Credit: Katharina Walker

24.07.2024

Neu als Obermeisterin: „Eine Innung muss mehr bieten, als nur Infos weiterzuleiten!“

Sie ist jung, progressiv und nun auch Obermeisterin. Katharina Walker sah in ihren Anfängen als Unternehmende keinen Sinn in einer Innungsmitgliedschaft, bis sie die Notwendigkeit empfand, Missstände nicht mehr nur innerhalb des Teams zu äußern!

Ein Interview über die Zukunft des Friseur-Handwerks, neue Zugänge der Innungsarbeit und einer neuen Ära für Friseur*innen.

Katharina Walker im Interview mit Juliane Krammer

Katharina, du führst deine Frisier-Bar in Würzburg und bist zudem Obermeisterin der fusionierten Innungen Bad Kissingen, Würzburg und Main-Spessart. Wie kam es dazu? Katharina Walker: Es ist wichtig, sich zu engagieren, deswegen beschloss ich vor vier Jahren, eine Innungsversammlung zu besuchen. Ich war damals noch kein Innungsmitglied und konnte den Sinn dahinter nicht sehen - so wie viele andere auch …

Die erste Innungsveranstaltung: "Das ist aber traurig hier."

Welchen Eindruck hattest du bei deiner ersten Innungsveranstaltung?          
KW:
Ich dachte mir: „Das ist aber traurig hier.“ Es waren, inklusive mir, nur fünf Personen anwesend. So kam ich aber mit dem Vorstand schnell ins Gespräch. Infolge wurde ich von unserer ehemaligen Obermeisterin immer wieder zu Veranstaltungen eingeladen und Leuten vorgestellt.

War die Fusion der drei Innungen schon länger geplant?
KW:
Das hat sich im letzten halben Jahr ergeben. Wie auch viele andere Innungen hatten Main-Spessart und Bad Kissingen das Problem, Stellen nicht besetzen zu können. Wenn keiner bereit ist, ehrenamtlich in der Innung tätig zu sein, droht die Auflösung. Die aktiven Mitglieder der Innungen wollten diese unbedingt erhalten und so wurden Würzburg, Bad Kissingen sowie Main-Spessart zusammengelegt.

Der Vorstand ist in ausschließlich weiblicher Hand, welche Dynamik nimmst du hier wahr?
KW:
Es ist toll mit diesen Frauen zusammenzuarbeiten. Die gegenseitige Unterstützung und das entstandene Netzwerk sind eine absolute Bereicherung. Aber klar, je mehr engagierte Mitglieder wir haben, umso besser, egal welchen Geschlechts!

"Landesinnungsverbände, der Zentralverband, … müssen mit den Infos und Wünschen der Unternehmen gefüttert werden und die lokale Innung kann ich als Sprachrohr nutzen."

Du hast gesagt, dass du zu Beginn deiner Selbstständigkeit keinen Sinn einer Innungsvertretung erkannt hast, wann kam es zum persönlichen Mind-Shift?
KW:
In Pandemie-Zeiten habe ich mich gefragt, wer das Sprachrohr für uns Friseur-Unternehmenden ist. Da waren die Landesinnungsverbände, der Zentralverband, … und ich dachte mir: Die Personen dahinter müssen mit Infos und Wünschen der Unternehmen gefüttert werden. Ich wollte die lokale Innung als Sprachrohr nutzen.

Du bist jung, tätowiert, weiblich – ein Bild, das in Köpfen vieler momentan nicht das „klassische Innungsmitglied“ repräsentiert. Hat es für dich Hürden gegeben?
KW:
Diese Frage wurde mir schon sehr oft gestellt und ich kann nur betonen, dass das niemals Thema war - im Gegenteil: Alle fanden es gut, dass ich Teil der Innung bin. Es öffnet Türen für andere, progressivere Unternehmen.

"Eine Innung muss sich heute anders aufstellen und mehr bieten, als einfach nur Informationen zu veröffentlichen oder Briefe vom LIV weiterzuleiten. Jeder kann sich die Infos einfach im Internet holen."

In unserer Community gab es oftmals rund um das Thema „Innung“ Meinungen, wie „verkrustete Strukturen, die nicht aufgebrochen werden können“, deswegen verzichten sie auf Mitgliedschaften. Wie siehst du das?
KW:
Es wird für mich als Obermeisterin bestimmt mühsame Situationen geben. Es sind auch genügend alte, starre Strukturen vorhanden, weil viele Innungsmitglieder um vieles älter sind. Eine Innung muss sich heute anders aufstellen und mehr bieten, als einfach nur Informationen zu veröffentlichen oder Briefe vom LIV weiterzuleiten. Jeder kann sich die Infos einfach im Internet holen.  

