24.05.2024
Ungehörte Stimmen: Unternehmerinnen teilen ihre Mutterschutz-Erfahrungen
Annemarie Graf, Unternehmensberaterin für Friseur*innen und imSalon Kolumnistin, hat Unternehmerinnen aus ihrem Schönsein Club interviewt. "Meiner Meinung nach gehören mehr Geschichten erzählt", sagt sie. Hier sind ihre Geschichten, ihre Erfahrungen und Learnings, die sie mit euch teilen wollen.
Kristin: "Nehmt euch die Zeit für euch selbst"
Ich selbst habe den Mutterschutz vor der Entbindung nicht so ernst genommen. Ich habe meine Stunden hinter dem Stuhl in der Schwangerschaft nach und nach reduziert, das würde ich auch wieder so machen, denn das lange Stehen war zum Ende hin wahnsinnig anstrengend. Ich hatte zwar keinen riesengroßen Bauch, dennoch war er schwer und während der Arbeit oft hart. Deswegen, liebe werdende Mamas, genießt die letzten Wochen vor der Entbindung, nehmt euch die Zeit für euch selbst und tut euch etwas Gutes... Wenn das kleine Wunder erstmal da ist, liegt euer Fokus ganz woanders.
Eva: "Nach 8 Wochen kam der Hilferuf im Betrieb"
Mir ging es bei beiden Schwangerschaften super. Bei der ersten habe ich bis zwei Wochen vor der Geburt gearbeitet — meine erste "zu-Hause-Woche" war die Woche des Donnerstags, den 9.-11., deshalb weiß ich es noch genau. Nach 8 Wochen kam der Hilferuf wegen Krankheitsfällen im Betrieb. Ich habe dann halbtags angefangen, mit Arbeit- und Kindertausch halbtags mit meiner Mama. Die Kleine hatte auch viel Unterhaltung... Sie ist jetzt 22,5 Jahre alt. Bei der zweiten Tochter war ich 6 Wochen zu Hause, auch 50% Mama und ich im Wechsel. Die Kinder hatten deutlich mehr Unterhaltungsprogramm als mit mir alleine zu Hause. Der Papa war damals mit dem LKW unterwegs. Als er bemerkte, was ihm alles "entgeht" mit seinen Mädels, hat er den LKW-Dienst aufgegeben. Die zweite ist jetzt auch schon 19 Jahre alt. Beide Mädels haben wohl genügend Friseurluft bekommen... Die "Große" studiert jetzt — nach ihrer Meisterprüfung: Wirtschaftspsychologie, die jüngere ist aktuell im Gesellenprüfungsfieber.
Fabienne: "Mit einem weinenden Herzen im Geschäft stehen"
Ich habe bis einen Monat vor der Geburt meines ersten Kindes gearbeitet und musste dann aufgrund von Mitarbeiterproblemen nach zwei Monaten – mit einem weinenden Herzen – wieder im Geschäft stehen. Daher habe ich die Coronazeit auch sehr genossen. Bei Kind Nr. 2 habe ich zwei Monate früher aufgehört zu arbeiten und eine viermonatige Babypause eingelegt. In der Schweiz erhalten wir einfach drei Monate Entschädigung, die unseren Lohn ersetzen, was auch vollkommen in Ordnung ist. Wir müssen auch nichts zurückzahlen.
Angi: "Die perfekte Gelegenheit für einen richtigen Neustart"
Bei meiner ersten Schwangerschaft habe ich bis 4 Wochen vor der Geburt gearbeitet. Da es mir soweit gut ging, war das kein Problem. Wahrscheinlich hätte ich ebenfalls noch länger gearbeitet, wenn wir nicht die Woche darauf umgezogen wären. Ich habe dann nach 3,5 Monaten mit einer 3-Tage-Woche wieder zu arbeiten begonnen. Das war ziemlich schlimm für mich, da meine Tochter ein ziemliches Bauchweh-Kind war (9 Monate lang). Die Zeit hat mich ziemlich zerrissen. Auch ich hatte dann das "Glück" der Corona-Zwangspause. Wobei die finanziell eine ziemliche Katastrophe war. Jetzt bei meiner zweiten Schwangerschaft läuft es ein wenig anders. Gesundheitlich geht es mir im Endspurt leider nicht mehr ganz so gut. Deswegen habe ich meine Termine reduziert. Ich werde 4 Wochen vor Termin in den Mutterschutz gehen und bin dann tatsächlich ein Jahr raus. (Eure Erzählungen und Meinungen dazu hatten tatsächlich auch Einfluss auf diese Entscheidung!) Da ich aber eh nicht so glücklich bin und gerne etwas ändern möchte, sehe ich das Jahr Auszeit als die perfekte Gelegenheit an, einen richtigen Neustart hinzulegen. Das macht mir zwar unwahrscheinlich viel Angst, aber ich denke, dass es für mich gerade der richtige Weg ist. Mein Vorteil ist, dass ich allein arbeite und deswegen keine Rückzahlungen befürchten muss, da ja absolut kein Gewinn generiert wird. Auch ich finde, dass wir Selbständigen da voll die Arschkarte gezogen haben. Wir sollten auch mehr unterstützt werden! Man fühlt sich leider eher bestraft, wenn man sich für eine Familie entscheidet.
