31.08.2015
Hans Wolf: Ein Außenseiter, der nichts dem Zufall überlässt
Bevor ich mit Hans Wolf ins Gespräch komme, streife ich mit offenem Mund durch den Salon und bestaune vom großen bis zum allerkleinsten Detail alles in diesen durchgestylten Räumen. Selbst auf der Toilette ist alles durchdacht: Designer Klobürste, Chanel No5, Rosenhandcreme, Stuck-Wände, eingemauertes Toilettenpapierlager, … . Hier ist nichts dem Zufall überlassen und dennoch wirkt der Salon ungezwungen sympathisch, halt authentisch.
Zum Gespräch bekomme ich ein Tablett mit Wasser, Pralinen, Nüssen und Kaffee in der Vintage Tasse.
imSalon.de: Herr Wolf, es ist ziemlich klasse hier bei Ihnen, ein außergewöhnliches Detail jagt das Nächste, wer hat Ihnen den Salon eingerichtet?
Hans Wolf: Meine Frau und ich! (lächelt stolz) (die darauf folgenden 20 Minuten zeigt mir Herr Wolf sein Buch der Salonentstehung mit allen Skizzen.) Wir haben alles selbst designt und in Zusammenarbeit mit regionalen Designern/ Handwerkern umgesetzt, auch alle Materialien sind regional erworben.
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imSalon.de: Soviel Detail-Kreativität, schneiden Sie denn auch noch Haare?
Hans Wolf: Nein, nur noch Modelle, wenn ich unsere Mitarbeiter trainiere. Unsere Mitarbeiter werden im Wochenturnus reihum trainiert. So kommt jeder im Jahr mehrmals dran und erhält den Salonanforderungen entsprechendes Intensivtraining.
„Eine Autowerkstatt schickt Ihre Mitarbeiter ja auch nicht zur Formel1 auf Fortbildung …“
imSalon.de: Was ist für Sie Fortbildung?
Hans Wolf: (lacht) Das ist schon ein lustiges Thema. Viele Friseure verwechseln Weiterbildung mit Großevents, glauben, wenn Sie auf einer Show waren, sich massiv weitergebildet zu haben. Ich denke da ja immer „Wo lebst du denn?“! Das ist ja wie wenn eine Autowerkstatt Ihre Mechaniker zur Formel1 als Fortbildung schickt.
Ich hänge Fortbildung viel tiefer auf. Es ist nicht hochtrabend, was wir machen, aber wir nehmen uns Zeit mit mir als fachlichem Vorturner. Wöchentlich nimmt sich der Mitarbeiter, der an der Reihe ist vier Modelle pro Tag und wir überlegen, was wir machen. Das Ziel ist immer für die Frau die richtige Optik zu schaffen.
imSalon.de: Was ist denn an Ihren Anforderungen anders?
Hans Wolf: Naja, so einiges! Wir glauben nicht an Wirkweisen von Produkten, gehen lieber den Ursachen von Problemen auf den Grund. Ein häufiger Grund warum bestimmte Frisuren nicht klappen, ist die chemische und oder mechanische Überbelastung der Haare. Nur deshalb stimmt die Haarqualität nicht, deshalb gibt es Probleme mit der Haltbarkeit von Haarfarben und schlechter Optik, obwohl der Schnitt an sich vielleicht ganz gut ist.
imSalon.de: Wow, das ist aber kein gutes Zeugnis für Produkte.
Hans Wolf: Deshalb verkaufen wir auch keine.
„Geld verdienen wir mit Dienstleistung …“
imSalon.de: Wie? Sie verkaufen keine Produkte?
Hans Wolf: Nein, nicht ein einziges. Es wird uns doch viel zu viel an Produkten aufgedrängt. Unsere Mitarbeiter sollen Beraten, Schneiden, Frisieren. Das ist auf hohem Niveau schon schwer genug. Und der ganze Pflegekram, da wirkt doch nichts. Da mache ich einen Haarschnitt lieber €20 teurer und lasse das Produkt weg. Geld verdienen wir mit Dienstleistung!
imSalon.de: Das ist eine sehr gewagte Aussage!
Hans Wolf: Friseure sind ein nettes Völkchen, aber leider komplett naiv. Sie glauben blind, was die Industrie sagt.
