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05.10.2016

Qualitätsmanagement verkauft sich schlecht

Dieter Schneider erzählt, warum das Beschwerdemanagement - zu unrecht - ein Stiefkind unserer Branche ist...

Dieter Schneider erzählt, warum das Beschwerdemanagement - zu unrecht - ein Stiefkind unserer Branche ist...

Diese Erfahrung habe ich immer wieder gemacht. Der Hauptgrund ist nach meiner Meinung, dass die dahinter stehenden Forderungen: Qualitätssicherung und Qualitätsverbesserung innerlich abgelehnt werden, weil kaum jemand die Qualität seiner Arbeit in Frage gestellt wissen will.

Ansprechbar auf die Themen Qualitätssicherung und Qualitätsverbesserung als Zielsetzung für ein effektives Qualitätsmanagement sind solche Unternehmer, die für die Dienstleistungen oder Produkte ihres Unternehmens schon ein gutes Qualitätsniveau erreicht haben. Nicht erreichbar mit diesem Thema sind die mit stark verbesserungswürdigen Qualitätsniveau.
 

Beschwerdemanagement

Ein ganz wichtiger Teilbereich des Qualitätsmanagement ist das Beschwerdemanagement, also der professionelle Umgang mit Beschwerden. Da ist oft zu hören: Gottseidank haben wir wenig Beschwerden. Hinter dieser Aussage liegt verbirgt sich ein dramatischer Irrtum: Es werden Beschwerden mit Reklamationen verwechselt.

Jede Reklamation ist eine Beschwerde, aber die wenigsten Beschwerden lösen eine Reklamation (Beschwerde mit vermeintlichen oder tatsächlichen Rechtsanspruch) aus. Aus diesem Grundirrtum ergeben sich viele Irrtümer im Detail, die zu falschem Handeln führen:
 

Die häufigsten Irrtümer beim Umgang mit Beschwerden

1. Die Unternehmen und die Menschen darin sind dankbar für Beschwerden

2. Wenige Beschwerden sind ein Zeichen für viel Kundenzufriedenheit

3. Physische Kundennähe bedeutet einen kurzen Weg für Beschwerden

4. Unter Freunden fällt das Beschweren leichter

5. Beschwerden ohne Rechtsanspruch (also keine Reklamationen) sind harmloser

6. Eine Beschwerde ist erst eine, wenn sie ausgesprochen wird

7. Kunden, die sich beschweren, sind Gegner

8. Es gibt viele unbegründete Beschwerden

9. Für die Beschwerdebehandlung ist der Verursacher zuständig

10. Unzufriedene Kunden, die sich nicht beschweren, bleiben weg

11. Mit Zufriedenheitsabfragen ist auch Unzufriedenheit der Kunden zu ermitteln

Die Wahrheit über Beschwerden

1. Kein Mensch ist von Natur aus dankbar für Beschwerden, die ihn betreffen und/oder ihm Arbeit machen. Er muss es mühsam lernen.

2. Wenige Beschwerden können ein Zeichnen dafür sein, dass der Kunde eine Beschwerde für nutzlos hält. Wegbleiben ist die Beschwerde mit den Füßen.

3. Auge in Auge fallen Beschwerden besonders schwer.

4. Auch unter Freunden und über Freunde fällt das Beschweren besonders schwer („Feigheit vor dem Freund“).

5. Kundenverluste kommen vor allem vor, wenn Beschwerden ohne Rechtsanspruch nicht ernstgenommen werden.

6. Die unausgesprochene Beschwerde („innere Kündigung“) hat außer Wegbleiben andere Konsequenzen: Seltenerer Besuch, weniger Ausgaben, größere Preisempfindlichkeit, ausbleibende oder sogar negative Mundpropaganda.

7. Kunden wollen uns durch Beschwerden fast immer helfen. Echte Gegner wollen gar nicht, dass wir besser werden.

8. Jeder Beschwerdeführer hat einen Grund für seine Beschwerde, auch wenn sie manchmal ungerechtfertigt ist.

9. Für eine Beschwerdebehandlung ist und bleibt derjenige verantwortlich, der sie entgegengenommen hat, auch wenn zwischenzeitlich jemand anderes - z. B. der Auslöser der Beschwerde - damit befasst ist.

10. Unzufriedene Kunden, auch wenn sie sich nicht beschweren, bleiben mehrheitlich nicht gleich weg. Das bedeutet „innere Kündigung“ mit vielen Aufs und Abs. Innere Kündigung ist kein punktuelles Ereignis, sondern ein Prozess mit ungewissen Ausgang.

11. Bei schriftlichen Zufriedenheitsabfragen erfassen wir die Kunden nicht, die unzufrieden weggeblieben sind. Solche Abfragen erfassen auch mehr die pauschale Zufriedenheit als die konkrete Unzufriedenheit mit Details, die zeitlich schon eine Weile zurückliegen können. Bei Routine-Abfragen: „Sind Sie zufrieden?“ oder „Hat´s geschmeckt?“ sagt der Kunde bei Unzufriedenheit meistens nicht die Wahrheit. Deshalb ersetzen Zufriedenheitsabfragen kein Beschwerde-Management.

Die 11 Irrtümer und 11 Wahrheiten über Beschwerden sind in ähnlicher Form im MARKTLÜCKE-Themenmagazin „Wertschätzen II“ unter dem Stichwort „Beschwerden“ abgedruckt. Die MARKTLÜCKE-Themenmagazine sind über die Fa Conzen zu beziehen oder auch beim Korter Medienhaus (Telefon: 06202-139170, E-Mail: info@korter.de) erhältlich.

Weitere Angaben
GastbeitragDieter Schneider