Credit: Head & Hair

19.07.2024

Annejet Trumpf: "Eine halbe Stunde kostet 52 Euro!"

Annejet Trumpf führt ihren Salon in einer ländlichen Gegend. Vor vier Jahren kam der Knackpunkt: Um aus dem Stress-Modus rauszukommen, mussten die Preise rauf. Im Gegensatz zu früher rechtfertigt sie sich für diese vor der Kundschaft nicht mehr …

Annejet Trumpf im Interview mit Juliane Krammer

Annejet, du hast deinen Salon in einem kleinen Ort. Wie positionierst du dich mit deinen Preisen?
Annejet Trumpf:
Mein Salon ist in einer ländlichen Gegend und auch wenn man es nicht vermutet, sind wir im mittel- bis hochpreisigen Segment angesiedelt. Im Umkreis sind wir einer der teuersten Salons und das Ziel ist definitiv ein hochpreisiger Salon zu werden.

"Ab 2025 werden wir nach Zeitaufwand kassieren und nicht nach Geschlecht oder Alter. Auch Kinderpreise fallen dann weg."

Wie willst du das erreichen?
AT:
Als nächstes stehen bei uns genderneutrale Preise auf der Agenda. Bei der letzten Preisanpassung haben wir nur die Herren-Preise erhöht. Ab 2025 werden wir nach Zeitaufwand kassieren und nicht nach Geschlecht oder Alter. Auch Kinderpreise fallen dann weg. Eine halbe Stunde wird 52€ kosten.

"... ich muss die Preise anheben, damit ich aus dem Stress-Modus rauskomme."

Wie schafft man es in einem Dorf, das nicht einmal 6.000 Einwohner hat, so selbstbewusst Preise festzulegen?
AT:
Es war eine lange Reise. Vor 11 Jahren, als ich mich selbstständig machte, richteten sich meine Preise nach den anderen Salons in der Umgebung. Ich entschied mich damals irgendwo dazwischen zu positionieren. Vor vier Jahren ist mir bewusst geworden, dass ich für meine Arbeit und auch die meiner Mitarbeiter gutes Geld verdienen will. Gerade in der Friseurbranche ist es wichtig, gute Löhne zu zahlen. Ich habe einen großen Salon mit 13 Plätzen, wir waren damals unterbesetzt und unter Dauerbelastung. Das war der entscheidende Punkt und ich wusste, ich muss die Preise anheben, damit ich aus dem Stress-Modus rauskomme. ► Sam Schüllers Mentorprogramm hat mir hier sehr weitergeholfen und mich empowered, meine Preisliste anzupassen.

Viele Salons in ländlichen Gegenden haben Sorge davor, Preise zu erhöhen. Warum du nicht?
AT:
Ich will meinen Mitarbeitern mehr Geld bezahlen und selbst freier werden. Ich arbeite tatsächlich nur mehr 2 ½ Tage im Salon und in der restlichen Zeit kümmere ich mich ums Unternehmen, recherchiere Schulungen, schau mich um, welche Neuheiten ich im Salon aufnehmen möchte.
Unsere meisten Kunden kommen gar nicht aus Ebstorf direkt, sondern von weiter her.  Von Uelzen, Lüneburg bis Hamburg nehmen diese den Weg zu uns auf sich. Viele freuen sich darüber, dass sie einen Parkplatz direkt vor der Salon-Tür haben. Einige Kunden aus dem Dorf sind da etwas schwieriger.

Inwiefern?
AT:
Häufig gab es die Situation, dass an der Kasse gefragt wurde: „Seid ihr schon wieder teurer geworden?“ Mittlerweile antworte ich mit einem klaren „Ja“. Sie haben die Wahl, entweder möchten sie ihr Geld bei mir bezahlen oder sie können sich einen anderen Salon aussuchen. Ich bin da auch niemandem böse, denn für mich muss es irgendwie nach vorne gehen. Früher war das anders, da habe ich versucht, mich zu rechtfertigen, warum das so ist.  

"Wenn es in meinem Salon so weit ist, dass ich Kunden eine Preiskalkulation erklären muss, läuft etwas schief. Ich muss mich nicht rechtfertigen, wie sich meine Preise zusammenstellen."

Das heißt, bei dir wird nicht über Preise mit der Kundschaft gesprochen?
AT:
  Natürlich kann man in einem Gespräch auch auf das Thema Preise kommen. Viele wissen auch gar nicht, was bei einer Selbstständigkeit dahintersteckt. Das haben die Kunden auch gar nicht am Radar. Aber ich würde nicht so weit gehen und meine komplette Dienstleistung aufschlüsseln, geschweige denn, den Kunden meinen Gewinn mitteilen. Wenn es in meinem Salon so weit ist, dass ich Kunden eine Preiskalkulation erklären muss, läuft etwas schief. Ich muss mich nicht rechtfertigen, wie sich meine Preise zusammenstellen. Sie können sich auf der Website oder der Preisliste im Schaufenster informieren, wieviel welche Dienstleitung kostet. Im Gegensatz dazu macht eine Aufschlüsselung für das Team Sinn, damit sich alle Mitarbeiter vorstellen können, wie sich Preise zusammensetzen.

Hat sich mit der Preis-Umstrukturierung auch etwas im Team verändert?
AT:
Mein Team ist gewachsen. Ich habe jetzt vier Mitarbeiterinnen und eine Rezeptionistin. Eine Mitarbeiterin von früher habe ich sogar wieder zurückgewinnen können. Nun gibt es bei uns alle 14 Tage eine 4-Tage Woche und mein Team kann sich die Arbeitszeiten ganz flexibel einteilen. Zwischen 8-20 Uhr können sie arbeiten, wann sie wollen. Ich setze auf selbstbestimmtes Arbeiten. Ab 2025 soll bei uns dann auch final die 4-Tage Woche einziehen. Diese Umstellung hat im Team einen anderen Zusammenhalt gebracht. Das schaffte bis jetzt keine Lohnerhöhung oder ein Geschenk. Die Stimmung hat sich richtig gedreht und man spürt, dass sich das positiv auf das ganze Team auswirkt.

Vielen Dank, Annejet, für das spannende Gespräch und alles Gute für die Zukunft!