Credit: Zur Verfügung gestellt von Kirstin Ellen Vietze

21.01.2016

Kirstin Ellen Vietze spricht offen

Ein offenherziges Gespräch über Rückschläge, Familienbande, einen alles verändernden Baustopp und Ruhe inmitten Berlins ...

Immer mehr bekannte Friseure ziehen mit ihren Salons aus der "1A Lage" weg in Wohnungen, Hinterhöfe und Seitenstraßen. Auch Kirstin Ellen Vietze zog vom Schönheitstempel zur Beauty-Oase. Heute scheint es nicht mehr so wichtig zu sein, die Kunden von der Straße in den Salon zu ziehen. Gesehen wird man heute eher durch gute Internetpräsenz und Networking.

Fakten

  • 1 Salon in Berlin: Kirstin Ellen Vietze
  • 23 Mitarbeiter
  • 300 qm + 80 qm Terrasse im Hinterhof

imSalon: Kirstin, du bist verheiratet, Mutter von 3 Kindern, leitest ein Unternehmen mit 23 Mitarbeitern, arbeitest jeden Tag selbst von morgens bis abends am Kunden und strahlst dabei immer unglaublich viel Ruhe aus...Da müsste doch Ruhe eher etwas Fremdes für dich sein.
Ja es wundert mich selbst immer, wenn man mir sagt ich wirke so ruhig (lacht). Das könnte darauf zurückzuführen sein, dass ich meinen Beruf so liebe, ich habe ihn zum Hobby gemacht. Als Friseurin ernte ich jeden Tag Lob und Anerkennung von meinen Kunden. Ich verschönere Menschen, mache sie glücklich, selbstbewusster und durch meine Arbeit vielleicht sogar erfolgreicher. Gerade bin ich für 6 Wochen wegen eines Knochenbruchs ausgefallen und konnte nicht arbeiten. Dass ich so lange ausfalle, gab es in meiner 25-jährigen Selbstständigkeit noch nie. Selbst als ich meine Kinder bekommen habe, stand ich immer bis kurz vor der Fahrt zum Kreißsaal am Stuhl und so ging es eigentlich auch immer gleich nach der Geburt wieder zurück. Das liegt wohl daran, dass mir die Arbeit so viel Spaß macht.

imSalon: Wie schafft du es, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen?
Das ist klar nur möglich, wenn sich die ganze Familie dafür einsetzt, dahinter steht und mithilft. Mein Mann unterstützt mich bei der Buchführung und der Mitarbeiterführung, meine Eltern helfen viel und Schule und Hort deckt ja auch einen Großteil der Arbeitszeit ab. Mein Engagement bei der Innung und den Intercoiffeuren musste ich etwas zurückschrauben, aber für 2016 habe ich mir vorgenommen, mehr Zeit für Büro und Mitarbeiterführung einzuplanen, auch mal um 18:00Uhr aus dem Salon zu gehen um meine Kinder selbst ins Bett bringen zu können und wie beispielsweise im Januar, einen halben Tag aus dem Salon rauszunehmen um mich auf der Fashion Week in Berlin umzusehen und mit anderen Kollegen auszutauschen und Inspirationen zu bekommen. Dafür muss auch Zeit sein.

imSalon: Würdest du dir wünschen, dass eines deiner Kinder das Familienunternehmen übernimmt?
Das wird sich finden, ich werde keins der Kinder puschen. Meine Eltern haben mir auch freigestellt, was ich werden möchte. Wenn sich das ergibt, ist es schön, mein Cousin hat auch drei Kinder, einer der sechs wird wahrscheinlich das Unternehmen weiterführen wollen. Aber noch hab ja auch ICH noch etwas Zeit dazu, vielleicht schaffe ich noch einmal 25 Jahre.

