Credit: Zur Verfügung gestellt von Ulla Maass

11.08.2017

Ulla Maass´ Haarschneide Feng Shui

Haarige Anamnese zur Primetime, perfekt und spielerisch, die TIGI Topakteurin im Gespräch...

Fakten

  • Seit 15 Jahren Salonunternehmerin
  • 1 Salon in Hamburg | 2 Mitarbeiter
  • Seit 2 Jahren TIGI Flagship Store | flexibler Salon mit mobilen Plätzen, switcht zwischen Salon und Schulungen
  • TIGI Creative Team Member Germany

im Gespräch mit Katja Ottiger

imSalon: Als gelernte Arzthelferin bist du Quereinsteigerin und durch deinen Exmann zum Job gekommen.
Ulla Maass:
 Stimmt, ich wartete auf einen Platz für die Schule zur MTA (medizintechnische Assistentin, Anm.), als mein damaliger Mann für seinen Friseurmeister lernte. Beim Abhören für die Prüfung ist mir aufgefallen, dass ich den Stoff auffallend schnell gut erklären konnte. Ich habe mich für den Beruf ja nie interessiert, auch dann nicht, als ich immer mal in seinem neueröffneten Laden mitgearbeitet habe, von der Rezeption über Föhnarbeiten bis hin zum ersten Haarschnitt an meinem Bruder. (lacht) Das kam erst, als ich in London einen Kurs bei Vidal Sassoon belegt habe, dort ist mir regelrecht ein Licht aufgegangen! Da war alles so anders, als das, was ich mir unter dem Friseurberuf vorgestellt hatte. Nix Lockenwickler, sondern tolle Schnitte und Frisuren der Sechziger. London überhaupt - die Leute bei Sassoon, so straight und grafisch und von Toni&Guy so locker, lustig, witzig. Ich mochte beides, diese Perfektion und das Spielerische. Als ich zurückkam, hab ich die MTA Schule sausen lassen. 

„...bei Vidal Sassoon ist mir ein Licht aufgegangen.“

Dann kam die Lehre?
U.M.: 
Naja, ich habe keine klassische Berufsausbildung in dem Sinne. Als der Entschluss fiel, hatte ich bereits die ganze Toni&Guy Schiene hinter mir, eine Visagisten- und Make-up Ausbildung und war schon fast auf dem Weg ins TIGI Team. Weil ich schon älter war, ging das relativ flott. Ich bin zur Handwerkskammer gegangen und habe mich mit all meinen Diplomen in der Tasche den theoretischen und praktischen Prüfungen gestellt und schließlich in der Abendschule Meister und Ausbildnerschein gemacht. Und bin geworden, was ich eigentlich nicht werden wollte: Friseurin! Wenn ich mir vorstelle ich wäre heute MTA … Nein! Es ist alles genau so richtig, wie es ist.

Und wie gelang der Sprung ins TIGI Education-Team?
U.M.: 
Als sich 2005 TIGI von Toni&Guy absplittete und von Anthony (Mascolo, Anm.) weitergeführt wurde, begann Gianni D‘Assero (Creative Director Germany) ein Education-Team für Deutschland aufzubauen. Da wir uns bereits 10 Jahre kannten, hat er mich ins Boot geholt. 

Verschafft dir deine Trainertätigkeit Neu-Kunden?
U.M.:
 Ja, das kann ich sagen. Meine Kunden haben großes Vertrauen in meine Arbeit, weil sie wissen, dass ich auf dem neuesten Stand bin.

Du selbst schulst dich meist in London. Was hast du dir im Laufe der Jahre von Anthony oder dem internationalen Education Team abgeschaut?
U.M.: 
Von Anthony den Spaß und die Lust am Haareschneiden, von Gen Ito (Creative Team International London) sein exaktes, langsames und bedachtes Schneiden. Was mich fasziniert an den beiden ist die Leidenschaft der alten Hasen. 

„Haare-Feng Shui – das vermisse ich bei der jungen Generation.“

Das langsame, bedachte Schneiden, das kann man bei dir gut beobachten.
U.M.:
 Ja. (lacht) Ich habe die Gabe ruhig zu sein und den Kunden das Gefühl zu geben: Keine Angst, ich nehm dich mit, was immer auch passiert. Weißt du, ich habe eine Kundin, die liest nie und redet nie, während ich schneide. Die schaut mir einfach nur zu, weil sie das unendlich beruhigt. Eine ehemalige Außendienstmitarbeiterin von TIGI meinte gar, was ich da mache, ist Haarschneide Feng Shui. Und ehrlich, das vermisse ich manchmal bei der jungen Generation: das Feng Shui. Haare schneiden ist für uns alte Hasen beinahe alles, egal, ob morgens um 9 oder abends um 10. Die Lust, aus einem Rohling etwas zu formen und die Leute damit glücklich zu machen. 

