27.08.2024
Samstag geschlossen und Vorabzahlung Friseurtermin – Abschied vom Traditionellen
Marco Dupré ist überzeugt, wir müssen zum Traditionellen Abstand nehmen. Das gilt auch für die Innungsarbeit und er fordert das Friseurhandwerk auf, aufs reale Leben zu sensibilisieren …
Im Gespräch mit Raphaela Kirschnick
Du bezeichnest dich als mutigen Friseur, was heißt das?
Marco Dupré: Ich bin ein kleiner Rebell und sage offen, was ich denke. Man liebt mich oder hasst mich dafür. Ich bin jetzt 32 Jahre alt, seit 7 Jahren selbstständig und habe gelernt, dass es häufig besser ist, seine Meinung zu sagen. Auch bei Kunden mache ich nicht Dienst nach Vorschrift, sondern führe so meine Gespräche. Wichtig ist immer höflich und respektvoll zu bleiben, aber halt mit eigener Meinung.
Wie gehen Kunden mit dieser Geradlinigkeit um?
MD: Man zieht ja immer seinesgleichen an. Natürlich gibt es auch Kunden, die mit meiner Persönlichkeit nicht klarkommen. Aber dafür gibt es andere Stylisten im Team, die besser zu ihnen passen. Als Salon probieren wir immer wieder neue Sachen aus, das ist wirtschaftlich mutig. Auch unser Gespräch heute, heikle Themen anzusprechen, das finde ich mutig.
"Samstags geschlossen, das hat uns auf dem Arbeitsmarkt tatsächlich attraktiver gemacht."
Ihr seid ein hochpreisiger Salon im Bahnhofsviertel in Frankfurt und habt Samstag und Sonntag geschlossen. Seit wann ist das so?
MD: Diese Überlegung trage ich seit Jahren mit mir herum. Das ist ein Learning aus Bewerbungsgesprächen, denn viele Menschen wollen samstags nicht mehr arbeiten. Auf diesen Zug bin ich aufgesprungen. Seit 1. Januar 2024 ist samstags geschlossen und das hat uns auf dem Arbeitsmarkt tatsächlich attraktiver gemacht.
Wie habt ihr Arbeitszeiten verteilt?
MD: Wir haben den Montag anstelle des Samstags geöffnet, das funktioniert hervorragend. Das haben wir unseren Kunden klar kommuniziert, es hat auch jeder verstanden. Termine werden nun unter der Woche gebucht und das geht gut, denn unsere Kunden bauen Überstunden ab, haben Homeoffice, arbeiten insgesamt weniger Stunden. Wenn sie zum Arzt müssen, dann kriegen sie das auch unter der Woche hin, warum also nicht den Friseur?
Wie schaut die Bilanz des ersten Halbjahrs aus?
MD: Unser Umsatz hat sich sogar noch erhöht. Denn wir haben jetzt den großen Vorteil, dass wir an einem ganzen Montag mehr Strähnen / Balayage-Behandlungen durchführen können. Am kürzer geöffneten Samstag ging sich häufig nur eine aufwendige Technik pro Mitarbeiter aus. Jetzt machen wir zwei bis drei.
"Ich gehe davon aus, dass wir in wenigen Jahren jeden Friseurtermin vorab zahlen lassen."
Ebenfalls zeigt ihr sehr prominent eure Stornierungsregeln. Ist No-Show noch immer ein großes Problem?
MD: Das ist ein sehr frustrierendes Thema. Wer innerhalb von 24 Stunden absagt, muss den Termin bezahlen. Es gibt auch keine Ausreden, denn wir senden vorab Erinnerungsmails, SMS, etc. Außerdem leisten Kunden ab 150,00 € eine Anzahlung, zusätzlich muss jeder Termin online gebucht werden, so haben wir alle Daten. Ich gehe davon aus, dass wir in wenigen Jahren jeden Friseurtermin vorab zahlen lassen.
"Ich zeige mit dem Finger aber nicht nur auf Barbershops..."
Zum Thema Schwarzarbeit, wie machen dir in Frankfurt die ‚Billigsalons‘ zu schaffen?
MD: Es ist in Frankfurt genau wie überall und ich gehe so weit zu sagen, dass schwarze Schafe in der Überzahl sind. Es gibt immer mehr Salons, wo man sich fragen muss, ob dort ein Meistertitel dahintersteht, ob es eine Kasse gibt oder wo nach 23 Uhr noch hinter verdunkeltem Schaufenster gearbeitet wird.
Ich zeige mit dem Finger aber nicht nur auf Barbershops, denn ich kenne auch einige andere Salons, die ihre Mitarbeiter schwarz zahlen.
"Der Herrenhaarschnitt ... sollte mindestens 50 € Euro kosten, egal, ob auf dem Land oder in der Stadt."
Welche Lösungsansätze siehst du?
MD: Es machen noch immer zu viele Salons auf, in denen der Herrenhaarschnitt 13 € kostet. Der sollte aber mindestens 50 € Euro kosten, egal, ob auf dem Land oder in der Stadt. Die Bedingungen, einen Salon zu eröffnen, müssen verschärft werden. Die Elektronische Kassenpflicht sollte viel stärker geprüft werden. Billigsalons sind leider in der Überzahl, tun der Branche allgemein nicht gut, denn die ziehen das Image immer wieder runter.
"Es gibt viele Menschen beim Hauptzollamt und der Polizei, die dafür ihre Gehälter erhalten und es ist deren Aufgabe, da richtig hinzuschauen und ihre Arbeit zu machen."