"Jeder hat so seine Ups und Downs, das gehört zum Geschäftsleben dazu."

imSalon: Du führst das Familienunternehmen schon in der vierten Generation. Auf der einen Seite ist es sicherlich Glück, ein erfolgreiches Unternehmen übernehmen zu können. Auf der anderen Seite aber auch kein Segen und Garant für automatisch jahrelangen Erfolg. Du kennst Rückschläge: Das Unternehmen, das du mit deinem damaligen Mann eröffnen wolltest, sollte DER Beautytempel der Hauptstadt werden. Wurde es dann auch, aber vorher kam es zum Baustopp, die geplanten Kosten verdoppelten sich, dein Geschäftspartner und Ehemann verliebte sich neu und das in eine Mitarbeiterin. Wie steht man eine solche Zeit durch?
Na ja, jeder hat so seine Ups und Downs, das gehört zum Geschäftsleben dazu. In solchen Situationen merkt man, dass man lebt, denn zum Leben gehört Veränderung! Jeder hat im Laufe des Lebens sein Päckchen zu tragen. Ich dachte, ich nehme dann lieber dieses und weiß ich bin gesund und alle in meiner Familie auch. Auch wenn man manchmal denkt "Was soll denn noch passieren", schafft man das! 
1995 wurde der Standort in der Müllerstraße zu klein. Wir fanden neue Geschäftsräume an der Friedrichstraße und haben uns dort einen ziemlichen Tempel hingesetzt. Wie fast jeder Bau wurde auch unserer teurer als vorher veranschlagt, leider sogar viel teurer.

"Wie fast jeder Bau wurde auch unserer teurer als vorher veranschlagt, leider sogar viel teurer..."

imSalon: Was war der Grund dafür, das die Kosten sich fast verdoppelten? War eure Vision zu großartig oder hat die Industrie euch zu sehr gepuscht?
Ich glaube, es war beides, wir hatten eine Vision, ich war damals 25 Jahre alt und habe mich auf das verlassen, was von Leuten gerechnet wurde, die schon viele Salons vorher geplant hatten. Man hätte beispielsweise an Bauplänen, die fehlerhaft angelegt waren, erkennen können, dass unser Vorhaben dort nicht wie geplant realisierbar war. Es hätte sicherlich einen Zeitpunkt gegeben, da hätte man noch aus Verträgen rausgekonnt, aber da es niemandem auffiel, kam es zu einem Baustopp. Der kostete uns sehr viel Geld, da die Mitarbeiter schon eingestellt waren. Trotz Trennung von meinem damaligen Mann wollten wir erst einmal weiter zusammenarbeiten. Das ging natürlich doch nicht gut und ich habe das Geschäft alleine übernommen. Das war taff, ging aber letztendlich gut. Bis 2013, da wollte der Vermieter die Miete erhöhen, ja eigentlich verdoppeln. Das kann vielleicht ein H&M Konzern zahlen, wir haben uns entschlossen umzuziehen. Als wir neue Räume gefunden hatten, ließ uns unser Vermieter netterweise früher aus dem Mietvertrag, so dass wir umziehen konnten.

imSalon: Das geschah dann aber auch schneller als vor 20 Jahren?
Ja, dieser Umzug und Umbau war gut geplant. Wir hatten das Geschäft nur einen Samstag geschlossen und am Montag darauf, kurz vor Weihnachten, haben wir die Kunden in den neuen Räumen begrüßen können.

imSalon: Jetzt befindet sich der Salon in einem Innenhof in einer Querstraße zur Friedrichstraße, etwas versteckt und abgelegen. Wie fühlt sich diese Veränderung an?
Das war eine großartige Entscheidung, wir fühlen uns hier sehr wohl. Mitten in Berlin fühlt sich das dennoch an wie in einer Oase. Die Kunden sind ja oft etwas länger bei uns und genießen es, den Großstadttrubel hinter sich zu lassen und bei uns im Innenhof entspannen zu können.

