12.07.2024
Innungsarbeit: "Schade, gerade erfolgreichere Kollegen wollen nicht mitgestalten"
Blazenka Schäfer ist Friseurunternehmerin, Trainerin, Mitglied im Innungsvorstand, Politikerin. Sie scheut sich nicht, einzutreten und wünscht sich erfolgreiche Friseurunternehmen in die Innungen.
Geboren in Jugoslawien, mit 5 Jahren nach Deutschland gekommen und später wieder weggeschickt. Allein, als 15-jährige, kam Beky dann zurück nach Deutschland, machte hier ihre Friseurausbildung „um Geld für ein Architekturstudium verdienen zu können“ und blieb dabei. Sie machte ihren Friseur-Meister, eröffnete ihren Salon, bildete aus, arbeitete als Freelancerin für Revlon Professional DACH, ist On Air Stylistin beim SWR, Dozentin in der Medienakademie ARD / ZDF, ist Mutter und aktiv in der Politik ... Wow!
Im Gespräch mit Katja Ottiger
„Aus Arbeitgebersicht fehlen uns die Gesellen.“
Beky, du hast direkt nach deiner Ausbildung, mit knapp 19 Jahren, deinen Friseurmeister gemacht. Wie denkst du heute darüber?
Beky: Aus jetziger Sicht war das viel zu früh, man hat keine Erfahrung und Meister ist man erstmal nur auf dem Papier. Ich bin definitiv dafür, dass es wieder die 3- oder 5-jährige Gesellenpflicht gibt. In dieser Zeit reift man und sammelt Erfahrung. Macht man so früh den Meister, macht man sich zu früh selbstständig. Das belegen auch die hohen Zahlen der Soloselbstständigen und Kleinstunternehmen in Deutschland. Es machen sich zu viele Junge zu schnell selbstständig. Und aus Arbeitgebersicht fehlen uns die Gesellen, weil diese jungen Leute raus aus den Salons sind.
Du hast sehr viele Jahre ausgebildet, hattest im Schnitt zwischen 6 - 10 Azubis. Warum bildest du derzeit nicht aus?
Beky: Ich mache aktuell eine Pause. Ich möchte nicht sagen, dass ich nicht mehr ausbilden möchte, das wäre der komplett falsche Ansatz! Ich bin ein sehr personenbezogener Mensch und möchte die Bedürfnisse und Forderungen der jungen Generation verinnerlichen und verstehen. Da tickt einiges anders, anders als bei mir, anders als vor 10 Jahren.
Wie ist dein Zugang?
Beky: Ich habe sehr viel Austausch, das bringt ja schon unser Beruf mit sich. Wir haben sehr junge Kunden, zwischen 16 und 18 Jahren, mit denen ich Gespräche führe. Ich versuche die andere Seite zu sehen, zu hören und zu verstehen. Und ich spreche mit den Eltern, die die Jungs und Mädels in die Ausbildung schicken. Dazu kommt der Austausch unter uns Friseuren - wie erlebt man selbst die Situation und wie erleben es die anderen, vor allem die jüngeren Kollegen?
Wenn du die die Ausbildung anschaust: Was ließe sich aktiv ändern?
Beky: Was ich definitiv ändern würde – und das hat mit Politik, übergreifend mit Bildung, mit Innung zu tun – ist, dass das alle zusammen anpacken! Ich weiß nicht, seit wie vielen Jahrzehnten die Ausbildungsordnung immer die gleiche ist. Das klassische System, die Schüler sitzen in die Schule, dann sind sie einen Tag, eine Woche im Betrieb … Das müsste man mit den Anforderungen der heutigen Generation anders gestalten. So, wie wir es vor zwanzig, vor fünfzig Jahren in Deutschland gemacht haben, ist es nicht mehr zeitgemäß.
Meine Wahrnehmung ist, dass die Jugendlichen in den Salon kommen und große Erwartungen haben. Sie möchten nach zwei Wochen Haare färben, nach vier Woche Haare schneiden. Das funktioniert nicht mit diesem vorgegebenen System. Da müssen wir an den vielen Schrauben drehen. Dafür müssen wir Fachleute heranziehen, erfolgreiche Friseurunternehmen, die sich bewusst und aktiv einbringen.
„Schade, dass Kollegen, gerade wenn sie erfolgreich sind, sich nicht einbringen (…) um Fortschritt für alle zu erarbeiten.“
Du bist im Vorstand der Friseurinnung Karlsruhe, in einer verhältnismäßig jung besetzten Innung mit einem Durchschnittsalter von ca. 40. Warum sollten Unternehmerinnen und Unternehmer, auch Kleinstunternehmende, in die Innung eintreten?
Beky: Diese Frage ist für mich die gleiche, wie die Frage, warum man wählen gehen sollte? Bei der Wahl sage ich, damit die Demokratie bleibt! Bei der Innung sage ich, damit wir gemeinsam einen Fortschritt gestalten. Gerade in Sachen der Ausbildung brauchen wir Zusammenhalt, um Fortschritt zu gestalten. Die Innung hat eine über 100-jährige Tradition, mit dem Landesinnungsverband und dem Zentralverband als unsere direkten Verbände. Nicht alle Berufsgruppen haben so etwas! Und ich finde es wirklich schade, dass Kollegen, gerade wenn sie erfolgreich sind, dort nicht mitarbeiten und sich einbringen möchten, um gemeinsam mit anderen, Fortschritt für alle zu erarbeiten. Ich selbst bin erst vor 7 Jahren in der Innung aktiv geworden. Auch wenn wir eine große Innung mit vielen Kollegen sind, brauchen wir dort junge und erfolgreiche Leute, die mit voranziehen.