Hast du jemals andere Produkte als T&G und TIGI probiert?
U.M.:
 Ja klar, z.B. Wella und Redken. Als ich mit dem Job anfing, gab es zwar schon Toni&Guy, aber noch längst keine Produkte. Damals hatten sie in London lediglich eine ganz kleine Range an Produkten in der Academy am Christopher Place. Als die dann endlich auf den Markt kamen, habe ich natürlich nicht lang überlegt.

TIGI - eine Philosophie für dich?
U.M.:
 Auf jeden Fall! Die Art zu Schneiden, auf die Kundin eingehen und den exakten Fall und Wuchs der Haare aufzunehmen und dann die Produkte! Die machen einfach sehr viel Spaß. Das Outfit, die Farben, die Düfte - das funktioniert alles im Zusammenspiel.

Du bist der verspielte Typ?
U.M.: 
Nein, eigentlich nicht. Eher der klare Typ, aber mit einem versteckten Kind in mir drinnen. Einem kleinen, Schabernack treibenden Jungen, wie mein Mitarbeiter Stefan sagen würde. (lacht)

Was zeichnet einen guten Educator aus?
U.M.:
 Geduld und Humor, über fachliche Kompetenz müssen wir hier ja nicht reden. Und die Gabe, gut erklären zu können, was nicht immer so einfach ist.

"Neugier fehlt mir manchmal bei Friseuren..."

Kollektion versus Kundinnentauglickeit?
U.M.:
 Klar, wenn du deiner Kundin die Shift-Kollektion zeigst, dann denkt die ein oder andere schon mal: Oh, das geht nicht! Wichtig ist doch, es ist nur ein Tipp! Wenn ich auf den Modenschauen bin, und sehe, was da über den Laufsteg kommt, kann ich das auch nicht eins zu eins übernehmen. Das kannst du alles runterbrechen, mit deiner eigenen Kreativität, deiner Farbe, deiner Ponylänge. Es fasziniert mich bei TIGI in London immer, wie sie es schaffen, über die Jahre hinweg das immer wieder neu zu basteln. Den Motor, die Leidenschaft am Laufen zu halten. Wie Anthony immer sagt: „Wenn wir aufhören, zu lernen, ist es vorbei.“ Das gilt für alles, alles, alles! Und neugierig bleiben! Das fehlt mir leider manchmal bei Friseuren. 

Was wäre denn ein Wunsch an die Kollegen?
U.M.:
 Ganz ehrlich? Von den jungen Kollegen mehr Wissbegier und Biss. Sie denken gern, sie können schon alles, strotzen vor Selbstbewusstsein und werden dann plötzlich damit konfrontiert, dass nicht alles gut ist, was sie tun. Dann sind sie schnell demotiviert.

Große Produktpaletten – können Friseure überfordern? 
U.M.: 
Das überfordert immer dann, wenn nicht verstanden wird, worum es dabei geht. 
Bei TIGI spiegeln die einzelnen Brands die einzelnen Kunden wider: die Experimentierfreudige, die Fashionista, die Glamouröse. Wir gehen auf Zielgruppen ein, für alle Strukturen und Anforderungen. Das muss man verstehen und entsprechend beraten. Denn wenn die Kunden sagen, ich bekomme meine Frisur nicht hin, dann machen sie es immer am Haarschnitt fest. Dabei ist die Frage: Womit bereite ich mein Haar vor, womit sollte ich stylen ... es sind ganz oft Anwendungsfehler.

"Der Arzt schickt seine Patienten auch nicht ohne Rezept in die Apotheke"

Und Beratungsfehler?
U.M.:
 Ganz oft, da brauchen wir nicht zu reden! Hier haben wir das Seminar: „Beraten und Verkaufen“. Wir simulieren Beratungsgespräche, bei denen man sich selbst einfach mal als Haardoktor sieht und eine Anamnese macht. Man geht ja nicht zum Arzt und macht schon mal den Oberkörper frei, bevor der weiß, worum es geht. So wie manche Kollegen, die sich hinter den Kunden stellen und sagen: „Ok, Scheitel links, Scheitel rechts, ab zum Waschen!“ Ein Arzt erstellt eine Diagnose und gibt eine Empfehlung. Er schickt seine Patienten auch nicht ohne Rezept in die Apotheke und sagt, sie sollen sich die Tabletten doch selbst raussuchen. So verstehe ich Beratung: Anamnese, Hilfestellung, Beratungsgeschichten plus Faktor Zeit, das kostet entsprechend und erklärt dem Kunden auch, warum das kostet. 

Beratungsgeschichten? 
U.M.:
 Ja, nehmen wir das Thema Conditioner. Ich erklär das der Kundin immer so: Du hast ganz viele Seidenblumen und die musst du in einem Lieferwagen von A nach B fahren. Du lädst also deine Seidenblumen ein, rast über die Autobahn, kommst am Ziel an und stellst beim Ausladen fest, dass die Hälfte der Sachen fehlt, weil du die Tür offengelassen hast. Der Conditioner ist praktisch die Tür. Du lagerst wunderbare Inhaltsstoffe ein, die die Schuppenschicht geschlossen halten.

