

02.05.2025
„Warum kann Barrierefreiheit nicht normal sein?“
Daniela Hutterer und Maria Meßner haben sich mit ihrem Salon „Uma Concept“ in Wien ein „barrierefreies Wohnzimmer“ geschaffen, mit Rampen, Waschliege, behindertengerechter Toilette und Beratung in Gebärdensprache. Wir haben mit den beiden über den Weg dahin und die Gedanken dahinter gesprochen.
Im Gespräch mit Katriina Janhunen
imSalon: Ihr hattet beide eine andere Laufbahn eingeschlagen. Wie seid ihr zusammen in diesem Salon gelandet?
Maria Meßner: Wir haben 2006 zusammen die Friseurausbildung bei Headquarters gemacht. Dani war 2020 meine letzte Kundin vor dem ersten Lockdown. Wir haben gesagt, wir gehen jetzt noch einen Spritzer trinken, bevor alles 6 Wochen zu ist und haben festgestellt, dass wir beide nicht glücklich waren. Wir wollten mehr Wertschätzung für das, was wir tun und die Lockdowns haben uns die Zeit gegeben, an diesem gemeinsamen Projekt zu arbeiten.
„Wir sind doch alle gleich, warum können wir nicht ohne nachdenken zu müssen, da hingehen, wo wir gerne hinmöchten?“
Woher kam die Idee, euren Salon komplett barrierefrei zu machen?
MM: Dani hat früher gehörlose und gehörbeeinträchtigte Kinder unterrichtet und hat mich für ein Theaterprojekt fürs Make-up dazugeholt. Das ist eine ganz eigene Bubble, die mir davor nie aufgefallen ist. Dadurch habe ich gesehen, dass fast kein Friseur barrierefrei ist, im Sinne, dass du easy peasy, ohne drüber nachdenken zu müssen, mit dem Rollstuhl reinkommen kannst. Nicht mal Ärzte müssen barrierefrei sein, das muss man sich mal vorstellen!
Es war nie der Plan „Wir machen jetzt was Barrierefreies, damit auf jeden Fall jeder kommt, der eine Einschränkung hat“, sondern wir wollten etwas schaffen, wo jeder, der uns als Dienstleister schätzt, den Besuch ganz entspannt auf sich nehmen kann. Ohne darüber nachzudenken, ob er über eine Stufe gehoben werden muss. Wir sind doch alle gleich, warum können wir nicht einfach da hingehen, wo wir gerne hinmöchten. Warum muss man immer extra nachfragen. Ich verstehe nicht, warum Barrierefreiheit nicht einfach normal sein kann, vor allem wenn man eh etwas Neues anfängt.
Wie lief Salonsuche und Umbau im Sinne der Barrierefreiheit?
MM: Wir haben lange suchen müssen und durch Corona hat sich alles extrem verzögert mit dem Umbau und den Lieferungen. Es war auch schwierig, weil wir uns mit Förderungen nicht so ausgekannt haben. Wenn die Leute mehr darüber wüssten, würde sich das öfter wer antun. Aber solange es nicht verlangt wird, machts keiner.
Beim Umbau hattet ihr auch eine Dame von der Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehbehinderten hier.
MM: Ja, sie hat einen Testdurchgang gemacht und uns beraten. Durch ihren Input haben wir z.B. die Bodenfarbe unseres Podests angepasst. Es hat jetzt eine Kontrastfarbe zum Boden und die Kante schimmert metallisch, damit sie gut sichtbar ist. Sie hat uns auch zu dem kleinen tastbaren Knopf an der Türklingel geraten. Wir haben viel gelernt, das war spannend.
Worauf achtet ihr besonders bei sehbehinderter Kundschaft?
MM: Zum Beispiel, dass man niemanden einfach unangekündigt angreift und immer erst fragt, ob jemand Hilfe braucht. Man lernt, immer dazuzusagen, in welche Richtung man sich bewegt. Das kennt man ja auch vom Wimpernfärben bei sehenden Kundinnen.
„Vielleicht sind es nicht die Wenigen, sondern auch liebe Stammkunden, die man im Alter verliert“
Die meisten Friseure denken sich „Ach, für die paar Wenigen gleich umbauen…“
MM: Ja, voll. Aber vielleicht sind es nicht nur die Paar, die einen Rollstuhl brauchen, sondern auch ältere Damen und Herren, die gerne noch lange zum Friseur gehen wollen – liebe Stammkunden, die man sonst verliert.
Wir haben supersüße ältere Semester, die es lieben, dass sie hier z.B. wählen können, ob sie beim Waschen liegen oder sitzen wollen. Ich glaube, es kann uns nicht schaden, generell ein bisschen umsichtiger zu sein.
