

10.03.2025
"Wir Friseure haben unser Handwerk zu lang unter Wert verkauft"
Bei René Tenerani gibt es nur ihn, seinen Salon und seinen persönlich, herzlichen Rund-um-Service für 160 Euro die Stunde - und das klar kommuniziert und ohne Diskussion.
René Tenerani im Gespräch mit Katja Ottiger
René, du berechnest in deinem Salon eine Handwerker-Stunde von 160 Euro?
René Tenerani: Stimmt. Wir Friseure haben uns jahrzehntelang unter unserem Handwerk verkauft und ich sage: Ja, ich bin ein „High-Price-Friseur“. Seit 15 Jahren arbeite ich im Wiener 1. Gemeindebezirk. Wenn ich sehe, wie viele Leute vor Louis Vuitton, Chanel und Co. stehen und es heißt, die Leute hätten kein Geld, finde ich das lächerlich.
Was inkludiert deine Service-Stunde für 160 Euro?
René Tenerani: Alles. Schnitt, Ansatzfärben, alle Strähnen- und Farbtechniken aber auch Augenbrauen-, Wimpernfärben, Augenbrauen zupfen, Handmassage, Kopfmassage, jede Intensivpflege.
Für viele Kundinnen wäre dieser Preis undenkbar. Wie sehen das deine Gäste?
RT: Für meine Stammkunden, die den Vergleich mit den Salons, in denen ich früher gearbeitet habe, kennen, macht es kaum einen Unterschied. Dort kostete waschen, schneiden, föhnen im Schnitt 125 Euro, plus Pflege um 28 Euro. Es gab ein Glossing von 65 bis 70 Euro, eine Ansatzfarbe von 85 bis 90 Euro oder Balayage für 150 Euro. Da kommst du schnell auf denselben Preis.
„Einmal im Monat mache ich eine Story auf meinem Kanal, in der ich meine Preise transparent erkläre.“
Es gibt keine Preisdiskussionen?
RT: Überhaupt nicht. Ich bin in der Kommunikation sehr transparent. Einmal im Monat mache ich eine Story auf meinem Social-Media-Kanal, in der ich meine Preise immer wieder transparent erkläre.
Wer sind deine Kunden?
RT: Damen und Herren, die Privatsphäre und Entschleunigung mögen und die sich Zeit für sich selbst nehmen. Aber auch junge Kundschaft, die lieber darauf verzichtet, sich ständig neue Kleidung zu kaufen, und sich stattdessen den Besuch bei mir gönnt. Ich selbst komme aus einer Arbeiterfamilie, bin extrem bodenständig und habe mir mein Business selbst aufgebaut. Ich weiß das alles sehr zu schätzen. Ich habe früher in der Wiener Innenstadt einen Salon mit knapp 10 Mitarbeitern geleitet und auch Lehrlinge ausgebildet. Nun arbeite ich komplett anders: Du buchst den Salon plus mich für dich allein.
Schauen deine Kundinnen nicht gestresst auf die Uhr?
RT: Nein, denn ich schinde keine Zeit, sondern möchte so schnell wie möglich zum besten Ergebnis kommen.
In der Einwirkzeit meiner Farbe bekomme ich Augenservice und Handmassage?
RT: Unter anderem. Die Einwirkzeit kann ich natürlich nicht verkürzen - gerade im Blondbereich, der bei mir 80 Prozent ausmacht. Ich bin ein „Jacques Dessange-Kind“ - wir sind Ferraris für blond! Wenn du gutes Blond machen kannst, hast du gewonnen. Und das spricht sich herum.
Und sichert deine Klientel. Setzt dich das Arbeiten auf Zeit unter Druck?
RT: Nein, ich habe immer 15 Minuten Puffer vor und nach der Kundin.
Bleiben die Herren auch eine Stunde?
RT: Meistens eine halbe Stunde, dann für 80 Euro. Ich verrechne auch Viertelstundentermine. Da bin ich immer transparent und sage, wenn eine nächste (Viertel-)Stunde anfällt.
Du berechnest für ein Erst-Beratungsgespräch 50 Euro?
RT: Richtig, ich nehme mir dafür 20 Minuten Zeit und bespreche alles durch, ich mache Abstriche von der Kopfhaut, schaue, ob Silikonüberlagerungen da sind etc.. Von den 50 Euro werden dann beim Folgetermin 20 Euro gutgeschrieben.
Deine Services sind exklusiv, du arbeitest ausschließlich mit La Biosthétique und ORGÆNIC Lifestyle.
RT: Ja, denn Haarqualität ist für mich das Wichtigste, mit kaputten Haaren kann ich nicht arbeiten.
„Hätte ich Mitarbeitende, hätte ich nicht mehr diese schöne private Atmosphäre.“
„Ein Raum. Ein Stylist. Eine Erfahrung.“ So wirbst du auf deiner Website. Warum hast du keine Mitarbeitenden?
RT: Hätte ich Mitarbeitende, hätte ich nicht mehr diese schöne, private Atmosphäre. Zu meinen Kundinnen gehören mittlerweile Ministerinnenund ORF-Größen, die zum Teil schon seit 10 oder 15 Jahren zu mir kommen. Die könnten sich privat nie so öffnen, wenn jemand neben mir steht, der zuhört.
Du warst einige Jahre persönlicher Stylist der Habsburger, genauer von Francesca von Habsburg.Was bedeutet für dich Luxus?
RT: Privacy.
Wird die Branche sich mehr zu EPUs entwickeln?
RT: Ja, das wird ansteigen. Man bemerkt auch, dass Großfirmen sich darauf einstellen, vor Corona hätte ich mit meinem kleinen Laden sicherlich kein La Biosthétique bekommen.
Derzeit sind Innungswahlen. Interessiert dich das?
RT: Wie gesagt, ich habe einige Ministerinnen bei mir sitzen und natürlich interessiert es mich. Ich wäre auch bereit, in ein paar Jahren in die Innung zu gehen. Ich möchte meine Expertisen, meine Erfahrungen teilen und für die Friseure etwas bewegen.
Und das Gerede, das Friseurhandwerk mit Ende 2026 als freies Gewerbe öffnen zu wollen, stößt mir sauer auf. Auch wenn manche behaupten: Ach, dann suchen sich die Kunden schon einen richtigen Friseur, der Ahnung hat von Chemie, Aufhellungsgrund und Komplementärfarben ... Man darf nicht vergessen: Wir lernen ein wichtiges Handwerk, lernen Chemie, um Kopfhaut und Haare gesund zu erhalten, und sind außerdem günstige Psychotherapeuten. Ich selbst investiere seit acht Jahren in einen humanistischen Therapeuten. Ich muss meine Psyche ja genauso stabilisieren, wie jeder das tun sollte. Ich habe keinen Friseur, dem ich mein Herz ausschütte. Und mein Psychotherapeut verlangt 165 Euro für 50 Minuten.
Mehr als deine Handwerkerstunde! Vielen Dank für die Einblicke und alles Gute!
Über René Tenerani:
- 1 Salon in Wien: „Stuben Atelier“, seit 2024
- keine Mitarbeitenden
- Session Stylist
- Ausbildung bei Rudi Meidl in Wien und Jaques Dessange Paris