Credit: Peter Giodani

05.06.2021

Lizzy Lemon: Pastell oder Peach sind unsere Einstiegsdrogen

Rosa ist das Blond bei GINGER|LEMON Hairspace… das Arbeiten im Autopiloten geht gar nicht... keine Weiterbildung ist gruslig. Gründe, weshalb es der jungen Kundschaft widerstrebt, den Friseurberuf abwertend zu sehen?

GINGER|LEMON Hairspace- ein urbanes Kleinod mit Spezialisierung auf Color und gerade deshalb Magnet jugendlichen Farbklientels. Rosa ist hier das neue Blond und die Farbpalette nicht bunt genug – ein Problem in der Mitarbeitersuche…

Im Gespräch mit Katja Ottiger
 

Lizzy, wie wird man Colorist*in?
Lizzy Lemon:
In Österreich oder in Deutschland gibt es keine Ausbildung zum Coloristen im eigentlichen Sinn, die Basis ist die normale Friseurausbildung, danach musst du dich spezialisieren.

Du hast eine Coloristen-Ausbildung in London gemacht und arbeitest ausschließlich als Colorstin?
LL: Ich kann auch schneiden, wollte mich aber immer schon in Richtung Farbe spezialisieren. Friseure sollten die Motivation haben, nicht 08/15 Friseur zu sein, sondern sich gern mit „Titeln“ umgeben. Nicht umsonst setzen Firmen auf Zertifikate wie „Master of Color Expert“. Spezialisierung ist einer der Gründe, warum England, Amerika oder Australien bei Farbe Vorreiter sind. Man lernt eben nicht mal schnell, wie Farbe funktioniert, indem man weiß, wie man eine Tube auskneift. Für einen guten Coloristen braucht es extrem viel Weiterbildung. Eine einfache Ausbildung gemacht oder der Meister reichen nicht aus. Du musst ständig und am Ball bleiben und dich fit halten..“

Lizzy Lemon und Danny van Tuijl sind GINGER|LEMON HAIRSPACE | C: Markus Wache

Wie machst du das im Speziellen?
LL: Viel lernen! Es ist wichtig, neugierig zu bleiben und das Ego beiseitezuschieben. Man hat nicht ausgelernt, egal wie viel Erfahrung man mitbringt. Wir haben dafür bei Ginger Lemon ein bestimmtes Budget und wechseln uns ab. Wenn jemanden etwas interessiert, kann er das machen. Normalerweise reisen wir mehrmals im Jahr ins Ausland, aber durch Corona haben sich viele Kurse auch auf online verlagert.

Ihr färbt vor allem „bunt“. Kommen eure Kunden mit solcher Vorstellung in den Salon oder liegt’s an der Beratung?
LL: Sowohl als auch. Unsere Standard-Klientel ist von 16 bis Mitte zwanzig. Die suchen und finden ihre Looks auf Tik Tok und in Social Media, da präsentieren wir uns klar als Creative Color Specialists. Und was du postest, bekommst du! Aber bei uns muss keiner blau rausgehen, wenn er das nicht möchte. Die meisten kommen mit klaren Vorstellungen. Bei Neukunden gibt es ein verpflichtendes Beratungsgespräch - über Haarstruktur, Farbgeschichte und Lifestyle. Manche Mädchen gehen einmal im Jahr zum Friseur und leisten sich was Großes, andere zweimal im Monat.

„Unserer jungen Kundengruppe widerstrebt es, den Friseurberuf abwertend zu sehen.“

Überhaupt fällt uns immer mehr auf, dass unsere jungen Kunden das Handwerk sehr schätzen. Dieser Kundengruppe widerstrebt es, den Friseurberuf abwertend zu sehen. Sie sitzen bei uns und wissen, dass eine gute Farbe stundenlang dauert und entsprechend kostet. Genau das ist es, was wir uns als Wertschätzung alle wünschen.

Langweilt dich „Normalo-Farbe“?
LL:
Unsere Kunden haben unterschiedliche Farbwünsche, das ist ja das Spannende: Ansatzfarbe und Farbkorrektur oder von Blond auf Grün oder zurück auf Blond. Da kannst du nie in den Autopiloten gehen. Meist beginnen Kunden mit etwas Subtilem, mit natürlichen Übergängen und dem Wunsch nach einer Balayage aus dem Bilderbuch. Dann kann es aber vorkommen, dass sie bei uns eine freaky Farbe oder einen interessanten Schnitt sehen und sich dann dort hin entwickeln. Pastelliges, Roségold oder Peach sind unsere Einstiegsdrogen. Rosa ist das Blond in unserem Salon.