Was würde dich neben deinem Job im Salon und als Trainerin noch interessieren?
U.M.:
 Produktentwicklung. Ich würde diese Dinge, die dem Kunden manchmal fehlen, gern entwickeln. Ich habe schon vor vielen Jahren begonnen, Produkte zu mischen, um den gewünschten Effekt zu bekommen. Ich traue mich gern. Beim Kochen genauso, auch wenn es vielleicht manchmal nicht so schmeckt, das macht nichts, ich koch trotzdem weiter und darauf kommt es an. 
Wenn ein Friseur bei einem meiner Seminare eine Anregung hat, schreibe ich mir das auf und gebe es beim nächsten TIGI Meeting weiter. Ich frage auch meine Kunden, was sie sich wünschen. Das halte ich für wichtig, denn wenn du in deiner Beziehung jeden Morgen um neun gemeinsam frühstückst und jeden Sonntag um drei Kaffee trinkst, finde ich das langweilig. Rituale sind gut, aber manchmal muss man ausbrechen.

Und die Sachen werden in London aufgegriffen?
U.M.:
 Ja, sie haben Gehör für uns. Anfangs gab es Wachs oder Gel, aber wir wollten beides. Daraus ist z.B. der Bed Head by TIGI entstanden. 
Und weißt du, was mich derzeit total begeistert? Die neue Anti-Aging Coloration Age Denied by TIGI Copyright©olour! Eine ganz tolle Sache. Ich habe diese Farbe für reifes Haar, die auf den sich im Alter verändernden, Hautton eingeht, seit kurzem - und ich bin wirklich jemand, der auf dem Boden bleibt und kritisch ist - aber die ist wirklich suuuuper gut!

„Auszeit nehmen heißt, keinen Plan zu haben.“

Wenn du eine Auszeit brauchst, wie schaut die aus?
U.M.:
 Ich fahre an den Tegernsee. Boot fahren, ausspannen, nix tun. Und ganz wichtig: nicht auf die Uhr schauen! Auszeit nehmen, heißt keinen Plan haben.

„Meine Sendung zur besten Primetime im TV: Klare Worte - ich hab die Nase voll!“

Gibt es etwas, was dir besonders am Herzen liegt?
U.M.:
 Es wäre klasse, wenn es bei all den Talkshows im deutschen Fernsehen endlich mal ein Format gäbe, in dem Menschen wie wir zu Wort kommen. Der Titel: „Klare Worte – in Klammern: Ich hab die Schnauze voll.“ 
Dann könnten wir einmal klarmachen, was es alles für bodenständige Berufe braucht, nämlich Durchhaltevermögen und Kritikfähigkeit, Kreativität und handwerkliches Geschick. Und was wir, die Friseure zum Beispiel alles sind. Psychologen, Handwerker, Kreative, Kellner und Kummerkastentante. Dass die Leute verstehen, dass sie unserem Berufsstand nicht mit 10 oder 20 Euro Anerkennung zollen. 

Bringen TV Sendungen wie „Shopping Queen“ oder der berüchtigte Umstylingtag bei Heidi Klum der Branche Aufmerksamkeit?
U.M.:
 Nein, das denke ich nicht. Helfen würde nur, den Leuten mehr Geld zu bieten. Was verdienen die denn? Dieser 1200,- Tarif, mal ehrlich, wer soll denn davon leben? Wenn du in England, in Amerika sagst, du bist Hairstylist, sagen die Leute: Wow! Das ist dort nicht so wie in Deutschland mit schnell rasch rasch, kurz mal schnippeln. 

„Ich bin nicht hart, ich bin einfach grade aus.“

Siehst du uns Deutsche so?
U.M.:
 Ja, schon. In Amerika ist es normal, regelmäßig zur Maniküre und häufiger zum Friseur zu gehen und dafür mehr Geld auszugeben. Und weißt du, was das ist? Das ist das Selbstbewusstsein! Mein Gesicht ist das Bild und die Haare sind der Rahmen. Du schaust den Leuten immer zuerst ins Gesicht, nicht auf die Füße, und da sind die Haare auffälliger als die Klamotte. Ich finde, in der Schule müsste es wieder ein Fach geben, wie gutes Benehmen und Schönschreiben. Und es wird auch dort viel zu weichgespült gesprochen, wir müssen die Dinge einfach öfter mal beim Namen nennen! Jeder macht Fehler, aber statt immer ne Ausrede zu haben, sag ich immer: Einfach auf den Punkt kommen und sagen „Ja, stimmt, war falsch, mein Fehler.“ Manche sagen von mir, ich sei hart, aber das bin ich nicht, ich bin einfach grade raus.

Und sehr unterhaltsam, Ulla! Ich danke dir und sause zum Flieger

Weitere Angaben
Fotos von Ulla Maass zur Verfügung gestellt.

Stichwörter

  • Interview