Hast du schonmal Unregelmäßigkeiten bei Finanzpolizei oder Zolldirektion gemeldet?
MD: Also ich habe schon ein paar Mal bei der Handwerkskammer angefragt, ob da tatsächlich ein Meistertitel hinterlegt ist. Das ist aber auch das einzige. Ich bin kein Fan davon, Kollegen anzuschwärzen. Ich würde mich das auch nur anonym trauen, dazu muss man wissen, dass in Frankfurt teilweise Clans dahinterstehen.
Es gibt viele Menschen beim Hauptzollamt und der Polizei, die dafür ihre Gehälter erhalten und es ist deren Aufgabe, da richtig hinzuschauen und ihre Arbeit zu machen.
Wie siehst du da die politischen Aktivitäten?
MD: Das Gleichgewicht Friseur und Politik ist nicht ausgewogen. Ich habe schon das Gefühl, dass wir als Branche oft im Stich gelassen werden. Es muss viel mehr und monatlich kontrolliert werden. In Frankfurt sehe ich nie Kontrollen.
"Mit der Rechtfertigung der Schwarzarbeit in der Tasche, gehen viele aus der Ausbildung raus."
Was können wir innerhalb der Branche dagegen unternehmen?
MD: Es müsste bereits in der Ausbildung und Meisterschule für die Auswirkungen der Schwarzarbeit sensibilisiert werden. Bei vielen wird es gut geredet, weil die Tariflöhne noch immer so niedrig sind. Mit dieser Rechtfertigung der Schwarzarbeit in der Tasche, gehen viele aus der Ausbildung raus.
Was würdest du dir denn von den politischen Sprachrohren, den Innungen wünschen?
MD: Ich bin kein Innungsmitglied, da ich darin keinen Mehrwert sehe und mir Innovationen fehlen. Ich sehe da nichts, wo ich denke ‚Wow, dem schließe ich mich an'.
Was würdest du gerne sehen?
MD: Tariflöhne müssen nach oben geschraubt werden! Insgesamt müssen Arbeitsbedingungen verbessert werden, da muss halt jeder im Salon bei sich selbst anfangen, die Politik könnte hier helfen, indem sie die ganzen bürokratischen Hürden reduziert.
Würdest du denn in Verbänden mitarbeiten?
MD: Ich würde mich gerne für die Weiterentwicklung der Friseurbranche zur Verfügung stellen, weiß aber nicht, wo ich anfangen soll. Meine Kontakte mit der Friseur- und Kosmetik-Innung Frankfurt waren nicht sehr fruchtbar. Es fehlt das Momentum, wir brauchen Stürmer da oben, die Tore schießen.
"Ich jüngere Menschen am Pult sehen, nicht nur die alten Herren, die sich nicht verändern wollen."
Was müsste passieren, dass du einen Mehrwert siehst?
MD: Es braucht mehr Roundtables, bei denen Tacheles gesprochen wird. Und die Innungen müssen weitestgehend modernisiert werden. Wenn man da auf manche Webseite schaut, fühlt man sich 30 Jahre zurückversetzt, da liegt viel Potenzial.
Die Räume, in denen die Auszubildenden ihre Prüfungen und Weiterbildungen machen, sind nicht attraktiv. Die Prüfungsbedingungen sind nicht mehr zeitgemäß. Ich kann die Liste unendlich fortsetzen. Aber solange ich hier keine Bewegung sehe, kann ich keinen Zuspruch geben.
Und dann möchte ich jüngere Menschen am Pult sehen, nicht nur die alten Herren, die sich nicht verändern wollen.
Bildest du aus?
MD: Ja, ich habe zwei Azubis, einen im ersten und einen im zweiten Lehrjahr. Die werden so von uns eingearbeitet, dass sie recht bald am Kunden mitarbeiten können, so bleiben sie alle motiviert. Und das tun sie zu den normalen Preisen für den Kunden. Unsere Auszubildende im zweiten Lehrjahr verdient bereits mehr als im dritten Lehrjahr üblich.
Die Schneideausbildung hast du extern trainieren lassen?
MD: Ja. Ich unterstütze Wochenseminare bei der Innung, selbst nehme ich mir einen Tag pro Woche Zeit für das Training und wir nehmen sie zu vielen anderen Seminaren mit.
Wie läuft für dich die Mitarbeitersuche?
MD: Ich habe keine Mitarbeiterprobleme, da habe ich mir ein gutes Image in Frankfurt aufgebaut. Ich bin bei der Auswahl sehr selektiv, ein Mitarbeiter hat bei uns hohe Ansprüche zu erfüllen, erhält dafür auch viel. Es gibt so viele Punkte, warum Salons keine MitarbeiterInnen finden. Die Bezahlung, schlechte Arbeitsbedingungen, man muss Abstand nehmen vom Traditionellen und Neu denken.
Dein Wunsch an die Branche?
MD: Es gibt noch so viele angestaubte Salons, die keine Lust mehr haben und nur aufs Schließen warten. Aber die jungen Leute brauchen innovative Salons, die sie weiterentwickeln. Ausbildung und Meister muss viel mehr aufs reale Leben sensibilisiert werden. Das Handwerk muss vom Traditionellen Abschied nehmen, das wird die größte Herausforderung.
Lieber Marco, ich danke dir für unser Gespräch und wünsche dir weiterhin viel Erfolg.