Gibt es ein Zurück von Bunt?
LL:
Sicher. Für die bunten Farben nehmen wir ausschließlich die semi-permanenten Farben "PulpRiot". Das Ausgezeichnete an der Marke im Vergleich zu anderen ist, dass sie sich komplett und im selben Farbton auswaschen, sprich aus dunkelblau wird pastellblau und ist dann raus. Ansonsten setzen wir hauptsächlich auf "Faction8", der permanenten Farblinie von PulpRiot.

"Ist die Haartextur zu strapaziert, wird nicht gefärbt."

Was sind die wichtigsten Dinge bei der Farb-Beratung?
LL: Der größte Fehler ist, einfach das zu machen, was der Kunde möchte, ohne auf dessen Lifestyle, Haartextur, Stylingroutine etc. achtzugeben. Ist die Haartextur zu strapaziert, wird nicht gefärbt, möchte jemand Platinblond von Ansatz bis Spitze, aber nur zweimal im Jahr zum Friseur, raten wir davon ab etc.
Oft kommen Kunden mit der Idee von etwas. Sie sehen eine Technik oder eine Haarfarbe, die sie nicht richtig benennen können. Da sind wir als Experten gefragt. Wir müssen wissen, was ist der Effekt, den sie wünschen und was genau finden sie am Look gut? Die Technik dahinter ist zweitrangig, wir müssen wissen, was wie geht.

Was müssen ColoristInnen maßgeblich für die Arbeit bei Ginger Lemon mitbringen?
LL:
Erfahrung und Motivation. Uns ist wichtig zu sehen, dass sie sich weiterbilden. Jemanden, der 10 Jahre keine Seminare besucht hat, finden wir gruselig. Gerade beim Handwerk kann man nicht wie bei Excel sich schnell mal eine Formel googeln, wenn man die nicht kennt. Das muss man einfach können. Wir sind kein Balayage und Beach Waves Salon, bei uns dreht sich alles um moderne Farbtechniken, die ich in der Lehre nicht mitbekomme. Wir arbeiten one on one und machen keine Massenabfertigung, sondern sind von Anfang bis Ende beim Kunden. Das ist nicht jedermanns Sache und sollte unseren Bewerbern bewusst sein.

GINGER|LEMON HAIRSPACE in Wien | C: Robert Pichler

Fordert ihr Spezialisierung von euren MitarbeiterInnen?
LL:
Spezialisierung ist bei uns keine Pflicht. Wir zwingen niemanden, etwas zu machen, was er nicht möchte. Das betonen wir auch in jedem Bewerbungsgespräch. Wir schauen immer die persönlichen Stärken hervorzuheben.

Wie gestaltet sich die Mitarbeitersuche?
LL: Wir sind super ausgebucht und hätten gern ein oder zwei Leute zusätzlich. Wir haben regelmäßig Bewerber und Probetage, da passt es menschlich in den meisten Fällen. Aber auch wenn wir versuchen, unseren perfektionistischen Blick zu ignorieren, wäre es doch oft mit extremer Einschulung verbunden. Wir denken, dass einer der Gründe dafür ist, dass es in Österreich zu wenig Möglichkeiten gibt, sich im Farbbereich weiterzubilden. Große Marken bieten zwar Seminare an, diese sind aber leider oft auf den Verkauf der Produkte ausgerichtet und nicht mehr am Puls der Zeit, was die Techniken angeht.

Und selbst ausbilden?
LL:
Danny und ich haben beide den Ausbildner, aber um Mitarbeiter ausbilden zu können, muss man sich richtig freischaufeln können. Denn ein Lehrling, der nur putzt, ist auch nicht Sinn und Zweck. Die richtigen Mitarbeiter zu finden, ist herausfordernd. Wir wussten immer, dass technisch gute Mitarbeiter zu finden unsere Schwäche sein werden, aber dass es so schwierig wird, hätten wir nicht gedacht.

Über Lizzy Lemon:

  • 1 Salon: GINGER|LEMON Hairspace in Wien | gemeinsam mit Danny van Tuijl
  • 3 Mitarbeiter
  • Coloristen Ausbildung in London
  • Austrian Hairdressing Awards Gewinnerin Kategorie Presse
  • Pulp Riot Trainerin
  • @gingerlemonhair
  • https://gingerlemonhair.com/