02.06.2023
"Zu viele Friseure kalkulieren Preise nach Gefühl"
Dominik Musti und Stefan Pantel setzen als Unternehmensberater Salonimpulse und beobachten täglich, wo in vielen Salons noch großes Aufholpotential herrscht. Das beginnt beim liegengelassenen Schönheitsbedarf von Kundinnen bis hin zu 50% nicht wahrgenommenem Umsatz.
Stefan Pantel und Dominik Musti Im Gespräch mit Raphaela Kirschnick
Ihr seid täglich als Unternehmensberater im Markt unterwegs, habt selbst zwei Salons. Mich interessiert mal vorab, ob euch die gleichen Fragen wie uns begegnen. Beispielsweise, der Umgang mit dem Wunsch nach der 4-Tage-Woche.
Dominik Musti: Wir verstehen die Aufregung nicht. Die 4-Tage-Woche ist brisant, aber wirklich nichts Neues. Es gibt so viele verschiedene Arbeitszeitmodelle, die man bedienen kann. Wenn man sich nur noch auf ein Modell fokussiert, dann nimmt man sich und seinen Mitarbeitern doch Flexibilität. Ich glaube, viele verwechseln da Öffnungszeiten mit Arbeitszeiten. Flexibilität bedeutet, dass Mitarbeiterinnen frei wählen können, wann sie wie arbeiten wollen, Öffnungszeiten müssen das abbilden.
Wie seht ihr die Diskussion um den freien Samstag?
DM: Wir haben in unseren Salons Kräfte, die hauptsächlich am Samstag arbeiten wollen, da sie dann Betreuung für ihre Kinder haben. Aber die eigentliche Frage, die sich Salonunternehmer stellen müssen, ist doch die, ob sie einen am Samstag geschlossenen Salon unter der Woche kompensieren können. Da geht es um Auslastung, das ist das viel größere Thema für Salons.
„30-50 % des Umsatzpotentials wird in Salons nicht wahrgenommen.“
Inwiefern Auslastung?
DM: Wir erleben immer wieder bei unseren Beratungen, wir haben aktuell ca. 150 Saloneinsätze p.a. und dort erkennen wir, dass 30-50% des Umsatzpotentials nicht wahrgenommen wird. Das Salonmanagement arbeitet da häufig gegen eigene Interessen
Wie geht das, dass man gegen eigene Interessen arbeitet?
Stefan Pantel: Umsatzgrenzen werden zu kleingehalten, die Auslastung ist nicht ordentlich organisiert, der Schönheitsbedarf der Kundin wird nicht erkannt und in Terminierung und Preislistengestaltung erkennen wir immer wieder große Lücken. Wir sind anfangs immer mit der großen Aufgabe betreut, Altlasten zu beseitigen.
Das ist viel auf einmal. Was ist eine große Altlast?
SP: Das ist häufig total banal. Viele Mitarbeiter haben ein vorgegebenes Tagesumsatzziel vor Augen, das gar nicht realisierbar ist, denn oft stimmen Anwendungszeiten nicht mit der Preisgestaltung überein. Das beginnt bereits bei der Terminorganisation.
Die Terminorganisation ist zu straff?
DM: Fast jede Kundin bringt mehr Schönheitsbedarf mit in den Salon. Es wird aber strikt nur das gemacht, was im Terminplan steht. Und wenn doch eine Zusatzdienstleistung ungeplant hinzukommt, entsteht Stress aufgrund der nicht geplanten Zeit. Oft könnte die Friseurin aber noch ein Glossing, Plexen, Glätten oder Augenpflege mitanbieten. Und wer ist jetzt Verursacher dieses Problems? Das ist immer der Unternehmer. Terminorganisation muss Dienstleitungsupgrades ermöglichen, sodass eine bereits geplante Dienstleistung mit besseren Services wertiger und stressfreier umgesetzt werden kann.
Das spiegelt sich dann auch in den Umsätzen pro Kundin wider?