„Es ist nicht leicht, für alle Termine einen Gebärdensprachen-Dolmetscher zu kriegen“
Ihr bietet Friseurdienstleistung und Beratung in österreichischer Gebärdensprache an.
MM: Genau, Dani bietet durch die Gebärdensprache die Barrierefreiheit in der Sprache an. Dadurch haben wir mitbekommen, was es bedeutet, gehörlos zu sein. Man muss für viele Termine einen Gebärdensprachen-Dolmetscher organisieren und mitnehmen – das ist nicht so leicht.
Bei uns schneidet nur Dani die gehörlosen Kunden, weil wenn sie sich unterhalten möchten, bewegen sie sich natürlich dabei und ich brauche dann doppelt so lange für den Schnitt. Zukünftig kann das auch unser Mitarbeiter David, weil er lernt gerade Gebärdensprache. Wir hatten auch mal eine gehörlose Friseur-Praktikantin da, da war David meine Schnittstelle zu ihr. Das hat ihm damals als Lehrling auch superviel Spaß gemacht, sein Wissen weiterzugeben.
Ihr bietet auch an, ein erstes Beratungsgespräch per Telefon oder online zu machen. Wird das genutzt?
MM: Ganz ehrlich – nein. Ich finde es aber wichtig, das trotzdem anzubieten, wenn es doch jemand möchte. Genauso wie unser Abholservice von der U-Bahn-Station – die meisten Leute sind gar nicht so hilflos, wie man denken würde.
Sind Soziale Barrieren ein Thema bei euch?
MM: Wir denken darüber nach, Silent Cutting anzubieten, das man wie die Gebärdensprache, einfach dazubuchen kann. Montags und Dienstags schauen wir jetzt schon, dass wir ruhigere Tage machen, für Leute, die es eben brauchen. Wir haben Menschen hier, die mit Lärm nicht so umgehen können, die machen sich dann die Kopfhörer rein. Ein Kunde von uns hat angefragt, ob wir für die Stunde die Musik ausmachen können – wir versuchen Rücksicht zu nehmen, wo es geht und dann auch nicht drei andere Kundinnen gleichzeitig dazuhaben.
Es gibt von ABC jetzt Produkte mit Brailleschrift drauf. Wie ist das bei euch mit Produktverkauf, wenn jemand nicht oder schlecht sehen kann?
MM: Brailleschrift ist cool, keine Frage - bei unseren Produkten ist aber bei allen Kundinnen der Duft das verkaufsstärkste Argument. Wir haben Philip Martin’s Produkte und die riechen unglaublich gut. Und das Fühlen darfst du nicht vergessen, als erstes greift man sich immer in die Haare. Zur Anwendung gibt es von uns immer viele Tricks - für alle, unabhängig, ob jemand die Schrift lesen kann.
Neukunden zahlen bei euch mehr für den ersten Besuch – das ist normalerweise genau andersrum…
MM: Wir planen unsere Termine mit gewissen Zeiten, daher haben wir unsere Preise nach Haarlängen gestaffelt. Bei neuen Kunden braucht man auch einfach länger. Man muss herausfinden, wo man mit den Haaren hinmöchte und was möglich ist, manchmal auch: Was man noch retten kann. Manche haben auch eine Friseurangst, da muss man sich erst rantasten und mehr Zeit nehmen.
Was ist denn eine Friseurangst?
Daniela Hutterer: Die wurden mal verschnitten und haben seither einfach Angst. Ich hatte gestern eine Kundin da, die war 5 Jahre nicht beim Friseur und hat von einer Freundin von uns gehört. Das bedeutet mir sehr viel, wenn sie mir vertraut und – no pressure – aber sie war dann sehr zufrieden.
"Wir wollen eine private Oase bleiben und eine Weiterempfehlung ist die ehrlichste Werbung."
Seid ihr der To-Go-Place für Leute mit Behinderungen in Wien?
MM: Nicht unbedingt, weil so gut wie jeder Mensch hat bereits seinen Friseur. Man recherchiert erst, wenn man nicht zufrieden ist. Es kommen aber immer wieder Leute auf der Durchreise zu uns – wenn man barrierefrei sucht, findet man uns.
Die meisten unserer Kundinnen kommen über Empfehlungen von Freunden und wir wollen auch gar nicht so viel Werbung machen. Es fühlt sich für uns nicht harmonisch an, wenn es um Ruhe und Entspannung geht, dann laut schreiend dafür zu werben. Wir wollen eine private Oase bleiben und eine Weiterempfehlung ist die ehrlichste Werbung.