Friseurunternehmer Ralf Steinhoff betreibt jetzt offiziell eine Bürgerteststelle in seinem Salon | C: Steinhoff Hairdesign

30.04.2021

Ralf Steinhoff hat Corona-Bürgerteststelle errichtet

Steinhoff Hairdesign in Reutlingen ist ab sofort als offizielle Bürgerteststelle gelistet - Wie hat er das geschafft?

Als erstes privates Unternehmen in Reutlingen hat es Steinhoff Hairdesign geschafft, als offizielle Corona-Bürgerteststelle gelistet zu werden. Nach vorheriger Anmeldung – und ohne Symptome - kann sich hier jeder testen lassen. Das negative Testergebnis wird als offizielle Bescheinigung mit 24 Stunden Gültigkeit ausgestellt. Warum er das tut und wie es dazu kam, darüber haben wir mit Ralf Steinhoff gesprochen.

Im Interview mit Katja Ottiger
 

Herr Steinhoff, ich gratuliere! Nach Wochen des Wartens ist die Bürgerteststelle genehmigt und offiziell gelistet!
Ralf Steinhoff: Danke! Ja, unser Einsatz hat sich gelohnt. Das ist eine tolle Sache für die ganze Friseurbranche, denn seit Beginn der Testerei haben wir kaum Terminabsagen und der Imagegewinn ist groß.

Testen im Salon - das interessiert viele Unternehmer. Wie sind Sie das angegangen?
RS:
Da muss ich kurz ausholen. Ich war von Anbeginn der Pandemie überzeugt, dass Friseure nicht schließen, sondern maximale Hygienemaßnahmen ergreifen sollten. Deshalb habe ich auch die Petition „Nur sicher beim Friseur“ mit 11 anderen Friseurunternehmern ins Leben gerufen (►Schon 50.000 Unterschriften – Die Branche rückt zusammen). Es heißt zwar oft, Moral und Erfolg gehen nicht zusammen, aber das stimmt nicht! In meinen Entscheidungen handle ich nach unternehmensethischen Grundsätzen.

C: Steinhoff Hairdesign Reutlingen

Welche war Ihre wichtigste Entscheidung in diesem Zusammenhang?
RS:
Die Luftreiniger! Eine investitionsreiche, aber lohnende Maßnahme. Im gesamten Salon und in den Sanitärräumen haben wir hochwertige HEPA 14 Luftfilter zur 99 % -igen Ausscheidung von virenbelasteten Aerosolen installieren lassen. Wir können die Luft bis zu 9mal in der Stunde filtern, und übertreffen damit wissenschaftliche Empfehlungen. Unsere Hygieneabläufe haben wir von einer Fachkraft für Arbeitssicherheit prüfen lassen und sind konsequent. Seit März werden unsere Mitarbeiter zweimal wöchentlich getestet, was diese zu 100 Prozent mittragen. Und wir haben die „Luca -App“ eingeführt, auch ein kluges Tool, die Pandemie in den Griff zu bekommen.

Ihre Mitarbeiter werden in Ihrem Salon getestet?!
SR: Richtig! Unsere Mitarbeiter sind geschult, Antigentests auf SARS-CoV-2 vorzunehmen und können sich gegenseitig testen. Wissen Sie, ich habe mich immer an Österreich orientiert. Als dort Anfang Februar die Testpflicht eingeführt wurde, war mir klar, dass diese auch bei uns kommen könnte.

Wo haben Sie Ihre Mitarbeiter schulen lassen?
RS: Die Bürokratie hatte mir einige Hürden in den Weg gelegt. Anfangs habe ich niemanden finden können, der uns hätte schulen können und an Schnelltests bin ich nicht herangekommen, weil dies nur für medizinisches Personal vorgesehen waren.

Wie haben Sie das gelöst?
SR:
Ich bin pragmatisch: Das Virus wütet und wartet nicht auf Verordnungen. Ich habe beim DRK in Tübingen anrufen und eine Schulung für meine Mitarbeiter vereinbart. Vom DRK bekam ich auch die ersten 200 Tests.

Welche Schnelltest bieten Sie an?
SR:
Nasale Schnelltests, die 2 cm in die Nase eingeführt werden. Wir können diese ohne Anwendungsfehler ausführen, was wichtig ist, denn sonst wäre diese schöne Instrument Schnelltest kaputt.

„Wir können jaulen, dass die Umsätze runter gehen, oder einfach etwas dagegen tun.“

Wie haben Sie die offizielle Teststelle aufgezogen?
SR:
Als die Testpflicht in Baden-Württemberg kam, hatten sich an den ersten Teststellen in Reutlingen lange Schlangen gebildet, was eine weitere Barriere für unsere Kunden war. Die Testpflicht ist Umsatzkiller! Aber wir können jaulen, wenn Umsätze runter gehen, oder einfach etwas dagegen tun.

Ihr Ansatz?
RS:
Die Testungen auch für Kunden anzubieten. Das ►Tübinger Modell hatte gestartet und ich fand das toll, also habe ich mich mit Oberbürgermeister Boris Palmer in Verbindung gesetzt.