„Friseure sollten öfters mal die INCI lesen …“
imSalon.de: Sie stellen hier ganz viel in Frage. Wie waschen und pflegen sie denn im Salon?
Hans Wolf: Wir führen eine Ansatzwäsche durch und das restliche Haar wird beim Ausspülen des Shampoos mitgereinigt. Dann geben wir eventuell eine Spülung ins Haar, die muss gar nicht teuer sein und wir brauchen auch nicht 10 unterschiedliche.
Es sind die Inhaltsstoffe die wirken. Friseure sollten öfters mal die INCI lesen, dann sehen sie ja, dass zwischen Produkten keine Unterschiede bestehen.
imSalon.de: Worauf achten Sie in der Kundenberatung?
Hans Wolf: Zum Beispiel auf ‚die klassische Haarzerstörer‘, zu häufige Chemie auf immer den gleichen Haaren. Den Irrglauben, Produkte könnten Haare reparieren. Richtige Anwendung der Chemie bei Heimbehandlungen. Wir erklären den Unterschied zwischen Tönung und Haarfarbe. Das kann auch mal die viel zu lange Einwirkzeit sein, bis hin zu Cabrio fahren. Darüber reden wir mit unseren Kunden.
imSalon.de: Wie, Cabrio fahren?
Hans Wolf: Wissen sie wie es ist für Haar bei 100 km/h? Schlage Sie ihren Pferdeschwanz 500mal mit voller Wucht vor ihnen auf die Tischkante, so ist es für Haar im Wind, kein Wunder wenn die Spitzen abbrechen (schlägt mit Hand auf den Tisch – ich verstehe).
Unsere Services sollen soweit es geht gesund sein, das Haar auch, deshalb müssen wir unsere Kundin über mögliche Ursachen im Vorfeld aufklären.
„Ein Koch kann Zutaten höchster Qualität kaufen … Wir müssen mit der Haarqualität des Kunden leben, die nicht immer die beste ist …“
imSalon.de: Ursachen, aber das ist doch nicht immer einfach?
Hans Wolf: Nein, es ist nicht wie im Restaurant. Ein Koch kann Zutaten höchster Qualität kaufen und verarbeiten. Wir Friseure können eine Basis-Haarqualität nicht kaufen. Das Haar mit dem die Kundin zu uns kommt, das ist unser Material und das sollte möglichst gesund sein, ist es aber leider nicht immer.
imSalon.de: Das ist sicher hart für die ein oder andere Kundin, gibt es da Probleme bei der Beratung?
Hans Wolf: Wir verlieren in diesem Prozess schon viele Neukunden, denn wir lehnen viele Dienstleistungen ab. Manche sind dann sehr enttäuscht, aber wir halten uns an unsere Linie. Ein Arzt mit Verantwortungsbewusstsein führt ja auch nicht eine Operation durch, nur weil Patient es will.
imSalon.de: Aber Sie färben?
Hans Wolf: Ja sicher, aber wir legen auch hier sehr großen Wert auf die Ausführung. Zum Beispiel bei Strähnen. Herkömmlich werden Strähnen einfach irgendwo angesetzt. Bei uns nicht. In tüftliger Kleinarbeit muss der/die FriseurIn die alte Strähne herausarbeiten und genau dort die Ansatzsträhne ansetzen. So vermeiden wir eine Übersträhnung und Fleckung des Haares, welches ja nur wieder zu Überfärbung führt.
imSalon.de: Welche Services bieten Sie denn insgesamt an?
Hans Wolf: Schneiden, Strähnen, Farbe, Pflanzenfarbe und a bissl Styling. Wir haben uns runterreduziert auf das, was wir gut können und verzetteln uns nicht auf anderen Ebenen. Es gibt bei uns keine Lockenwickler, keine Hauben und hoch stecken wir auch nicht, das können andere besser.
„Die Kopfhaut ist Haut und damit Sache des Hautarztes …“
imSalon.de: Nochmals zu den Ursachen! Wie sieht es mit der Kopfhaut und entsprechenden Analysen aus?