Claudia "Unterstützung für Selbstständige unter aller Sau"
Ich habe bis 2 Wochen vor der Geburt gearbeitet, bin nach 7 Wochen wieder arbeiten gegangen, zunächst auf 30 Stunden für zwei Monate, dann wieder Vollzeit. Der Vater des Kindes hat sieben Monate Elternzeit gemacht. Aufgrund von "ich kann ja den Salon nicht alleine lassen", haben wir das so entschieden. Würde ich glaube nicht wieder genauso machen, sondern davor und danach länger die Zeit genießen und mich in Ruhe erholen. Ohne Stress und Gehetztheit. Die Zeit bekommt man nicht zurück. Daher habe ich mich jetzt dazu entschieden, weniger zu arbeiten, um meinen Sohn im ersten Schuljahr mehr zu unterstützen und für ihn da zu sein. Auch wenn einem da auch keiner unterstützt. Zeit mit dem Kind ist wertvoller als jedes Geld der Welt. Ich finde, dass eine selbstständige Person genauso wie eine Angestellte die 6 Wochen davor und die 8 Wochen danach haben sollte, diese unterstützend vom Staat. Ich finde, dass das viel zu wenig ist und auch die grundsätzliche Unterstützung für Selbstständige ist unter aller Sau. Und überhaupt sollte man sich weniger Gedanken machen müssen, ohne schlechtes Gewissen! Man wird direkt in Schubladen gesteckt und man bekommt indirekte Vorwürfe, dass man als Mama nicht für das Kind da ist, weil die Arbeit wichtiger ist. Das ist einfach nicht schön und sollte keine Mama/Unternehmerin durchmachen müssen.
Nadine "Niemand meiner Kundinnen hat mir dafür gedankt"
Bei allen Kids hatte ich aus gesundheitlichen Gründen einen geplanten Kaiserschnitt, weshalb ich auch bis zum Tag der Geburt gearbeitet habe. Nach 4/5 oder 8 Wochen bin ich jeweils wieder im Salon gestanden, erstmal nur stundenweise. Bei meinem ersten Kind war dann meine Mama mit im Salon, damit ich zwischendurch stillen konnte. War für mich ab Kind Nr. 2 nicht mehr machbar. Für mich kam der Lockdown 2020 wie gelegen, denn damit konnte ich ein paar Wochen MAMASEIN genießen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Elterngeld kann man leider in die Tonne kicken, was will ich mit 300€ groß erreichen? Echt schade, dass man als Mama bestraft wird. Ich liebe meinen Laden, aber ich weiß nicht, ob ich es immer wieder so machen würde. Denn im September stand ich mit einem 4 Wochen alten Baby da, meine 2,5 Jahre alte Tochter kam in die Krippe und ich habe eine Woche später wieder mit dem Arbeiten begonnen. Was die Eingewöhnung nicht leichter machte, bzw. habe ich mein Baby ab da "abgeben" müssen, wenn auch nur in der Familie. Aber ehrlich gesagt hat es sich einfach falsch angefühlt. Denn mir ging es nach dem Kaiserschnitt noch nicht gut, und ich hätte gerne Zeit zum Erholen gehabt. Ich bin außerdem TÄGLICH im Zeitdruck, dass ich es pünktlich zum Arbeiten schaffe. Und ehrlich gesagt hat mir niemand meiner Kundinnen und Kunden dafür gedankt, dass ich direkt nach der Geburt jedes Mal wieder im Salon stand.
Carmen "...andererseits ist der Salon auch mein Baby"
Ich habe bis 2 Wochen vor der Geburt gearbeitet. Zum Glück ging es mir gut und ich konnte auch, wie ich wollte. Nach 8 Wochen war ich wieder im Laden gestanden, weil ich leider die falschen Mitarbeitenden hatte (bis auf eine), die das Team im Stich gelassen haben. Vom Elterngeld will ich gar nicht anfangen, sobald der Laden weiterläuft und das auch noch gut, bist du als selbstständige Mama der Arsch der Nation! Mindestsatz habe ich bekommen, möchte aber gar nicht wissen, wie viel ich zurückbezahlen muss, da ich noch offiziell in Elternzeit bin. Im Nachhinein betrachtet, wäre ich lieber für meine Tochter da gewesen, denn die Zeit bringt mir keiner zurück und kein Kunde wird sich bei einem bedanken, dass man sein Neugeborenes abgibt! Andererseits ist der Salon eben auch mein „Baby“, womit ich mein Leben finanziere, es ist einfach eine schwierige Situation. Man würde sich mehr Unterstützung wünschen!
Mandy "Dann kam Corona und hat mir die Zeit geschenkt"
Ich habe bis zuletzt gearbeitet, am nächsten Morgen war dann mein kleiner Mann da und nach acht Wochen habe ich wieder angefangen, stundenweise zu arbeiten. Dadurch, dass meine Familie über den Salon wohnt, ging das und da ich nicht stillen konnte... Die Zeit mit dem Kleinen hat mir trotzdem gefehlt und ich hätte gerne etwas Elternzeit genossen, dann kam Corona und hat mir die Zeit geschenkt, die ich mir sonst nicht genommen hätte, daher war an Corona nicht alles schlecht. Obwohl die Angst weiterhin da war, nicht genügend Geld zu haben. Hätte ich eine längere Elternzeit gehabt, dann hätte ich das Geld für die Corona-Zeit nicht gehabt.
Annemarie Graf hat auch ihre eigenen Erfahrungen aus dem Mutterschutz geteilt - ► hier geht es zu ihrere aktuellen Kolumne!
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