09.03.2021
Juliette Beke: Zero Waste geht auch professionell im Salon
Lange hat Juliette getüftelt, wie sie ihr privates Zero-Waste Lebenskonzept ins Arbeitsleben übertragen kann. Jetzt hat sie einen nachhaltigen Salon ohne Plastikmüll, mit Wurmkiste und selbstgemachten Produkten
Juliette Beke eröffnet am 01.03.2021 ihren ersten müll- und plastikfreien Friseursalon mit Kosmetik. Schönheit, Entspannung und gesundes Haar, hochwertige Produkte... Das alles geht. Nur wie? Sie erzählt es Birgit Senger im Gespräch.
Wann ist die Idee geboren einen Zero Waste Salon zu eröffnen?
Juliette Beke: Friseurin bin ich ja quasi schon ewig. Während der Flüchtlingskrise vor 6 Jahren habe ich plötzlich angefangen alles, aber auch wirklich alles, in Frage zu stellen. Zu gleichen Zeit wurde ich auf Bea Johnsen, eine Pionierin der Zero Waste Bewegung, aufmerksam. Das hat mich so inspiriert, dass ich seitdem privat mit Zero Waste lebe. Im beruflichen Umfeld konnte ich Zero Waste jedoch nie so umsetzen, wie ich es im Privaten schon gewohnt war. Ich habe mich oft gefragt, wie es in unserer Branche ginge nahezu müll-, plastikfrei und mit guten Rohstoffen zu arbeiten. Die große Frage: Geht das in einer Art, die ich noch als professionell bezeichnen würde? Unprofessionelle Sachen gibt es ja zur Genüge. Ich habe dafür länger gebraucht, jetzt weiß ich: Ja, es funktioniert!
Auch ganz ohne Einbußen?
JB: Einen konventionellen Friseursalon bekommst du so nicht hin. Es gibt zwar mittlerweile Firmen, die dir viele Artikel in Glasflaschen liefern, aber bei Haarfarbe in der Alutube hört es dann meistens auch wieder auf. Eigentlich gibt es keine Firma, die mir das liefern konnte, wonach ich suchte.
Wie hast du das gelöst?
JB: Ich habe umgeschult zum Naturfriseur. Jetzt kann ich die Farben nahezu unverpackt kaufen, denn die Farben sind in Papier verpackt, was ich dann zerkleinern und in meine ►Wurmkiste tun kann.
Wurmkiste?
JB: Das ist quasi wie eine ►Kompostkiste im Haus, da ist Erde mit Würmern drin, in die kommen alle organischen Reste: Haare, Obst, Gemüsereste, Papier. Das wichtigste sind natürlich Haare.
Und dem Wurm ist egal, ob die vorher gefärbt waren?
JB: Na, das muss man schon ein bisschen abschätzen. Ich würde mal sagen, „Ja, es ist dem Wurm egal, wenn da alte Farbe drauf ist.“ Konventionell frisch gefärbte Haare würde ich jetzt nicht reingeben. Aber das ist bei mir ja auch kein Thema, da ich mit Naturhaarfarben arbeite und zur Farbvorbereitung das Haar mit einer Natronspülung säubere, bevor ich es mit Planzenstoffen, wie Indigo, Henna, Kurkuma, Leinsamen oder Walnussschalen einfärbe.
Wie schaut es mit Farbtechnik oder Aufhellung aus?
JB: Nein, Aufhellen im klassischen Sinne geht nicht. Eine leichte Aufhellung von ca. einem halben Ton erreiche ich durch ein Spray, da spielt natürlich auch die Jahreszeit und Sonne mit eine Rolle und die Kundin muss zu Hause mitwirken. Für Farbtechniken arbeiten wir mit Lowlights, Painting und Farbschattierungen.
Zero Waste bei Pflege und Stylingprodukten?
JB: Haarspray, Wachs, Shampoo, Pflege mache ich selber. Es hat etwas gedauert, bis ich meine Rezepturen gefunden hatte, so dass sie auch professionell sind. Ich verwende dazu meine eigenen ätherischen Öle, was es auch super spannend macht für meine Mitarbeiter, die mit in den Prozess eingebunden werden und sich ihre Ätherischen Öle der Woche aussuchen können. Somit ist das sowas wie ihr eigenes Produkt, das macht sehr viel Spaß.
Wie lange hält sich ein selbstangerührtes Stylingprodukt?
