Credit: Matthias Herzberg

19.02.2025

Ich kann nicht Stunden reduzieren, bei gleichem Gehalt!

Immer mehr Mitarbeitende wollten den Samstag frei und reduzierten, nun hat Matthias Herzberg ein ganz neues Modell ausgearbeitet. 4 Tage, an denen der Salon 10,5 Stunden geöffnet ist, Samstag geschlossen und plötzlich arbeiten alle wieder Vollzeit.

Raphaela Kirschnick im Gespräch mit Matthias Herzberg, Geschäftsführer im Schweinfurter Artroom, 11 Mitarbeitende und 1 Auszubildender, Ambassador für Wella Professionals (artroommh.com).

Matthias, du erhältst aktuell viel PR in eurer Regionalpresse über euren Umstieg auf die 4-Tage-Woche. Wie kam es zu dieser Entscheidung?
Matthias Herzberg: Seit ca. 2 Jahren denke ich darüber nach und habe viele Gespräche mit Kolleg*innen geführt, die diesen Weg bereits gegangen sind. Viele sind so positiv, dass es mir Mut gemacht hat. Wir brauchen New Work Konzepte für unsere Mitarbeitenden. Überall wird von Home-Office oder flexiblen Arbeitszeiten gesprochen, das ist bei uns aber nicht möglich. Mitarbeitende können nicht kommen und gehen, wann sie wollen, nicht einfach zu Hause arbeiten, also möchte ich etwas anderes bieten. 4-Tage-Woche ist unsere Lösung dafür.

"Ich kann nicht Stunden reduzieren, bei gleichem Gehalt! Das rechnet sich niemals,..."

Mit welchen Vorgaben hast du dich an dieses Projekt gemacht?
MH:
Ich kann nicht Stunden reduzieren, bei gleichem Gehalt! Das rechnet sich niemals, und ich möchte ganz sicher nirgends Abstriche machen müssen und so habe ich verschiedene Optionen durchkalkuliert. Es ist aber dann eine besondere Dynamik im Team entstanden.

Welche Dynamik?
MH:
Presse und Social Media sind ja seit ein paar Jahren voll mit New-Work Themen. Vor eineinhalb Jahren kam die erste Mitarbeiterin und verlangte die 4-Tage-Woche. Für sie bedeutete das automatisch, sie macht den Samstag frei. Sie reduzierte dann von Vollzeit auf 32 Stunden, ihr war Freizeit wichtiger als das Gehalt und sie bestand darauf, den Samstag freizuhaben. Das ist ja völlig legitim. Dann folgten zwei weitere Mitarbeiterinnen mit dem gleichen Wunsch. Und als unsere Auszubildende letztes Jahr fertig wurde, fiel im ersten Gespräch über ihre Zukunft bei uns der gleiche Wunsch.

Hat man da denn noch die Wahl?
MH:
Nein, ich will sie ja nicht verlieren. In der heutigen Zeit wäre es dumm zu sagen, geh woanders hin. Plötzlich war der Samstag nicht mehr der brummende Tag. Und dann habe ich so richtig intensiv darüber nachgedacht und den Vorschlag, samstags geschlossen zu haben, gedroppt.

Und alle im Team gingen mit?
MH:
Es war ein einstimmiges, begeistertes JA! Wir haben dann alle nochmal vier Wochen darüber nachgedacht und dann einstimmig die Entscheidung dafür gefällt.

Und wie habt ihr das Salonöffnungstechnisch gelöst?
MH:
Wir haben Samstag geschlossen und die Öffnungszeiten sind von Dienstag bis Freitag 7.30 Uhr bis 18:00. Schluss um 18:00 war allen ganz wichtig, um noch den Abend genießen zu können.

7:30 finde ich prickelnd. Gibt es denn überhaupt so viele Kunden, die zu dieser frühen Zeit kommen?
MH:
Das habe ich meine Mitarbeiter auch gefragt und den Ball zurückgespielt. Ich sagte, wenn ihr wollt, dass wir so früh aufsperren, dann müsst ihr dafür sorgen, dass wir auch was zu tun haben. Und was für mich spannend war und ist, dass wir so eine ganz andere Art von Zielgruppe ansprechen. Nämlich jene Kunden, die immer abends lange arbeiten. Diese kommen nun vor der Arbeit. Auch unsere Balayage Kundinnen, die oft sehr lange sitzen, kommen jetzt um 7:30, weil sie so mittags früher fertig sind und den ganzen Tag für sich haben.

Wie habt ihr eure Kunden darüber informiert und wie waren die Reaktionen?
MH: Ich hatte ja bereits Mitarbeiter, die ihre Kunden von Samstag in die Woche gezogen haben. Da ging das erstaunlich einfach. Wir haben einen Aushang gemacht, einen Newsletter an alle Kund*innen verschickt und natürlich auch Social Media genutzt. Ich erwartete ganz viel Gegenwind, aber überhaupt nicht, im Gegenteil, viele haben das begrüßt.

Kein Kunde hat sich beschwert?
MH:
Eine einzige Dame ist an die Decke gegangen und hat uns einen wütenden Vortrag gehalten, darüber, wie wir uns so etwas als Dienstleister erlauben können. Mit solchen Leuten musst du leben. Wir haben sehr viele Neukunden gewonnen und so ist es ein Kommen und Gehen.

"Jetzt habe ich 24 Arbeitsstunden in der Woche gewonnen, ohne jemanden Neues einzustellen. Hammer!"

Was hat sich im Team geändert?
MH:
Dadurch, dass wir jetzt alle wieder zu den gleichen Zeiten arbeiten, schweißt das enorm zusammen. Wir haben ein tolles Teamgefühl, das ist richtig schön. Und weißt du was? Die Mitarbeiter, die bereits die 4-Tage-Woche mit reduzierten Stunden hatten, arbeiten alle vier wieder Vollzeit. Jetzt habe ich 24 Arbeitsstunden in der Woche gewonnen, ohne jemanden Neues einzustellen. Hammer!

Wie sind die Auswirkungen auf den Umsatz? Wie ist dein erstes Resümee nach sechs Wochen?
MH:
Wir haben echt krasse Umsatzsteigerungen von über 20 %.

"Es ist wirklich verrückt, was die Aussicht auf ein langes Wochenende psychisch im Kopf macht."

Und wie erklärst du diesen Mehrumsatz?
MH:
Du organisierst dich einfach besser an so einem langen Tag und die Leute sind motiviert und dadurch produktiver. Es ist wirklich verrückt, was die Aussicht auf ein langes Wochenende psychisch im Kopf macht.

Es gibt einige KollegInnen, die ebenfalls mit dem Gedanken spielen, Arbeitstage zu reduzieren. Was wäre dein Ratschlag für all jene?
MH:
Kommuniziert von Anfang an eng mit den Mitarbeitenden und mache auch klar, dass es sich um ein Pilotprojekt handelt. Wenn es nicht funktionieren sollte, dann muss man auch wieder zurückgehen können.

Wie sieht es eigentlich mit den Auszubildenden aus?
MH:
Wir haben eine Auszubildende, die ist 18, deswegen können wir das auch so machen. Hätte ich unter 18-Jährige, dann müssten wir da eine andere Lösung finden, da diese aus arbeitsrechtlichen Gründen maximal 8,5 Stunden am Tag arbeiten dürfen. Dann würden wir einen extra Trainingstag einlegen, aber zum Glück brauchen wir das nicht.

Lieber Matthias, ich danke dir für das Gespräch und bin gespannt, wie sich dein neues Arbeitszeitmodell langfristig etabliert.