Credit: Dean Keno Zill

24.06.2020

Daniele Dragotta, Nominierter für HDA und Friseur in Gütersloh, braucht im Moment eine starke Schulter

So nah können Glück und Angst beieinander liegen: Welche Fragen dem Nominierten des Internationalen Hairdressing Awards schlaflose Nächte aufgrund der aktuellen Situation bereiten und welches Ziel er sich trotzdem für die Awards gesteckt hat ...

Lieber Daniele Dragotta, erst einmal herzliche Gratulation zur Nominierung für die Internationalen Hairdressing Awards. Warum ich mich heute melde, ist aber die aktuelle Situation in Ihrer Heimat, Gütersloh, können Sie kurz schildern, wie die Lage ist.
Daniele Dragotta:
Ja, vielen Dank! Es ist wirklich eine sehr sehr verrückte Zeit. Wir Friseure hatten alle die Situation, dass wir im März schließen mussten, demnach habe ich auch unser ganzes Salonkonzept angepasst. Zum Beispiel arbeiten wir seit Mai nicht mehr mit dem gesamten Team zusammen, sondern man begegnet sich nur im Schichtwechsel.

Können Sie kurz skizzieren, wie die letzte Woche nach Veröffentlichung des Tönnies-Skandals für Sie war?
DD:
Man lebt mit Angst und fragt sich „Wie geht es weiter?“. Uns geht es zwar, Gott sei Dank, gut, denn wir haben die erste Krise gut weggesteckt. Mein Team war wirklich stark an meiner Seite. Aber was ist, wenn ein zweiter großer Lockdown kommt? Gedanken wie „Muss ich an meiner Personal-Aufstellung etwas verändern?“, etc. kommen einem hier in den Sinn und bereiten schlaflose Nächte. Ich bin immer positiv und versuche auch meinem Team die Unsicherheit zu nehmen. Ich will als Unternehmer natürlich jeden Arbeitsplatz erhalten, aber ich weiß nicht, wie man einen zweiten Lockdown überbrücken kann. Keiner weiß hier, wie es weitergeht. Bei einem kompletten Lockdown ist Kurzarbeit ein Thema. Ich weiß auch nicht, ob ich hier dann Zuschüsse bekommen würde. Das sind im Moment die Gedanken, die schlaflose Nächte bereiten. Ich bin wirklich der Typ, der gerne die starke Schulter für jemand anderen bereit hält, aber im Moment bräuchte ich eine starke Schulter.

Das ist verständlich eine emotionale Herausforderung für einen Unternehmer, der so hinter seinem Team steht …
DD
: … und wenn ich dann so Meldungen von Herrn Tönnies höre, wie „Ich gebe einen Test für jeden im Landkreis aus“, ist mir damit auch nicht geholfen. Seit März plagen mich Gedanken um mein Geschäft, weil immer etwas Neues kommt.

Wie bekommen Friseurunternehmer Informationen in der aktuellen Phase?
DD:
Das ist das große Problem. Wir haben hier die Kreishandwerkerschaft und da kamen Infomails zur Pressekonferenz und den weiteren Schritten aber es gab keine Infos, was wir an die Kunden weitergeben dürfen. Wir haben versucht, die Kreishandwerkerschaft anzurufen, um herauszufinden, wie es weitergeht. Man kriegt leider keine Infos. Wir haben 5,6 Stunden lang versucht anzurufen, auch beim ZV. Niemand kann uns Friseuren Infos geben.

Wie ist denn aktuell das Verhalten der KundInnen?
DD:
Die Kunden sind auch ängstlich. Es gibt im Moment viele Absagen. Seit der Lockdown-Ankündigung haben 30% der Termine abgesagt. Das ist schon eine ganze Menge. Wir arbeiten ja nur mit Terminen. Auch aufgrund unserer Lage sind Laufkundschaften nicht möglich. Das macht es schwer und die Situation noch frustrierender, denn wir versuchen wirklich alles, damit es dem Kunden gut geht und er sich sicher bei uns fühlt.

Jetzt sind Sie Nominierter bei den Hairdressing Awards, wie fühlt sich das in dieser Phase an? Ist diese Nominierung zweitrangig, weil es jetzt quasi ums Überleben geht?
DD:
Ich bin ein sehr ambitionierter Friseur und ich liebe meinen Beruf. Es gibt für mich keinen Stillstand und deswegen arbeite ich immer an Projekten. Aber natürlich braucht man für kreative Projekte freie Gedanken. Mit dieser schwarzen Gewitterwolke über mir ist das natürlich eine Herausforderung. Aber ich habe mich super gefreut. Vor allem in so einer Zeit tut das gut. Es ist so schön und erfüllt mich mit Stolz mit so tollen Namen in einem Atemzug genannt zu werden, aber im nächsten Moment holt mich die Realität wieder ein und ich muss mich als Unternehmer mit dieser zweiten Lockdown-Phase auseinandersetzen. Ich muss auch gestehen, dass ich die Nachricht nicht mit meinem Team gefeiert habe – wie denn auch?

Sind Projekte außerhalb von Deutschland trotz Corona geplant?
DD:
Ich werde definitiv meine Kollektion im Ausland schießen, denn meine Einflüsse liegen im englischsprachigen Raum, genauer in London. An dieser Haarindustrie orientiere ich mich gerne. Ich werde mit Herzblut an die Sache rangehen und nichtsdestotrotz diese Hindernisse beseitigen und die Herausforderung annehmen. Ich glaube an mich selber, mit dem Ziel unter den ersten Dreien zu sein.

Für dieses Vorhaben wünsche ich alles Gute, viel Kraft und freie Gedanken.