pastelltöne, kein Grau?
Wenn, dann lasse ich nur gefärbte Grautöne gelten. Eine meiner Mitarbeiterinnen hat ihre Haare blondiert und grau übertönt, das sieht spannend aus und ist ein modisches Statement. Aber ich würde nie einer Kundin graues Haar empfehlen, das nimmt ihr 20 Jahre. Wenn wir Haare färben, müssen wir uns immer überlegen: Wie fühlt sich die Kundin am nächsten Morgen, wenn sie im Bad steht?

imSalon: Was sollte man als Friseur im Moment besonders gut beherrschen?
Weit vorn sind Friseure, die gute Finish-Techniken beherrschen. Das ist nicht erst seit eben wichtig und dennoch ist es aus dem Fokus gerutscht. Es wäre wünschenswert, wenn neben dem klassischen Ablauf - Waschen Schneiden Föhnen - wieder mehr auf das Stylen der Haare gesetzt werden würde. Also das Handwerk des Frisierens wiederbeleben und mit Lockenstab und anderen Werkzeugen großartige Frisuren zaubern. 

imSalon: Sie haben letztes Jahr ein Buch herausgebracht, das schöne, tragbare Haarstylings zeigt und aus meiner Sicht in jedem Friseursalon liegen könnte. Wie ist die Idee zu ihrem Buch "10 Minuten Hairstyles" entstanden?
Ich habe mir den Markt an Hairstyling-Ratgebern angesehen und festgestellt, dass es noch nicht allzu viele Bücher gibt, die Step by Step zeigen, was man alles mit seinen Haaren machen kann und auch noch Grundlagen einfach vermittelt. Damit das kein schweres Buch wird und auch einladend ist, habe ich den Titel 10-Minuten Hairstyles gewählt. Mit etwas Übung kann man das auch wirklich hinbekommen. Es ist nicht für Friseure konzipiert, sondern für alle Frauen, die sich auch mal an anderen Styles ausprobieren wollen. Auf alle Fälle soll es inspirieren. Es wird sicher nicht mein letztes Buch bleiben und zur Fashion Week erarbeite ich auch regelmäßig ein Lookbook, in dem alle Looks, und wie sie realisiert werden, festgehalten werden - allerdings dann an Friseure gerichtet.

imSalon: Sie sind neben all Ihren anderen Aufgaben auch Markenbotschafter für L’Oréal Professionnel – welche Herausforderungen bringt das im Arbeitsalltag?
Die Zusammenarbeit mit L’Oréal Professionelle Produkte besteht mittlerweile seit 27 Jahren. Es ist eine wirklich gute Partnerschaft gewachsen in der man sich austauscht und auch wechselweise inspiriert. Seit der Zeit habe ich unzählige Seminare für das Unternehmen mit Schwerpunkt Langhaar gegeben – Trends, Techniken… Zum Teil kann ich mich dabei aus der großen Erfahrung als Head of Hair der Mercedes-Benz Fashion Week Berlin bedienen. Ich bin seit der ersten Stunde Head of Hair für L’Oréal Professionnel und damit der maßgebliche Createur für fast alle Haarlooks der Designer.

imSalon: Wenn ich Ihnen zum Schluss einen Joker geben würde, mit dem Sie etwas in der Friseurbranche verändern könnten, was würden sie tun?
Ich würde noch mehr unternehmen, um das Image des Friseurs in Deutschland weiter zu verbessern. Friseur ist ein wundervoller Beruf, mit vielen Möglichkeiten sich und sein Konzept zu entfalten!

Das Interview führte Birgit Senger

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PhotocreditsPortrait: Eugen Mai Content-Bilder: Thomas Rafalzyk