In eurer Innung wurde jüngst ein neuer Fachbeitrat aufgestellt. Ist es wichtig, dass Innungen Trends herausbringen?
Beky: Ich finde es gut. Wieso sollen nicht die kleinen Innungen sich einsetzen und abbilden, wie die Trends in ihren Augen aussehen. Es ist immer ein anderer Blickwinkel, den wir hier in Deutschland haben. Jemand in Paris sieht die Mode anders als jemand in New York oder Bologna. Es muss nicht immer alles www sein, es kann auch lokal Mode gestaltet werden. Wir leben in Zeiten, in denen wir immer mehr lokal denken und lokal einkaufen. Das ist lokales Handwerk mit den Augen aus Karlsruhe und Umgebung.
„Ich sehe mich nicht als Arbeitgeberin, die von der Politik einen besseren Steuersatz braucht.“
Wir hören oft, dass Friseure mit ihren Forderungen nicht laut genug sind. Für welche ►Forderung würdest du dich einsetzen?
Beky: Konkret finde ich es schwierig, dass Friseure immer am Gleichen festhalten. Nehmen wir den Mehrwertsteuersatz: Warum sollten wir Friseure hier ausgenommen sein? Ich sehe mich nicht als Arbeitgeberin, die von der Politik einen besseren Steuersatz braucht. Ich finde andere Ansätze besser, wie dass wir vom Staat Unterstützungen bei Freibeträgen und Erleichterungen bekommen, um unsere jungen Friseure nach der Ausbildung weiter fördern zu können.
Woran denkst du da?
Beky: Aktuell haben wir alle das Problem, keine Fachleute zu bekommen. Wo kann der Staat mit seinen Leistungen hier Friseure unterstützen? Eben darin, dass, wenn man Leute aus anderen Ländern integrieren möchte, die Politik Kurse zur Verfügung stellt und nicht, dass diese teilweise selbst oder anteilig bezahlt werden müssen. Das belastet die Kasse der Unternehmen. Steuersenkungen helfen uns letztlich nicht, bessere Strukturen und mehr Personal zu bekommen.
Du hast Mitarbeiterinnen aus dem Ausland integriert?
Beky: Ja, wir sind in unserem Salon sehr international aufgestellt und haben jetzt eine weitere Friseurin aus der Ukraine und eine aus Montenegro. Nur, es dauert im Schnitt neun Monate, bis sie eine Arbeitserlaubnis bekommen. Sie dürfen in dieser Zeit nicht arbeiten. Das ist eine Bürokratie, die es uns schwer macht, Menschen, die arbeiten wollen, in die Salons zu holen. Ich bin selbst ein Flüchtlingskind und ich versuche immer, Menschen, die nicht die gleichen Voraussetzungen haben wie die, die hier aufgewachsen sind, zu unterstützen.
„Es jammern alle, nur kommen wir so nicht voran.“
Du bist politisch aktiv, hast dich in Karlsruhe als Gemeinderätin für die FDP aufstellen lassen und für den Ortschaftsrat in Neureut. Warum engagierst du dich aktiv in der Politik?
Beky: Das ist einfach: Es jammern alle, nur kommen wir so nicht voran. Ich liege abends nicht auf meiner Couch, ich stehe ich auf und versuche mitzumachen, Ideen und Forderungen zu transportieren. Ich mache das ehrenamtlich und das ist viel Arbeit. Wir nehmen die Unzufriedenheiten der Menschen ja auch im Salon wahr und ich mag mir das nicht immer nur anhören und nichts dagegen tun.
Du kandidierst für die FDP. Hast du das Gefühl, dass deine Interessen entsprechend vertreten werden?
Beky: Man muss sich selbst in einer Partei widerfinden. Und was wir hier auf lokaler, kommunaler Ebene haben, sind die Menschen, mit deren Ansichten und Zielen ich persönlich gut klarkomme.
Du hast politische Ambitionen, aber auch ein gut gehendes Unternehmen, eine kleine Tochter, hast als Fachtrainerin bei Revlon Professional gearbeitet, bist On Air Stylistin beim SWR, Dozentin in der Medienakademie. Wie schaffst du alles?
Beky: Damit das alles klappt, braucht esein intaktes Haus, sonst kann ich nicht bestehen, bei dem, was ich alles tue. Ohne meinen Mann, der mir den Rücken freihält, wäre das alles nicht möglich.
Warum arbeitest du mit Revlon Professional? Was macht diese Marke für dich aus?
Beky: Revlon begeistert mich seit einem Jahrzehnt mit durchgängig hervorragender Qualität. Durch die vielen Jahre hat sich eine sehr offene und ehrliche Kommunikation entwickelt die ich sehr Schätze
Wie siehst du Zukunft der Friseurbranche?
BEKY: Aktuell sehe ich keine klaren Ziele in der Friseurbranche. Es gibt kein Richtig und kein Falsch. Es wird in den nächsten Jahren noch spannend, wie sich Politik, Handwerk und die Kunstszene entwickeln, denn das wird sich alles auf unseren Alltag und somit auch auf das Friseurhandwerk herunterbrechen.
Über BEKY:
- 3 Salons in Karlsruhe | 14 Mitarbeitende | z.Zt. keine Auszubildenden
- Vorstandsmitglied im der Innung Karlsruhe
- freie Mitarbeiterin des SWR als On Air Stylistin in der Maske
- Dozentin Medianakademie ARD / ZDF
- aktiv bei FDP Karlsruhe auf kommunaler Ebene Gemeinderätin / Ortschaftsrat Neureut
beky.online