"Nach fünfundzwanzig Jahren hat man ja natürlich schon eine Menge Stammkunden."

imSalon: Wie finden die Kunden zu euch? An der Straße deutet nur ein Schild mit deinem Namen auf den Salon hin.
Ja, dass das so gut läuft, hätte ich erstmal auch nicht gedacht.Wir haben unseren Umsatz zu vorher trotz versteckter Lage steigern können. Nach fünfundzwanzig Jahren hat man ja natürlich schon eine Menge Stammkunden, denen wir erklären konnten, wo sie uns finden. Wir haben unsere Internetpräsenz verbessert und arbeiten sehr gut mit den umliegenden Hotels zusammen.

imSalon: Wie sieht so eine Zusammenarbeit aus?
Wir veranstalten regelmäßig Concierge-Abende. Dort stellen wir neue Dienstleistungen und Produkte vor, trinken zusammen was und es gibt eine Kleinigkeit zu essen. Der eine oder andere bekommt eine Massage und lässt sich verwöhnen. Mit der Zeit kennt man sich, die Concierge wissen dann schon, welchen Gast sie zu welchem Mitarbeiter schicken.

Wo nimmst du deine Inspiration her?
Das weiß ich nicht, die ist einfach da. Wenn ich hier bin, geht es mir gut. Die Dankbarkeit der Kunden, das direkte Feedback, das man nach der Arbeit am Kunden bekommt. Ich habe im Moment ein Team , das aus 23 fantastischen Menschen besteht. Dass ich jetzt für sechs Wochen ausgefallen bin, hat das Team super zusammengeschweißt. Es hat alles so toll funktioniert, dass ich mich gefragt habe, ob ich überhaupt wiederkommen soll oder ob ich vielleicht nur störe und mich ins Büro setze. Bei mir hat jeder im Team seine Aufgabenbereiche. Eine Mitarbeiterin kümmert sich um Marketing, Internetauftritt und Facebook, einer um die Ware, ein anderer um das Thema Haarverlängerung, einer um die Akademie und Ausbildung.

imSalon: Du hast auch oft Kontakt zu Schauspielern und Künstlern, wie ist das entstanden?
Mein Vater und mein Onkel haben beim Fernsehen gearbeitet, da lernte ich automatisch den einen oder anderen kennen und war bei Veranstaltungen dabei. Natürlich auch durch die Industrie, wie zum Beispiel die Zusammenarbeit mit Schwarzkopf beim Bambi. Mit der Zeit lernt man die Agenturen kennen und wird für Events gebucht.

imSalon: Wie bereiten Du und deine Mitarbeiter sich auf, zum Beispiel, das Frisieren beim Bambi vor?
Meine Mitarbeiter recherchieren: wer trägt im Moment die Haare wie, wie sind Haare, Farbe und so weiter, das herauszufinden ist ja heute kein Problem. Bei manchen kennen wir im Vorfeld das Kleid, dann überlegt man, was könnten wir vorschlagen. Einige sind offen für Neues und andere haben ihre klaren Vorstellungen, genau wie im Salonalltag.

"Manchmal rufen Kollegen an und fragen: Meine Lieblingsmitarbeiterin will nach Berlin, hast Du einen Job frei?".

imSalon: Wie findest du deine Mitarbeiter oder Azubis, wenn du ein neues Teammitglied brauchst?
Wir suchen Mitarbeiter über unsere Internetseite, dort haben wir immer dargestellt, dass wir gute Leute suchen und haben das Glück, dass wir viele Bewerbungen haben. Wir erklären, wie der Salonalltag bei uns abläuft, wie wir unsere Mitarbeiter bezahlen. Manchmal rufen mich auch Kollegen aus anderen Städten an und sagen "Meine Lieblingsmitarbeiterin will nach Berlin, hast Du einen Job frei?". 

imSalon: Was bietest Du deinen Auszubildenden?
Unsere Auszubildenden haben einen Tag in der Woche Akademie und einmal im Monat zu einem bestimmten Thema ein Training. Zum Beispiel zu Farbe, Schnitt, Make-Up Grundlage. Durchgeführt wird dieses Training von unterschiedlichen Mitarbeitern, die sich auf diese Bereiche spezialisiert haben.

imSalon: Ab wann arbeiten die Azubis am Kunden?
Recht schnell, wir starten mit der Kopfmassage, sie lernen Produkte kennen, Augenbrauen und Wimpern färben, Farbe auftragen, Strähnen, Föhnen, ab dem zweiten Lehrjahr und spätestens im dritten Lehrjahr sollten sie mitarbeiten können.

imSalon: Vielen Dank!