"Viele wollen, dass etwas geleistet wird, sind aber nicht bereit, sich auf Neues einzulassen. Das sind der Knackpunkt und die Herausforderung."

Was sind deine persönlichen Ziele als Obermeisterin?
KW:
Die Kommunikationskanäle ausweiten! Man muss Social Media verstehen und besser nutzen. Dazu braucht es jüngere Leute und deswegen will ich unbedingt neue Betriebe als Mitglieder erreichen. Ich bin guter Dinge und sehe das vorhandene Potenzial. Die jungen Leute haben Bock, sich zu engagieren. Für mich gilt es, den Spagat zu schaffen und die bestehenden Innungsmitglieder trotzdem noch zu erreichen. Viele wollen, dass etwas geleistet wird, sind aber nicht bereit, sich auf Neues einzulassen. Das sind der Knackpunkt und die Herausforderung. Meine Aufgabe sehe ich darin, die Innungsarbeit transparenter zu gestalten. Viele wissen nicht, was dort passiert, dass wir das ehrenamtlich machen, aber auch noch im Salon arbeiten. Ich möchte mehr Wertschätzung gegenüber Innungsmitgliedern schaffen und das große Plus „Netzwerk“ nach außen tragen.

"Viele haben nur die Möglichkeit, Missstände untereinander im Team zu besprechen. In der Innung kann ich mir Gehör verschaffen und andere zum Diskutieren einladen."

Hand aufs Herz: Einen Salon zu führen und auch noch ehrenamtlich als Obermeisterin tätig zu sein, klingt nach jede Menge Arbeit …
KW:
Ich interessiere mich für sehr viele Themen, für andere Menschen und Salons. Der Austausch mit Kollegen und Kolleginnen ist großartig und wenn ich dann noch weiterhelfen kann, ist das ein schönes Gefühl. Außerdem bin ich sehr neugierig und über die Innung erfahre ich Nachrichten schneller. (lacht) Ich fahre gern auf Tagungen, knüpfe Kontakte und freue mich, dass meine Meinung gehört wird. Viele haben nur die Möglichkeit, Missstände untereinander im Team zu besprechen. In der Innung kann ich mir Gehör verschaffen und andere zum Diskutieren einladen.

Bewerbungen: "Das Interesse am Friseurberuf wird wieder größer und das Berufs-Image besser."

Wie siehst du die Zukunft des Friseurhandwerks?
KW:
Wir müssen neue Wege einschlagen, um uns längerfristig auf dem Markt zu beweisen. Trotzdem sehe ich eine gute Zukunft vor uns. Das Friseurhandwerk wird wieder mehr geschätzt. Ich verspüre einen Aufschwung. Auch im Hinblick auf Bewerbungen. Ich bekomme viel mehr als die Jahre zuvor. Das Interesse am Friseurberuf wird wieder größer und das Berufs-Image besser.

Woran liegt das deiner Meinung nach?
KW:
Instagram ist voll mit Haar-Videos. Egal, ob Friseur oder Kunde – wer sieht die nicht gerne an? Es erkennen viele die kreative Arbeit dahinter, man kann sich künstlerisch austoben. Ich hätte mehr Azubis einstellen können, jedoch möchte ich der Aufgabe als gute Ausbilderin gerecht werden, denn der Nachwuchs fordert mittlerweile sehr viel.

Inwiefern?
KW:
Azubis wollen am liebsten jeden Tag Modelle machen und täglich etwas Neues ausprobieren. Ich finde, das ist eine gute Entwicklung.

Was kann die Innung für den Nachwuchs tun?
KW:
Viele Salons setzen auf Spezialisierung. Wir wollen als Innung den jungen Leuten für ein geringes Entgelt bzw. gratis Seminare von Top-Leuten anbieten. Wir als Ausbildungsbetrieb, aber auch Innungsmitglieder müssen für die Azubis zugänglich sein, denn sie haben viele Fragen.

Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für die Zukunft!

Katharina Walker führt ihre Frisier.bar in Würzburg mit insgesamt 4 Hair-Stylistinnen und 4 Azubis.