Credit: Dean Keno Zill | www.deankeno.com

19.03.2019

Michael Bredtmann: vom industriell obdachlosen Trainer zum Affinage Ambassador

Mit Spannung schaut Friseurtüftler Michael Bredtmann auf die TOP HAIR Messe, denn es gibt dort Neues - auch von ihm! Blond, blond, blond, so viel sei verraten...

Wir fragen telefonisch nach - und die ihm angetraute, friseurleidenschaftliche Denise Bredtmann hört mit, kommentiert aus dem Off. Ein Talk mit imSalon's Katja Ottiger.

imSalon: Michael, vom Topakteur der Großindustrie zum Ambassador einer Großhandelsmarke! Wie das?
MB:
Das ist eine längere Geschichte. Aber der Anfang war, dass ich vor 9 Jahren auf Affinage, eine familien-geführte Friseurmarke aus England, gestoßen bin. Ich war vom Angebot und der Philosophie begeistert und habe meine Produkte umgestellt. Leider wurde ich damit ein „industriell-obdachloser“ Trainer. Das war schade.

Und du wolltest unbedingt Trainer sein? Weshalb?
MB: Weil ich Trainer-infiziert bin und Spaß daran habe mich unsterblich zu machen. (lacht)

Das nenne ich eine selbstbewusste Ansage!
MB:
Ja! Es ist toll, einen Teil von sich selbst in andere reinzubringen und sich da dann wiederzuerkennen.

Und zu dieser Unsterblichkeit kommt jetzt ein Blondierpulver á la Bredtmann.  Wie das?
MB: Auf der Suche nach einer Alternative zu Foliensträhnen habe ich vor vielen Jahren Victoria Hunter kennengelernt. Seitdem bin ich bekennender Freihandtechniker und als solcher war ich auf der Suche nach einer Blondierung, die mich glücklich machen kann. Also habe ich angefangen, mich im Netz schlau zu machen und herum zu experimentieren.

Denise Bredtmann: Er hat da diesen Spruch: Bevor ein Chemiker Friseur wird, werde ich eher Chemiker! (… ruft es von der Seite ins Telefon. Achja! Denise hört ja mit!)

MB: Es war nicht einfach eine Firma zu finden, die mich unterstützt. Denn das Marketing bestimmt - und nicht die Friseure! Vor 3 Jahren habe ich auf einer Messe Jemanden gefunden, der mir, dem Friseur, zugehört hat. Einen Chemiker, der mich in sein Labor gelassen hat. Dann ging‘s richtig los mit herumtüfteln und austesten. Die Blondierung zu verkaufen war ja gar nicht der Plan.  

Michael Bredtmann für Affinage. Credit: Markus Schmidt | mas-foto.de

Aber irgendwie kam Affinage ins Spiel…
MB:
Die waren im Zuge des deutschlandweiten Vertriebs über die Euro-Friwa auf der Suche nach einem Ambassador. Sie haben mich gefragt und ich war angetan. Ich habe ihnen auch gleich von meiner „Spirit Lights“- Freihand-Blondierung erzählt und sie waren neugierig, begeistert und entschlossen mich zu unterstützen. Denn „Spirit Lights“ machen aus einem Coloristen einen Künstler! Unsere Kunden fliegen da total drauf ab!

Denise: Victoria meinte einmal, Michael wäre der Picasso der Friseure! (lacht es aus dem Hintergrund.)

MB: Ja und? Ich sehe die Kundin als Mona Lisa und den Friseur als Da Vinci! Es macht Spaß, dabei seinen eigenen Stil zu entwickeln. So ist auch die Idee entstanden, Pigmente in die Blondierung reinzugeben. Blau, silber, braun, beige. Eine herrlich kreative Sache!

Die Verpackung ist witzig! Ein VW Bus!
MB: Ja! Der Bleach-Bus! Ein kleinerer Schuhkarton mit Allem drin, was es für die „Spirit Lights“ braucht: “Spirit-Powder“, die Masterpalette - das Bleach Board - und härtere, spezielle Pinsel. Eigentlich ist ja der Inhalt entscheidend, aber das Auge isst mit! 

Das Bleachboard! Credit: Dean Keno Zill | www.deankeno.com

Was bitte ist das Bleach Board? Das ist ja auch so eine Eigenkreation von dir...
MB: Eine Palette für den Handrücken zum Farbe anmischen, so wie ein Künstler vor der Leinwand. Die habe ich von einem Freund entwerfen und in 3D drucken lassen. Auch nur für mich. Aber plötzlich hatten andere Friseure Interesse daran. Also man sieht: Wenn Etwas Erfolg haben soll, geht es immer darum, das Herz des Friseurs zu gewinnen.

Und was hat Affinage, was andere nicht haben? 
Ich fühl mich da zu Hause! Es gibt nicht mehr viele Firmen, die familiengeführt sind.Diese Firmen entscheiden einfach anders. Die Leute um Eric Baley haben ein Friseurherz. Die hören zu und versuchen Friseure weiter zu bringen. Ohne große Verwaltung. Und überhaupt mag ich England so sehr.