Hans Wolf: Die Kopfhaut rühren wir nicht an, das ist Sache des Hautarztes. Wie zum Beispiel fettiges Haar, das gibt es gar nicht, es gibt fettige Kopfhaut und da gibt es Ursachen, da muss der Hautarzt ran.
imSalon.de: Gibt es eigentlich schon Pläne fürs Aufhören?
Hans Wolf: Ich habe noch keinen Plan aufzuhören. Solange wir Ideen und Energie haben machen wir weiter. Meine Frau und ich sind ja jetzt in der dritten Generation Friseur und machen auch gemeinsam weiter bis wir keine Lust mehr haben.
imSalon.de: Wie sieht es für die 4te Generation aus?
Hans Wolf: Meine Tochter ist Friseurin und war die letzten 5 Jahre in San Francisco. Jetzt ist sie zurückgekommen und arbeitet in Berlin. Was sie machen wird, wir haben keine Ahnung. Mein Sohn hat zwei Fahrrad Geschäfte und vielleicht kommt dann irgendwann sein drittes Geschäft in unseren Salon hinein, wer weiß das schon.
imSalon.de: Ich staune ja noch immer über die Details und den Extra Service. Wie ist das mit den Tüten?
Hans Wolf: Jede Kundin erhält vorm Service ihre eigene Service-Tüte, diese enthält einen frischgewaschenen Umhang, frisch desinfizierten Kamm, Bürste, Kosmetikpinsel, ihre eigenen sauberen Tools. Am Abend wird alles frisch gewaschen und desinfiziert und neu verpackt.
imSalon.de: Und Leckereien gibt es auch für Jeden?
Hans Wolf: Ja, auf einem Tablett gibt es immer feine Schokoladen, Nüsse oder Kekse zum Kaffee oder Tee. Samstags gibt es Frühstück mit Laugenstange und Butter.
„Fachliches kann man trainieren, das Menschliche muss man haben …“
imSalon.de: Man spürt eine große Begeisterung auch von Seiten der Mitarbeiter, die haben mich alle angestrahlt, als ob sie mich kennen würden - Kompliment.
Hans Wolf: Das hat mit der Auswahl der Mitarbeiter zu tun! Als Chef muss man ein Gespür entwickeln. Man braucht Mitarbeiter, die gar nicht anders können als freundlich zu sein. Diese Grundeinstellung sollte allerdings angeboren sein.
Wenn man einem Mitarbeiter sagen muss „Jetzt sei ein wenig freundlicher“, na dann ist es eindeutig zu spät.
imSalon.de: Worauf legen Sie mehr Wert, auf das Fachliche Können oder die Einstellung?
Hans Wolf: Die Einstellung! Menschliche und fachliche Qualität eines Mitarbeiters ist gleichermaßen wichtig. Aber, das Fachliche kann man trainieren, das Menschliche muss man haben. Das ist mein Schlüssel zum Erfolg.
imSalon.de: Ist es für neue Mitarbeiter einfach in Ihr Salonkonzept einzusteigen?
Hans Wolf: Nein. Neue Mitarbeiter kommen 2-3 Monate nicht an den Kunden, sondern beraten, schneiden und stylen nur Modelle. Sie sammeln so Erfahrung für den Alltag der sie bei uns erwartet. Sie müssen vieles neu erlernen. Wir haben Friseure, die kamen mit 40 Jahren zu uns und mussten alles von der Pike auf lernen.
„Der Mindestlohn gehört rauf ohne Ende …“
imSalon.de Sie haben sich bei einigen Mindestlohndebatten eingebracht! Zufrieden?
Hans Wolf: Nein, denn der Mindestlohn gehört rauf ohne Ende! Die Verbandsführung, das sind ja alles nette, sympathische Menschen, die sich leider schlecht verkaufen. Das Friseurhandwerk hat es noch nie geschafft sich für gutes Geld zu verkaufen.
imSalon.de: Das fängt aber bei den Preisen im Salon an!
Hans Wolf: Genau! Kunden sind bereit mehr zu zahlen, wenn die fachliche und die menschliche Qualität stimmen. Ein Beispiel: Bei unserem Mitarbeiter Marko kostet ein Schnitt mindestens € 80 und er ist bis Dezember ausgebucht. Bei unserer günstigsten Mitarbeiterschiene €40 pro Schnitt sind nächste Woche noch Termine frei. Genau an diesem Punkt wird aus reiner Arbeit Haare schneiden, Leistung!! Kundenzufriedenheit!! oder noch besser Begeisterung: Bitte mehr davon!!
