20.09.2024
„Mitarbeiterbindung ist immer etwas Gegenseitiges“
Fachkräftemangel und veränderte Bedürfnisse von Bewerbern und Mitarbeitenden. Für Salonbetreiber wird es zunehmend schwieriger neue Talente zu gewinnen und langfristig zu binden. Friseurunternehmerin Sylvia Knapp erklärt, wie es trotzdem gelingen kann.
Lange schon suchen nicht mehr Unternehmen ihre Angestellten aus, sondern umgekehrt. Der harte Wettbewerb veranlasst viele zum Umzudenken. Sylvia Knapp aus Köln führt seit knapp 20 Jahren erfolgreich ihren Salon „SchnittTalente“ und gibt Ihr Wissen zum Thema „Mitarbeiterglück – Mitarbeitergewinnung und -bindung“ an Unternehmen und Friseurbetriebe weiter.
Durch gezielte Maßnahmen schafft sie es in ihrem eigenen Salon nicht nur auf 30 bis 40 Bewerbungen pro Stellenanzeige zu kommen, sondern erreicht auch eine deutliche Steigerung in ihrem Gewinn und Umsatzwachstum.
Im Gespräch mit Tatjana Koenen erzählt Sylvia Knapp, wie eine moderne Salonführung aussehen kann, die die Bedürfnisse der Mitarbeitenden in den Mittelpunkt stellt – ohne dabei die Wirtschaftlichkeit zu vernachlässigen.
Was ist Glück für Sie?
Sylvia Knapp: Glück ist oft die Folge einer Veränderung oder einer Handlung. Wenn sich am Markt viel bewegt, und das tut es ja aktuell, siehe Fachkräftemangel, demografischer Wandel, oder auch die veränderten Bedürfnisse der Mitarbeitenden, dann muss ich mich mitbewegen, um langfristig erfolgreich zu sein und glückliche Mitarbeitende zu haben. Habe ich glückliche Mitarbeitende, führt das zu meinem eigenen Glück – nämlich Unternehmerglück.
Was machen Sie, um neue Mitarbeiter zu gewinnen?
SK: Im ersten Schritt geht es darum MICH als attraktiven Arbeitgeber zu positionieren. Das ist die Grundvoraussetzung, um neue Talente zu gewinnen. Dazu entwickele ich zunächst ein individuelles „Employer Branding Konzept“ und bestimme, wie ich auf dem Arbeitsmarkt wahrgenommen werden möchte. Daraus formuliere und gestalte ich dann eine zielgerichtete Stellenanzeige.
Wie binden Sie Ihre Mitarbeiter langfristig an sich?
SK: Mitarbeiterbindung ist immer etwas Gegenseitiges, sie kann nie einseitig funktionieren. Um binden zu können, muss man sich Zeit nehmen und seine Mitarbeitende erst einmal kennenlernen. Das mache ich in Form von Teamevents, Einzelgesprächen oder regelmäßigen Teammeetings zum gegenseitigen Austausch. So entsteht eine offene Feedback-Kultur, bei der jeder die Möglichkeit bekommt, Themen offen anzusprechen, ohne bewertet zu werden. Dadurch höre ich heraus, was Mitarbeitende glücklich und zufrieden macht und was ich konkret dafür tun kann, um das Team noch mehr zu stärken.
Welche Anreize sind dabei wichtig?
SK: Materielle Anreize sind wichtig, aber nicht essenziell, um ein glückliches Team zu haben. Für mich sind zwei Bereiche ausschlaggebend: natürlich geht es um Gehalt und materielles Gut. Ich biete meinen Mitarbeitenden zum Beispiel monatliche Umsatzbeteiligungen in den Bereichen Dienstleistung und Verkauf, sowie Prämien an. Aber sehr viel wichtiger ist das Thema der Führung, und dass diese nicht mehr die ist, die sie mal war.
Also weg vom „klassischen Führungsstil“?
SK: Ganz klar Ja! Ich fungiere in meinem Team mehr als Coach und Mentor und nicht als „Ober-Chefin“, so wie das früher vielleicht einmal war. Das Geheimnis ist die Balance aus einer erfolgs- und menschenorientierten Führung, die in glücklichen Mitarbeitenden endet.
Was hat sich in vergangen Jahren verändert?
