RYF Geschäftsführer Marc Breckwoldt | Credit: Pieter Pan Rupprecht

26.04.2022

Marc Breckwoldt: Wir müssen eine Hyperinflation im Salon vermeiden

Als Mitinitiator der 7% UST Petition kämpft RYF Geschäftsführer Marc Breckwoldt für ein wichtiges Zeichen aus der Politik und die Basis, um ein gesunden der Friseurbranche zu beschleunigen und erklärt weshalb wir dennoch die Preise anheben müssen …

Im Gespräch mit Raphaela Kirschnick

Herr Breckwoldt, Sie setzen sich stark ein für die Reduktion der Umsatzsteuer auf 7%. Beschreiben Sie die aktuellen Herausforderungen!
Marc Breckwoldt:
  Aktuell sehe ich einen zu singulären Fokus auf Corona und seine Folgen, viele glauben, dass wenn Corona weg ist, auch die Probleme weg sind, das wird aber so nicht sein. Die unterschwelligen Branchenprobleme werden bleiben. Diese wurden durch Corona verstärkt und beschleunigt, Corona ist dennoch nicht schuld daran.

„Das führt zu einer massiven und ungerechten Wettbewerbsverzerrung…“

Welche unterschwelligen Probleme?
MB:
Die Friseurbranche leidet seit Jahren unter einer gesetzlichen Wettbewerbsverzerrung. Kleinstbetriebe (Umsatz unter 22.500,- €) nehmen stark zu. Diese sind von der aktuellen Mehrwertsteuer von 19% befreit. Wir sprechen hier von mittlerweile über 30.000 Betrieben, die Preise ohne 19% Aufschlag verrechnen könne, das führt zu einer massiven und ungerechten Wettbewerbsverzerrung. Jetzt kommt noch hinzu, dass in der Coronazeit der Schwarzmarkt geblüht hat.

Welche akuten Auswirkungen hat das?
MB:
Die Friseure leiden noch an schwerwiegenden wirtschaftlichen Folgen aufgrund der Lockdowns, sowie Kundenschwund aufgrund der Hygieneauflagen, Zutrittsbeschränkungen, Ängste, etc., Kapitalreserven sind aufgebraucht, viele sind noch im Überlebensmodus.

Sie zeichnen ein recht pessimistisches Bild
MB:
Ich sehe zuversichtlich in die Zukunft, denn das Friseurhandwerk hat einerseits an Wertschätzung gewonnen, andererseits steht die Branche vor einer großen Welle der Bereinigung und Konsolidierung. Es gab in den vergangenen zwei Corona Jahren bereits massive Salonschließungen.

War auch Ryf davon betroffen?
MB:
Bei Ryf haben wir 8 Salons geschlossen, einige davon haben wir zusammengelegt. Dies waren Salons, die bereits vor Corona angeschlagen waren.

Sie haben nun gemeinsam mit 4 Kolleg*innen (Gabriele und Wolfgang Pertsch, Oliver Schmidt, Heiko Schneider) eine Initiative  „Friseure brauchen Zukunft“   gestartet, mit der Forderung nach einer Reduktion auf 7% Mehrwertsteuer.
Wie kam es dazu?
MB:
Wir teilen die Meinung, dass sich die Friseurbranche in einer existentiellen Krise befindet. Es gibt unendlich viele strukturelle Verwerfungen in unserer Branche. Corona ist noch nicht vorbei, schon spüren wir die Auswirkungen von Ukraine Krieg, Inflation, indexierte Mieten steigen, Energiekosten explodieren und dann kommt der Mindestlohn.

Mit welchen Folgen rechnen Sie?
MB:
Der größte Kosten-Faktor der Betriebe sind die Personalkosten, diese werden weiter steigen. Das wird weitere Betriebe in die kleine Selbstständigkeit drängen. Notwendige Preiserhöhungen werden schwer durchzusetzen sein. Vor allem dann nicht, wenn Kleinstunternehmer diese Nachfrage ohne Preiserhöhung bedienen können.

Wie wird das langfristig den Markt beeinflussen?
MB:
Ausbildungsverträge gehen weiter massiv zurück, Unternehmen können sich das ja nicht mehr leisten. 80% der Salons haben sich bereits aus der Ausbildung verabschiedet, jährlich treten immer weniger Auszubildende an. Solange es aber außerhalb des Dualen Systems keine Möglichkeit gibt, Friseur zu werden, läuft die Branche auf einen massiven Personalmangel zu. Wir haben strukturelle Probleme und jetzt kommen kostentechnische dazu.

Haben nicht alle Branchen mit Kosten zu kämpfen?
MB:
Im Gegensatz zu anderen Branchen können wir aktuelle Kostensteigerungen nicht durch Digitalisierung oder andere Innovationen kompensieren. Im Umkehrschluss heißt das, wir müssen Preise massiv erhöhen, um weiter wirtschaften zu können. Wir brauchen politische Unterstützung und deshalb fordern wir eine Reduktion der Umsatzsteuer auf 7% , um einen faireren Wettbewerb zu ermöglichen.