Der Service ist bei beiden Schienen der gleiche, ergo liegt es an menschlicher und fachlicher Qualität, denn der Standort, das Umfeld, der Service, alles ist gleich, obwohl es nur die Hälfte kostet.
Es ist ja nicht nur die Arbeit, die zählt, die Leistung, das Ergebnis bestimmen den Preis.
imSalon.de: Haben Sie einen Wunsch an die Industrie?
Hans Wolf: Lassen Sie mich in Ruhe!
imSalon.de: Und an die Innung?
Hans Wolf: Ich will ja jetzt nicht arrogant rüberkommen, aber ich gehe halt den eher alternativen Weg und war auch noch nie auf einer Innungsversammlung.
Aber einen Wunsch hätte ich, das wären höhere, zeitgemäßere und realere Prüfungsanforderungen. Wir haben zurzeit vier Auszubildende. Leider werden die meisten Auszubildenden heute bestenfalls nur noch angelernt, und nicht ausgebildet. Schon gar nicht so auf die Zukunft vorbereitet, dass sie gut verdienen und Ihren Lebensunterhalt auf wenigstens durchschnittlichem Niveau halten können. Es fehlen die geeigneten Lehrer, Trainer und die richtigen Ausbilder, sowohl in der Qualität wie auch in der Quantität.
In den meisten Betrieben fehlt es an sinnvollen Ausbildungs-Programmen. Es fehlt eine Vielzahl an geeigneten Modellen, einer Modellkartei und vieles mehr was man braucht um unsere Zukunft in personeller Hinsicht mit Profis zu versorgen, die diesen Namen auch verdienen!
imSalon.de: Ihr Wunsch an die Branche?
Hans Wolf: (nachdenklich, zögert) Die Branche muss sich von innen heraus erneuern, und zwar mit Leidenschaft. Das wird die Industrie und auch die Innungen nicht leisten können. Wie auch? Das müssen wir, jeder einzelne Friseur vorantreiben.
„Nicht, dass es Kollektionen gibt ist schlimm, sondern, dass sich Friseure daran halten und es einfach an ihrer Kundin umsetzen …“
imSalon.de: Wie sieht es mit Modetrends aus?
Hans Wolf: Ach immer dieser Modeschmarrn! Frühjahrskollektion, Herbstkollektion, wer braucht denn das? Viele sind da noch in Vorzeiten verhaftet. Nicht dass es diese Kollektionen gibt ist schlimm, sondern, dass sich Friseure daran halten und es einfach an ihrer Kundin umsetzen.
imSalon.de: Sie hatten im letzten Jahr der Süddeutschen Zeitung ein sehr friseurkritisches Interview gegeben. Wie war die Resonanz?
Hans Wolf: Das war das Komische: Es haben sich ca. 150 SZ-Leser, sprich Endverbraucher gemeldet und das Thema kommentiert, nur zwei Kollegen hatten auf den Artikel in der SZ reagiert. Dann druckte die Top Hair den Artikel leider in gekürzter Fassung ab. Und ich dachte mir nur, jetzt werde ich eine Lawine böser Mails und Anrufe erhalten, dachte, die Branche wird mich hassen. Aber nein, es kam nicht eine einzige Resonanz, keine, gar nichts. Auch nicht von den Innungen. Wenn wenigstens mal jemand gesagt hätte: „Mensch Wolf, das ist doch scheiße“ – nein, nichts. (schüttelt verwundert den Kopf)
imSalon.de: Naja, vielleicht haben sie doch einen Nerv getroffen, schwer zu sagen, aber sie sind anders als viele andere Salons und damit sicher auch eine Inspiration mit Ihren ganz eigenen Wegen.
Hans Wolf: Im Grunde ist es doch alles ganz einfach! Oder?
Danke Herr Wolf für diesen schönen Schlusssatz und weiterhin viel Erfolg!
Das Interview führte Raphaela Kirschnick!