Credit: itakdalee Adobestock (Hintergrund) | Nadine Wisser (Portrait)

14.11.2023

Rückwärtsruhm kann die Zukunft nicht ändern

Männer in fast allen hohen Ämtern, zu stolz Platz zu machen oder doch alternativlos? Elisabetta Giannattasio fragt sich, weshalb sie so oft von „Alten Herren“ hört, wie es gehen soll oder brauchen wir neben der Frauen- auch eine Altersquote?

Kommentar von Elisabetta Giannattasio

Schon merkwürdig, dass in unserer so bunten, weiblichen und vielfältigen Branche oft Gegenteiliges das Zepter in Händen hält. Dabei möchte ich mit dieser Kolumne weder gegen Herren noch gegen das Alter meine Stimme erheben, sondern gegen den Typus des unantastbaren, fehlerfreien Mannes.

Frauen dieser Spezies sind mir bislang nur sehr selten begegnet, dürfen sich gerne der Fairness halber ebenfalls angesprochen fühlen.

Woher aber kommt diese Situation? Meines Erachtens liegt es an einer Kombination aus erstens, dem Phänomen des Rückwärtsruhms und dem, was wir dazu beisteuern.

Was meine ich mit dem soeben von mir erfundenen Wortes ‚Rückwärtsruhm‘? Es beschreibt die Erinnerung an beruflich ruhmvolle Stunden ohne, dass man(N) merkt, dass diese längst vergangen sind und den Anspruch auf Führung längst nicht mehr erfüllen. Ein Ausruhen auf Gewesenem und den dazugehörigen Abfindungen ist kein Platzhalter in der niemals enden wollenden Karriere. Im schlimmsten Fall folgt daraufhin sogar noch die nächste Generation im dunkelblauen Anzug, jetzt auch noch ohne jede Passion.  

Kommend von zahlreichen Friseurveranstaltungen, wo ausschließlich Herren das Mikro hielten, ermutigen mich zu näherer Betrachtung.

Wie könnte die Branche sein, wenn der langjährige Schlaf ein Erwachen hätte? Obermeister der Vergangenheit angehörten und ich das Wort Modeproklamation nie gehört hätte. Überzeugungen wie folgende, die mir bei einem Geschäftsessen entgegengebracht wurde „Alle Hennen brauchen einen Hahn, um geführt zu werden“ zeigen die wahren Schwächen auf.

Da saß ich also einem offensichtlich sehr einfachen Menschen gegenüber und hatte die Wahl höflich zu grinsen und mir meinen Teil zu denken oder angemessen zu antworten. Wohl wissend, „dass alter Mann auf oberster Sprosse“ für egal was auch immer (oft sind die Aufgaben vor lauter Worten nicht zu erkennen) fürstlich entlohnt wird und eine Antwort meinerseits nur mir selbst schaden wird. 

Dennoch den Schaden musste ich dann in Kauf nehmen, da ich andernfalls an meinen Gedanken drohte zu ersticken.  Auf oberster Sprosse scheint die Aussicht ganz HERRLich zu sein. 

Warum kann denn hier Aussicht nicht zu Weitsicht werden? 

Lasst uns mal drüber nachdenken!

Trotz oder gerade wegen all meiner Kritik ziehe ich den Hut vor denen, die diesem Muster nicht entsprechen, freue mich von diesen zu lernen! Darüber hinaus gibt es ja auch noch die andere Seite, die ich bedenklicher finde, da sie mit dem Finger auf uns zeigt. 

Hier sind all die angesprochen, die „alte Herren“ den ganzen Tag mit Goldstaub bepinseln. Die zu devot für konstruktive Kritik sind und schlussendlich nur froh darüber sind, nicht den Kopf für Entscheidungen hinhalten zu müssen. 

Rückwärtsruhm kann die Zukunft nicht ändern, was wir endlich brauchen, ist: Den Abverkauf des Satzes „weil es schon immer so war“ und ein Vertrauen in neue Wege.

Zu akzeptieren, was Vergangenheit ist und Neues mit offenen Armen begrüßen. Oder eine Altersquote? Diese könnte davor schützen, dass alle denselben Blickwinkel haben.

Stürzt Euch ins Getümmel der Branche, hört gut zu, besonders bei den Menschen, die ganz anders denken als Ihr.

Elisabetta Giannattasio ist Friseurin und Education Managerin bei fpe Friseur- und Kosmetikbedarf.