DM: Genau, da kommen dann Preislistenstrukturen ins Spiel, die wir meist komplett verändern. Mit einer Kalkulation dahinter, dass das später über preistransparente Kommunikation in die Kasse kommt.
„Preisanpassungen setzen sich nicht durch, weil Mitarbeiter Möglichkeiten finden, diesen Preis zu umgehen, und der Chef lässt es zu.“
Was beobachtet ihr denn in puncto Preiserhöhung?
SP: Wir beobachten aktuell Preiserhöhungen von durchschnittlich 5%-7%. Das Problem ist aber nicht die Preisanpassung, sondern, ob sie sich durchsetzt. Häufig setzt sie sich nicht durch, weil Mitarbeiter Möglichkeiten finden, diesen Preis zu umgehen, und der Chef lässt das zu. Ich gehe aber soweit zu sagen, dass viele Unternehmer heute rein theoretisch keine Preisanpassung brauchen, wenn sie im Kassier-Verhalten ihre bestehenden Preislisten vernünftig umsetzen.
„Meistens sind die Preise nach Gefühl kalkuliert.“
Das klingt heftig!
DM: Es beginnt damit, dass viele Salons noch immer keine vernünftige Preisliste haben. Und zwar eine, die man mit Blick auf den Deckungsbeitrag kalkuliert und guckt, ob es zu dem passt, was man für seinen Salon braucht? Meistens sind die Preise nach Gefühl kalkuliert.
Leider tendieren Mitarbeiter auch immer wieder dazu, nicht zu kassieren, was in der Preisliste drinnen steht, oder Zusatzleistungen werden einfach weggelassen.
„Der Chef macht auf einmal den Mitarbeiter zum Unternehmer,
das ist kriminell…“
Ist das nicht eine klassische Führungsaufgabe?
DM: Hier wird es ja noch krimineller. Der Chef macht auf einmal den Mitarbeiter zum Unternehmer, der das aber gar nicht sein will, denn sonst wäre er längst selbstständig. Und so kommen Mitarbeiter in die Situation, ihre Ware und Zeit selbst kalkulieren zu müssen. Das stresst Mitarbeiter.
„Zeiteinteilung ist ein ganz wunder Punkt.“
Eingangs spracht ihr auch von falscher Terminorganisation. Wie meint ihr das?
SP: Zeiteinteilung ist ein ganz wunder Punkt. Mitarbeiter haben Zeitvorgaben, diese werden aber oft nicht eingehalten. Da führen 15 Minuten Leerzeit zwischen Kunden ganz schnell zu 2 Stunden pro Tag. Wie wird dieses Zeitfenster einkalkuliert? Den Tagesumsatz kann man damit jedenfalls nicht erreichen. Solche Missstände decken wir leider häufig auf.
„Bis zu 40% der Kunden verlassen den Termin früher als ursprünglich gebucht.“
Gibt es hierfür Kennzahlen?
SP: Ja, laut unseren Erhebungen verlassen bis zu 40% der Kunden den Termin früher als ursprünglich gebucht. Das ist ein wirtschaftlicher Schaden, denn dein System arbeitet nicht für dich, sondern gegen dich. Umsatz ist nicht die Motivation, sondern die Begeisterung seinem Kunden das Bestmögliche anzubieten und spätestens für den Folgetermin diese Potenziale (auf 100 % Schönheit), die Kunden mitbringen, in eine stressfreie Terminierung einzubringen. Das ist ein wichtiger Baustein im Salonmanagement, um Umsatzwachstum aus vorhandenen Ressourcen zu generieren.
Ich danke euch für den kleinen Einblick in euren Beratungsalltag und wünsche euch weiterhin viel Erfolg.
Salonimpuls, das sind Stefan Pantel, und seine Geschäftspartner, Dominik und Jörn Musti. Die Friseurunternehmer-Coaches betreiben selbst 2 Salons und beraten aktuell ca. 100 Unternehmer mit 130 Salons