SK: Viele Unternehmer glauben, dass Mitarbeitende ihren Job kündigen, weil sie wo anders mehr verdienen, oder dass man sie nur mit materiellen Dingen oder mehr Gehalt bindet. Das ist nicht ausschließlich so!
Die Bedürfnisse der Mitarbeitenden haben sich verändert. Sie möchten Verantwortung übernehmen, in Entscheidungsprozesse eingebunden werden und aktiv am Erfolg des Unternehmens mitwirken. Wir führen den Salon gemeinsam, was jedem Einzelnen ein unternehmerisches Bewusstsein verleiht. Daraus entsteht nicht nur ein wertvolles Teambuilding, sondern eine Gemeinschaft, die Freude und Spaß für das gesamte Team bringt – und auch für mich als Führungskraft. Selbst wenn ich aufgrund meiner Coaching-Tätigkeiten länger abwesend bin, führt mein Team den Salon weiter in meinem Sinne. Die finanzielle Verantwortung sowie die endgültigen Entscheidungen in diesen Belangen verbleiben selbstverständlich bei mir.
Und darüber hinaus?
SK: Ich habe ein Angebot entwickelt, auf das meine Mitarbeitenden zugreifen können. Zum Beispiel Jobrad-Leasing, zusätzliche Zahlungen in die Altersvorsorge, steuerfreie Gutscheine, individuelle Weihnachtsgeschenke, außergewöhnliche Teamevents wie Wochenendausflüge mit Übernachtung oder Kanu- oder Rennradfahren, Einzelgespräche, überhaupt viel Kommunikation.
Wie rechnet sich das für Sie?
SK: Klar sind Zusatzleistungen ein Kostenfaktor, aber das, was ich am meisten investiere, ist Zeit. Ich arbeite mittlerweile mehr am und weniger im Unternehmen. Vor sechs Jahren hatte ich über 40 Stunden pro Woche am Kunden gearbeitet, heute sind es nur noch 6-8 Stunden. Weder mein Umsatz noch mein Gewinn haben sich dadurch negativ verändert, weil gleichzeitig die Motivation und Zufriedenheit meiner Mitarbeitenden gestiegen ist. So auch die Umsätze! Weniger Fehlzeiten, weniger Fluktuation.
Mitarbeiterentlohnung spiegelt sich im Preis wider. Viele Friseure haben aber ein Problem über Wertigkeit und Preise zu sprechen. Wie gehen Sie und Ihr Team damit um?
SK: Ich empfehle immer nicht in die Rechtfertigung zu gehen, sondern transparent mit dem Kunden zu kommunizieren. Mit dem Wort „Preiserhöhung“ habe ich ein Problem – ich nenne es „Preisanpassung“. Das fällt an der Kasse auch leichter zu sagen. Ich empfehle dies kalkuliert und jährlich zu tun und gleichzeitig die Gehälter der Mitarbeitenden anzupassen, die sind ja genauso mit gestiegenen Kosten konfrontiert. Das ist Wertschätzung und mir sehr wichtig! Eine Anhebung der Preise um 20 Prozent, nach zum Beispiel drei Jahren, führt am Ende eher zu Diskussionen mit Kunden, die keiner haben möchte.
Welche „Mitarbeiterglücks-Tipps“ können Unternehmen einfach umsetzen?
1. Sich Zeit für Mitarbeitende nehmen
2. Lob und Anerkennung aussprechen
3. Offene Kommunikation betreiben: regelmäßig Mitarbeitergespräche, -befragungen und Teammeetings durchführen, Feedback holen
4. Über Zahlen sprechen
5. Mitarbeitende in Erfolg und Ziele mit einbeziehen (Zielvereinbarungen treffen)
6. Möglichkeit zur Weiterentwicklung (Seminare, Workshops und Coachings)
Zur Person:
Seit fast 20 Jahren führt Sylvia Knapp erfolgreich ihr Friseurunternehmen „SchnittTalente“ mit sechs Vollzeitkräften in Köln. In den letzten sechs Jahren hat sie sich zusätzlich intensiv mit den Themen „Mitarbeitergewinnung und -bindung“ beschäftigt – mit besonderem Augenmerk auf den zunehmenden Fachkräftemangel. Zu diesem Thema hat sie das Seminar „Mitarbeiterglück“ entwickelt