„Es kann nicht sein, dass immer nur wir geben müssen…“

Mit welchen Kostensteigerungen rechnen Sie?
MB:
Die Politik zwängt dieser Branche mit dem Mindestlohn eine Kostenerhöhung von 20% auf, neben den anderen Kostensteigerungen, die wir zu schultern haben. Ich bin ein großer Verfechter von höheren Löhnen und auch höheren Preisen für eine faire Dienstleistung, aber es kann nicht sein, dass immer nur wir geben müssen. Das trifft seriöse Unternehmer. Wir brauchen eine Entlastung, um eine Hyperinflation im Salon zu vermeiden. Mit dieser Petition und der begleitenden Kampagne verschaffen wir uns gesellschaftliches und politisches Gehör.  

Ist das nicht Aufgabe des Zentralverbands?
MB:
Ich sehe uns mit dieser Aktion als Unterstützer des Zentralverbandes und wollen die Forderung, die der ZV seit Jahren stellt, mit dieser Petition untermauern. Wenn unsere Forderung Gehör findet, ist der Zentralverband der einzig legitime Ansprechpartner für die Politik.

Was kann eine Petition bewirken?
MB:
Wen wir binnen 6 Wochen 50.000 Unterschriften sammeln, dann genießen wir ein Anhörungsrecht im Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages.
Diese Petition wird aber auch die Geschlossenheit des Friseurhandwerks für eine Sache demonstrieren. Das Ganze wird eine breitangelegte Medienkampagne, unterstützt von Industrie, Großhandel, Verbänden, Salonunternehmen und allen Friseur*innen, um mit starken Botschaften in ganz Deutschland wahrgenommen zu werden.

Sind Kunden überhaupt daran interessiert?
MB:
Ich glaube, viele Kunden wissen gar nicht, mit welchen Herausforderungen wir zu kämpfen haben. Ein schöner Nebeneffekt könnte sein, dass wir bei unseren Kundinnen und Kunden ein positives Bewusstsein für kommende Preiserhöhungen schaffen. Ich bin überzeugt, dass wir viele Menschen begeistern und erreichen.

Viele Salons tun sich noch immer schwer mit Preiserhöhungen, wie wird sich diese Angst nehmen lassen?
MB:
An Preiserhöhungen wird kein Weg vorbeiführen. Wenn man offen und positiv kommuniziert, dann wird das auch vom Kunden positiv aufgenommen und verstanden. Man darf nicht vergessen, der Kunde sieht uns nicht als Branche, sondern sich selbst in seiner Beziehung zu seiner Friseurin und da müssen wir ansetzen. Friseure, die jedoch langfristig nicht mit angemessenen Preisen arbeiten, werden nicht überleben.

Kann die Senkung der Mehrwertsteuer auf 7% die Preiserhöhung unnötig machen?
MB
: Nein, die Preise werden wir dennoch erhöhen müssen, allerdings nicht so massiv, wie ohne Mehrwertsteuerreduktion. Man muss sich allerdings vor Augen halten, dass mit steigenden Preisen auch der Anspruch der Kunden steigt. Wir sind weiter gefordert, in Qualität zu investieren.

„Die Branche muss sich selbst sanieren…“

Was versprechen Sie sich langfristig?
MB:
Eine Senkung würde uns wieder finanzielle Luft für zukunftsgerichtete Investitionen geben und für einen fairen Wettbewerb sorgen. Wir müssen Perspektiven schaffen für einen guten Lohn, eine gesellschaftliche Anerkennung als Handwerk und vielleicht sind das jetzt alles Chancen. Letztendlich muss sich die Branche selbst sanieren.

Hinter dieser Initiative steckt viel Arbeit, was motiviert sie persönlich?
MB:
Nach zwei Jahren, die von der Pandemie geprägt waren, müssen wir jetzt die Weichen für die Zukunft stellen. Die Probleme, die ich hier beschrieben habe, betreffen ja ein Großteil der gesamten Branche. Mich motiviert der Zuspruch und wie positiv unsere Bemühungen von allen aufgenommen werden – von Kollegen, den Verbänden und Branchenorganisationen, aber auch von unseren Industrie- und Großhandelspartnern. Natürlich bin ich auch sehr dankbar, dass uns imSalon so großartig unterstützt. Meine Mit-Initiatoren und ich haben hier einen Anfang gemacht – gewinnen können wir nur, wenn wir uns alle gemeinsam für unser Ziel einsetzen. Gefühlt bringt dieses Thema gerade alle an einen Tisch und zeigt, ‚Hey‘ wir haben eine große, gemeinsame Aufgabe vor uns.

Die Petition ist heute gestartet, ihr größter Wunsch?
MB:
Ich ersten Schritt würde ich mir wünschen, wenn viele Branchenteilnehmer über Ihre sozialen Kanäle, Netzwerke und ihn den Salons auf unsere Kampagne aufmerksam machen und Ihre Kunden mit ins Boot holen würden. Auf unserer Webseite stehen viele Infos zum Download bereit. Ich nächsten Schritt würde ich mich natürlich freuen, wenn wirganz bald schon 50.000 Unterschriften haben und eine inszenierte Übergabe der Petition in Berlin machen könnten.

Herr Breckwoldt, ich wünsche viel Erfolg für die Petition. imSalon wird die Initiative aktiv unterstützen, denn #friseurebrauchenzukunft 

Gebt der Forderung mit eurer Stimme Gewicht   ► ZUR PETITION