Was war ausschlaggebend für die Testrecke?
RS:
Laut Baden-Württembergischer Corona-Schutzverordnung kann Testungen anbieten, wer die Voraussetzungen erfüllt. Wer sich dafür beim Gesundheitsamt bis 31.3. angemeldet hatte, war zunächst automatisch für eine Teststrecke beauftragt. Ich habe beim Gesundheitsamt ein 25 Seiten umfassendes Test-Konzept eingereicht. Die Anforderungen an unsere Teststrecke sind die gleichen, wie an jede andere öffentliche Teststraße. Von solchen Fragen, welches Fabrikat beispielsweise unsere Umhänge und Handschuhe haben, darf man sich nicht schikaniert fühlen. (lacht). Das Genehmigungsverfahren hat einige Wochen gedauert. Ich war immer optimistisch, weil auch der Leiter des Ordnungsamtes die Idee gut fand und jede Teststelle begrüßt.

“Ein Schnelltest suggeriert: Gehen Sie entspannt zum Friseur und machen Sie von Corona Urlaub.“

Ihre Kunden können sich bei Ihnen testen lassen. Ist das gratis?
SR:
Ja, die Kosten für die Tests und unsere testende Fachkraft tragen wir selbst. Wir freuen uns, keinen Umsatzeinbruch zu haben. Denn ein Schnelltest suggeriert Kunden: Gehen Sie entspannt zum Friseur, machen Sie von Corona Urlaub! Wir geben Geborgenheit und Normalität zurück.

Warum musste es gleich eine Bürgerteststelle sein?
RS:
Ich sehe uns Friseure als Teil der Lösung, aber wir dürfen nicht pleitegehen, weil wir Hygienemaßnahmen einhalten. Wir müssen wirtschaftlich agieren. Die Testungen sichern eine Auslastung von 85 Prozent, aber das Testen am Kunden kostet 15 Minuten unserer Zeit. Mit der offiziellen Bürgerteststelle kann ich die Tests mit der kassendienstlichen Vereinigung abrechnen. Das sind 18 Euro pro Test.

Wie schaut die Testrecke in der Praxis aus?
RS: Wir haben unsere La Biosthetique - Kosmetikkabine in eine Hygienekabine umgebaut, mit ausreichend Platz zum Testen und Aufbewahren der Schutzausrüstungen, Masken und Desinfektionsmittel. Bei der Planung bin ich immer davon ausgegangen, dass ein „Positiver“ im Laden sein könnte. Wir haben viel Platz im Salon und eine „Straße“ eingerichtet, der man, mit ausreichend Abstand zu den Bedienplätzen, bis zur Teststrecke folgen kann.

Eine eigene Fachkraft testet in der Hygienekabine | C: Steinhoff Hairdesign

Tragen Sie beim Testen Schutzkleidung?
RS:
Natürlich, das ist vorgeschrieben. Wir haben einen Schauspieler eingestellt, der im Moment ja auch weniger zu tun hat. Er wurde ebenfalls eingeschult und macht das Testen mit Spaß und guter Laune. Das kommt bei den KundInnen gut an. Solange er in seinem Testraum ist, steckt er in einer kompletten Schutzausrüstung und sieht aus wie ein Mondmensch.

Was, wenn jemand positiv getestet wird?
RS: Für den Fall, dass jemand positiv getestet wird, nimmt sich der Mitarbeiter, der den Kunden bedient hätte, Zeit für denjenigen und versucht Ruhe zu vermitteln, ein Schnelltest ist ja noch kein PCR! Der Mitarbeiter bekommt eine Schutzausrüstung, der Kunde eine FFP2 Maske und Schutzvisier und wird nach draußen begleitet. Dafür sind unsere Mitarbeiter geschult und in unserem Konzept, das in einer extra Schublade liegt, ist die Vorgehensweise jederzeit nachzulesen.

Keine Angst, dass es zu Übertragungen kommen könnte?
RS: Mit dem Virus ist es wie mit einem Schlangenbändiger: Der wird nicht gebissen, weil er weiß, wie man damit umzugehen hat. Aber ja, ein Restrisiko bleibt immer.

Würden Sie Ihre Idee der Teststrecke weiterempfehlen?
RS: Da muss ich differenzieren: Ich kann nicht in jedem Salon irgendwo in der Nase bohren, das wäre epidemiologisch nicht zu verantworten, allein schon wegen der Aerosole. Ein Weg nach vorn könnte es sein, ein Zelt vor dem Geschäft aufzubauen oder mit Apotheken in der Nähe zusammenzuarbeiten. Es ist wichtig, sich in den Kunden hineinzuversetzen und zu überlegen, was er braucht. Ich bin kein Hobbyvirologe, aber ich möchte den Virus bekämpfen, denn die Pandemie ist 2021 längst nicht zu Ende.

Mit Blick auf das Virus - was wünschen Sie sich?
RS:
Dass die Menschen eine andere Einstellung zu den Dingen und den Umgang mit dem Virus entwickeln. Und dass Medikamente zur Long Covid Bekämpfung in Einsatz kommen. Dann wäre auch Schluss mit den Existenzängsten und der Bürgerspaltung. Auf der einen Seite haben wir Gewinnmaximierer und auf der anderen die, die Moral predigen. Die Kunst ist, beide Wertsysteme zu vereinen. Mit strategischer Klugheit abwägen, die richtigen Dingen zu tun und nicht an den falschen Stellen pedantisch zu sein.
 

Über Steinhoff Hairdesign:

  • 1 La Biosthetique Salon in Reutlingen, Geschäftsführer: Astrid und Ralf Steinhoff
  • 12 Mitarbeiter, 3 Auszubildende
  • www.friseur-reutlingen.de