JB: Das ist unterschiedlich. Die Wachse zum Beispiel eine Woche, das Haarspray 2 Wochen. Wir machen kleine Mengen, das ist gar nicht so aufwendig, wie man sich das vorstellt. Es ist daher kein Problem die Zubereitung mit in den Arbeitsalltag einzubinden.
Welche Produkte kannst du den Kunden für zu Hause mitgeben?
JB: Die selbst hergestellten Produkte darf ich laut Kosmetikverordnung nur im Salon nutzen. Ohne Zertifizierung darf ich keine Produkte verkaufen. Für die Pflege zu Hause biete ich Shampooseife und Haarseifen von einer Firma aus Brandenburg und Dresden und ätherische Öle aus Österreich an.
Stellst du auch dekorative Kosmetikprodukte selbst her?
JB: Ja, alles. Das macht sehr viel Spaß und ist alles gar kein Problem. Für die Herstellung von Mascara musste ich lange tüfteln, bis ich mit dem Ergebnis zufrieden war.
Gibst du dein Wissen auch an Kunden oder Friseure weiter?
JB: Bisher fehlte mir die Zeit, aber prinzipiell kann ich mir schon vorstellen in Zukunft Workshops anzubieten.
Spielten auch organische Materialien bei der Ladeneinrichtung eine Rolle?
JB: Ja, ganz wichtig! Natürlich habe ich Friseurstühle, aber es gibt einen großen Holztisch aus heimischer Ulme, den man so schön riechen kann, wenn man reinkommt. Bei der Auswahl des Bodenbelags habe ich mich für Linoleum entschieden, der zu 90% aus Leinöl, Korkmehl, Kiefernharz, Kalksteinmehl und Jutegewebe besteht. Auch das riecht man.
Reinigungs - und Waschmittel, wie sind die verpackt?
JB: Natron, Soda und Zitronensäure kaufe ich in 25 kg Säcken, das ist für mich nichts Neues, das kenne ich ja schon seit 6 Jahren von zu Hause. Das einzige, was ich noch nicht herausgefunden habe, ist die perfekte Mischung für Spülmaschinen Taps. Da gibt es aber eine Firma, die sehr gute Tabs in Papier anbietet. Die pack ich dann aus und entsorge das Papier in meiner Wurmkiste. Die Würmer essen für ihr Leben gern Papier.
Spielt Strom und Wasser sparen auch eine Rolle?
JB: Klar, der nachhaltige Gedanke steht über allem. Mir geht es nicht nur darum, müll- und plastikfrei zu sein und reine Inhaltsstoffe zu benutzen. Welchen Strom nutze ich, wieviel Wasser verbrauche ich, wie gehe ich mit Rohstoffen um, sind wichtige Fragen. Ich hab zum Beispiel in den Wasserhähnen Ecoheads, die Wasser einsparen. Strom beziehe ich aus den Bürgerwerken, diese liefern privat gesammelten Strom, gewonnen durch Solarenergie. Ich habe ein papierloses Büro, die Lohnabrechnungen kommen per PDF.Bei mir gibt es keine Zeitungen, sondern Tratsch und Klatsch per App. Das ist mir sehr wichtig.
Wie finden das deine Mitarbeiter?
JB: Je nachdem wie konventionell zu Hause gelebt wird, ist das für die Mitarbeiter natürlich völlig neu. Ich finde es sehr spannend zu beobachten, wie sie da mitgehen. Die Umstellung geht natürlich nicht von jetzt auf gleich in Fleisch und Blut über. Die einen sind da schon ein bisschen weiter, die anderen brauchen noch ein bisschen, aber das ist doch klar.
Gibt es Friseure, die wegen des Konzeptes bei dir arbeiten wollen?
JB: Ja, den krassesten Ansturm hatte ich nachdem 3 regionale Zeitungen über uns berichtet haben. Da meldeten sich genau die Kollegen, die wie ich Zero Waste schon privat leben und die immer gestört hat, dass sie in ihrem Job nicht danach leben konnten. Genau das, was ich auch immer gefühlt hatte.
Wünschst du dir, dass ein paar Friseure nachziehen?
JB: Ja, das wäre toll.
Vielen Dank Juliette, ich wünsche Dir viel Erfolg mit deinem Zero-Waste-Salonkonzept.
Fakten zum Salon
6 MitarbeiterInnen
240 m2
6 Plätze
1 Friseursalon
2 Kosmetik Kabinen