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25.01.2024

Nur eine Senkung der Mwst. auf 7% ist eine Lösung, um die Friseurbranche in ihrer heutigen Struktur am Leben zu erhalten

Die aktuelle Situation im Friseurhandwerk hat auch Auswirkungen auf die zuliefernde Industrie. Stephan Conzen wendet sich im Nachgang zur Podiumsdiskussion an Herrn Kellner und untermauert, weshalb die Reduktion der Mehrwertsteuer auf 7% noch nicht aufgegeben werden darf...

Das Schreiben von GLYNTs Stephan Conzen an Herrn Staatssekretär Michael Kellner im Original Wortlaut

Guten Tag Herr Kellner,

ich war Teilnehmer des Zukunftskongresses Friseurhandwerk in Berlin.

Ich möchte Ihnen zunächst ein großes Lob aussprechen: Sie haben ‚Flagge gezeigt‘ und haben als einziges Mitglied einer im Bundestag vertretenen Partei an der für das Friseurhandwerk so wichtigen Diskussion teilgenommen. Das haben Ihnen sehr viele Gäste sehr hoch angerechnet.

Ich bin geschäftsführender Gesellschafter eines mittelständischen Haarkosmetik-Herstellers. Wir leben von der Friseurbranche, zudem gibt es eine starke emotionale Bindung zu den Menschen dieses Berufsstandes, die mit außergewöhnlichem Fleiß und Einsatz ihren Beruf ausüben. Das Wohlergehen der Branche liegt uns als Firma aus beiden Gründen besonders am Herzen.

Aus meiner Erfahrung kann ich sagen: Der Branche geht es schlecht, in vielen Fällen sind es heute die Selbstständigen, die vom ‚working poor‘ betroffen sind. Der Hilferuf der Branche hat seine Rechtfertigung. Der etwas uncharmante Empfang Ihnen gegenüber zu Beginn der Podiums-Diskussion liegt in der aktuellen Situation begründet, dass die ohnehin liquiditätsgeschwächten Salons gerade ihre Rückzahlungen der Corona-Hilfen vornehmen müssen. Sie werden das dem Publikum sicherlich nachsehen.

Im Rahmen der Diskussion wurde unter anderem die mögliche Senkung der Mehrwertsteuer auf 7% angesprochen. Diese haben Sie spontan als unrealistisch bezeichnet, die Haushaltslage ist sicherlich ein gewichtiger Grund dafür. Zudem wurde von Ihnen ja auch bekundet, dass man nicht einfach eine ‚Lex Friseurhandwerk‘ schaffen könne, weil andere Handwerke oder Dienstleister dann Gleiches fordern würden.

Der Grund meines Schreibens ist: Ich und sehr viele Meinungsbildner in der Branche sind sich einig, dass nur eine Senkung der Mwst. auf 7% eine Lösung ist, um die Friseurbranche in ihrer heutigen Struktur am Leben erhalten zu können. Es ist aus ordnungspolitischen Gründen deshalb geradezu notwendig, diesen Schritt zu gehen, weil die Friseurbranche einzigartig in ihrer Betroffenheit eines hohen Mwst. Satzes ist. Die Gründe:

  • Die Branche lebt ausschließlich von privaten Kunden, die die Mwst. nicht saldieren können. Das ist z.B. in der Gastronomie ganz anders, die zu geschätzten 40% von gewerblichen Kunden lebt. Auch fast alle anderen Handwerke leben von überwiegend gewerblicher Kundschaft, für welche der Mwst. Satz unerheblich ist.
  • Die Branche wird immer Bestand haben, weil die menschliche Arbeitsleistung nicht durch Automatisierung ersetzt werden kann. Das ist Fluch und Segen zugleich: Segen, weil die Arbeitsplätze auch in KI Zeiten sicher sind, Fluch, weil Effizienzfortschritte durch Fehlen von maschinellem Einsatz gering sind und somit stark steigende Personalkosten einen enormen Effekt auf die Dienstleistungs-Preise haben.
  • Die stark steigenden Dienstleistungspreise in der Friseurbranche haben dazu geführt, dass Kunden preisgünstigere Alternativen suchen, die sie in den inzwischen 30.000 Betrieben finden, die gar keine Mwst. abführen, das sind die Kleinstselbständigen. Häufig überschreiten diese durchaus die maximale Umsatzgrenze.
  • Die Krux: Sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse in ‚normal‘ strukturierten Salons entfallen, damit auch die Ausbildung (1-Personen können ja nicht ausbilden), damit auch die Integrationsleistung der Branche für junge Menschen aus anderen Ländern und Kulturkreisen. Am Ende fehlen dann auch Lohnsteuer-Einnahmen für den Fiskus und Sozialversicherungseinnahmen für die Sozialversicherungsträger sowie Umsatzsteuer-Einnahmen durch Hinwendung zu einer ‚Stuhlmieter-Branche‘.


Wenn man Arbeit, die von Menschen für Menschen ausgeführt wird, fiskalisch zu hoch belastet, wird eine solche Leistung entweder nicht mehr in Anspruch genommen werden können oder -und das ist in der Friseurbranche der Fall- von fiskalisch privilegierten Kleinstselbständigen oder von der Schwarzarbeit ausgeführt. Das kann kein politischer Wille sein.

Die extremen Rückgänge der Zahl der Auszubildenden und der extreme Anstieg der ‚Kleinstselbständigen‘ sprechen eine eindeutige Sprache.

Nicht umsonst erlaubt die EU speziell für personalkostenintensive Branchen die Vorsehung der reduzierten Mwst.. Leider wird davon in Deutschland für die Friseurbranche kein Gebrauch gemacht.

Ich bin dankbar, wenn die obenstehenden Darlegungen die Situation der Branche noch weiter verdeutlichen können.

Nochmals danke ich für Ihren Auftritt beim Zukunftskongress und Ihre sachlichen Ausführungen im Rahmen der Podiumsdiskussion.

Freundliche Grüße

Stephan Conzen

Geschäftsführer / Managing Director
Hans Conzen Kosmetik GmbH