Warum?
MB: Engländer sind positiver und toleranter, in England kann man kreativer sein. Sie finden alles Ungewöhnliche erstmal „interesting“ und nicht „komisch“, wie die Deutschen.

Die TOP HAIR Messe wird auch die Plattform sein, auf der Affinage das Rampenlicht sucht. Was dürfen wir denn in Düsseldorf erwarten?
MB: Affinage holt England nach Deutschland. Tracy Devine Smith auf der großen Showbühne! Und ich darf 10 Minuten lang „Spirit Lights“ vorstellen: meine eigene Blondierung! So etwas hätte ich mir nie gedacht.

Wieviel Umdenken erfordert ein Markenumstieg für dich als Unternehmer? Wie schwört man sein Team auf neue Produkte ein?
MB: Eine gute Frage! Ich weiß, wie man es nicht machen sollte!Vor 9 Jahren hatten wir eine Thailandreise gebucht. Zeitgleich aber beschlossen, Affinage aufzunehmen und unsere Mitarbeiter angehalten, ausschließlich damit zu arbeiten. Ohne richtige Einschulung! Nach unserem Urlaub waren die gar nicht gut drauf (lacht.)

Retrospektiv - dein Tipp?
MB:
Einschulen! Alte Produkte wegschließen! Von einem Tag auf den anderen umstellen und mit visuellen Hilfestellungen arbeiten, wie Tabellen für Mischungsverhältnisse hinhängen und ein Handbuch bereitlegen.

Michael und Denise mit Stopperka's Bodo Hiller | credit: Alois Müller

Michael und Denise, was brennt euch denn sonst noch unter den Nägeln?
MB:
Mir fehlt die deutsche Leichtigkeit. Wir sind gefangen in unseren Problemen und alles dreht sich um Mitarbeiter und die miese Politik. Ich möchte mich wieder mehr mit meiner Kreativität beschäftigen können.

Denise: Es macht mich traurig, dass Friseure sich nicht wertschätzen und nicht die Preise verlangen, die sie verlangen sollten. Wenn man sich nicht sicher fühlt und zu wenig Selbstwert hat, kann man auch dem Kunden nichts verkaufen.
Ich finde es nicht fair, dass Frauen zu wenig Geld verdienen, wenn sie angestellt sind und gerade Alleinerziehende für zu wenig Geld arbeiten müssen und sich keine finanzielle Unabhängigkeit leisten können.

MB: Für uns Unternehmer ist es total wichtig, das Preissystem gut durchzukalkulieren. 

Was empfiehlst du?
MB: Also ich finde es spannend von anderen Ländern zu lernen. Das erweitert den Horizont! Die Deutschen langweilen mich da manchmal.  Ich habe ein z.B. Onlineseminar in England gemacht: „Build your Salon“. Und anschließend durchgerechnet, was genau ich für eine Minute Arbeit verlangen sollte. Dafür habe ich mein eigenes Legokastensystem entwickelt.

Wie geht das?
MB:
Ich bestimme die Privatentnahmen, inklusive Steuern. Und berechne dann die Raum- und Nebenkosten, produktive und unproduktive Löhne, Weiterbildungskosten, Wareneinsatz und Werbekosten sowie Kosten für Versicherung, Pkw, Vereine & Verbände, Betriebsbedarf, Telefon ect., plus Finanzierungskosten. Von dieser Summe ziehe ich den voraussichtlichen Verkauf - 7% vom Umsatz – und den Chefumsatz ab. Das teile ich durch die produktiven Lohnkosten und erhalte einen Lohnfaktor von 4,1. Also muss ein Mitarbeiter das 4,1-fache seines Bruttolohnes erwirtschaften. Wenn ich da die Auslastung von ca. 80 Prozent und den monatlichen Umsatz -10, 5 Monate - gegenrechne, erhalte ich meinen Minutenpreis von 1 - 1,25 Euro.

Wow! Was für eine Offenlegung! Der Minutenpreis gilt für alle?
MB: Stylisten haben bei uns 1 Euro die Minute und Master-Stylisten 1,25 Euro. Nach diesem System gestalte ich wie bei einem Legokasten meine Preisliste. Aber das ist jetzt wirklich nur eine grobe Kurzfassung. Wenn ich Langeweile habe, dann mache ich mal einen Blog darüber ;) .

Natürlich! Mit euch beiden wird es nicht langweilig. Vielen Dank für euer spontanes und offenes Gespräch aus dem fahrenden Büro am Weg zur Cosmoprof!

Über Bredtmann's:

  • 2 Salons in Wuppertal | Bredtmann Eastside und Westside
  • 28 Mitarbeiter, inklusive 8 Auszubildende
  • seit 2018 Ambassador Affinage