Credit: Privat von Annemarie Graf

11.08.2023

Keiner braucht eine Dauerwerbesendung im Salon, aber …

Zusatzdienstleistungen, verpasster Umsatz und die individuellen Bedürfnisse unserer Kunden - Der Weg zu mehr Umsatz liegt in der Individualität.

Kolumne von Annemarie Graf

Ich gebe es zu: Ins Restaurant gehen, ist mit mir nicht wirklich einfach. Mir ist es selbst schon peinlich, doch ich tue es immer wieder. Ich verändere Gerichte so, wie sie mir schmecken. „Kann ich statt Pilzen bitte Zucchini haben“, ist hierbei wohl die normalste Frage.
Ziemlich sicher hast du das auch schon gemacht.
„Ohne Zwiebeln, ohne Rotkraut, mit Joghurtsoße“, fängt ja schon beim Döneressen an.

Nun soll das heute kein Ausflug in meine Essgewohnheiten werden, sondern mal wieder ein Blick raus aus unserem Friseurleben, rein in die große weite Welt.

Heute geht es um Zusatzdienstleistungen, verpassten Umsatz und die individuellen Bedürfnisse unserer Kunden.
Und hier zeigen uns Restaurants und Großkonzerne à la Amazon, wie es geht.

Zusatzdienstleistung im Salon

Das Thema ist gerade in aller Munde und auch du bist sicherlich nicht daran vorbeigekommen. Wimpernlifting, Augenbrauenlifting und Hennabrows sind zum Megatrend in Salons geworden. Hier gibt es einen regelrechten Hype. Und soll ich dir was sagen? Ich liebe es!

Denn endlich bekommen „kleine“ Zusatzdienstleistungen eine große Bühne. Wer will ihn nicht, den „WOW“-Augenblick?
Und je mehr unsere Branche sich in Spezialisierungen individualisiert, umso mehr kommen Treatments, selbst angemischte Shampoos, Aromatherapien, Massagen und Co. auf den Bildschirm.

Diese kleinen Boni können, sofern sie angeboten werden, richtige Umsatzbooster sein. Und das liebe Saloninhaber*innen, dürft ihr eurem Team gerne mal vorrechnen.
Stellt euch vor, ihr bietet pro Tag vier zusätzliche Dienstleistungen an, die jeweils 15 Euro kosten. Das bedeutet 60 Euro mehr Umsatz pro Tag, und bei einer 4-Tage-Woche ergibt das bereits 240 Euro pro Woche. Auf das Jahr gerechnet, könnt ihr euch über 11.520 Euro zusätzlichen Umsatz freuen!

Na huch! Rechne das mal auf dein Team hoch.

Keine Dauerwerbesendung

„Ich fühle mich wie bei QVC.“ Ohhh, was habe ich diesen Satz gehasst und immer wieder gehört während meiner Zeit als Trainer im Feld.
Wir Friseure verstehen uns als Künstler, als Handwerker, als Dienstleister, aber auf keinen Fall als Verkäufer.
Doch Zusatzdienstleistungen müssen genauso wie Produkte erwähnt werden, um gekauft zu werden.

Lass uns nochmal in die Gastronomie schauen und das Lächeln, dass dir der italienische Kellner ins Gesicht zaubert, wenn er dich ganz aufmerksam fragt, ob du noch einen Espresso haben möchtest.

Oder das große A, die uns unter den Produkten, die wir kaufen wollen, gleich schon vorschlägt: „Andere Kunden kauften auch“.

Beide Dienstleister wissen, was perfekt zusammen passt und wollen es uns nicht vorenthalten. Eine Beratung auf eine perfekt abgestimmte Zusatzdienstleistung ist also wie die Beratung für den passenden Schnitt und die optimale Pflege. Machst du das als Friseur nicht, ist es ganz schlicht und einfach unterlassene Hilfeleistung.

Denn keiner zwingt dich, mit weiß angemalten Zähnen und dem Barbielächeln, wild gestikulierend, um einen Aufsteller zu springen à la Homeshoppingkanal.

Dafür gibt es genügend Möglichkeiten auf der Kundenreise durch deinen Salon.

Wann Weglassen wirklich sinnvoll ist

Kommen wir jetzt zum Anfang zurück und meiner Mäkelei am Essen. Denn wie du sicherlich aus eigener Erfahrung weißt, nicht jeder mag alles.

Um unseren Kunden die Auswahl an Dienstleistungen zu vereinfachen (gerade online) bieten viele Friseure mittlerweile Pakete an. Oft werden diverse Anwendungen wie Kopfmassagen auch als Signature-Behandlung ohne Erwähnung in den Service eingebaut.

Das ist alles großartig, vereinfacht dem Kunden die Buchung und dem Team einen gleichbleibenden Dienstleistungsablauf.

ABER!

Jeder Kunde ist individuell und hat eigene Bedürfnisse. Wir haben hochsensible Kunden, Kunden mit Traumata, mit schlechten Erfahrungen oder einfach nur kleinen Macken. Wir schauen auf alle Köpfe drauf, aber rein können wir nicht sehen.

Unsere Kunden sollen sich bei uns wohlfühlen und entspannen, den Alltag vergessen, sich schön und geborgen fühlen, sie sollen Vertrauen zu uns haben.

Doch wann haben sie die Chance, unseren Service auf sich anzupassen? Zu wählen, ob sie die Kopfmassage nun haben möchte, oder nicht?

Es geht individueller

Der „Silent Cut“ war ein großer Schub in diese Richtung. Ich sage, es geht noch individueller. An welchem Punkt haben Kunden die Möglichkeit, Dinge aus dem Servicepaket ab- oder umzuwählen?

Wo in der Terminbuchung ist es möglich gleich zu sagen: „Ich möchte keine Kopfmassage.“ Und dafür auch wirklich ernst genommen zu werden.

So wie ich keinen Koriander an meinem Essen mag, hasst mein Mann Kopfmassagen beim Friseur. Für ihn macht das einen Salonbesuch zur Qual.

Erwähnen Kunden am Telefon solche Wünsche, werden sie oft nicht notiert. Es wird gelacht. Jeder mag doch Kopfmassagen (und bitte, das ist ein Beispiel).

Stattdessen sollten wir es notieren und beim Besuch umsetzen. Wir können in der Onlinebuchung wählen lassen, welche Anwendung weggelassen werden soll. So wie wir es ja auch beim Lieferdienst für unsere Pizza machen.

Und ACHTUNG! Hier geht es nicht darum, den Preis zu drücken. Hier geht es einzig und allein um individuelle Bedürfnisse und Rücksicht. Denn wenn ich beim Essen den Koriander weglassen möchte, kostet es deswegen auch nicht mehr, es geht mir aber besser. Und im „schlimmsten“ Fall zahle ich für die Änderung sogar 2€ mehr. Mach’ ich auch gerne, mit extra Trinkgeld.

Individualität durch Zusatzdienstleistungen und bewusstes Weglassen können viel bewegen. Der Weg zu mehr Umsatz liegt genau dort!

Annemarie Graf - Schönsein.Blog
(Business Beratung und Marketing Agentur für Friseure)

Früher: Friseurmeisterin, Leiterin von 2 Friseursalons und internationale Trainerin für eine bekannte Marke.
Heute: Business- und Marketingberaterin für Friseurunternehmer*innen, Autorin, Bloggerin, Podcasterin und Mutter einer kleinen Tochter.