Credit: Jana Madzigon

06.06.2024

Ein Salon für neurodivergente, mehrgewichtige oder marginalisierte Kundinnen*

Ina Holub ist Friseurin, Model und Aktivistin für queer-politische Themen. Nicht nur ihre Arbeit, sondern auch ihr Salon legt den Fokus darauf, marginalisierte Menschen zu unterstützen und einen Safe Space während der Haardienstleistung zu schaffen.

"So etwas vermeintlich Simples wie ein Haarsalon-Besuch kann eine traumatische Erfahrung werden, wenn es mit einem Outing verknüpft ist, oder wenn - im Falle von Schwarzen Personen, einfach ohne Fachwissen in die Haare gegriffen wird."

Liebe Ina, wie kam es zu deinem Salon-Konzept „Soft & Cut“?
Ina Holub:
Ich bin seit etwas 15 Jahren Friseurin und Maskenbildnerin und habe viel Erfahrung in der Beauty Branche gesammelt. Dabei habe ich einiges an Diskriminierung erfahren. Mir war wichtig, einen Salon zu schaffen, in dem sich möglichst viele Menschen wohlfühlen können. Ich kenne das Gefühl nur zu gut, für meine Identität, ausgeschlossen zu werden. So etwas vermeintlich Simples wie ein Haarsalon-Besuch kann eine traumatische Erfahrung werden, wenn es mit einem Outing verknüpft ist, oder wenn - im Falle von Schwarzen Personen, einfach ohne Fachwissen in die Haare gegriffen wird. Mein Salon soll neben all dem fachlichen Know-how auch ein Safer-Space sein.

Wie erstellt man ein Salon Konzept, das für alle einen Safe-Space bietet?
 IH:
Ich stehe in enger Verbindung mit marginalisierten Communities und auf deren Bedürfnisse wollte ich vollkommen eingehen. Im Vorfeld habe ich unter anderem meine Follower*innen auf Instagram befragt. Ich wollte wissen, was sie sich von einem Haarsalon wünschen. Denn auch, wenn ich als homosexuelle, fette Frau einer marginalisierten Gruppe angehöre, muss ich – wenn es nicht um meine Lebensrealität geht – zuhören und lernen.

Und Anfang 2024 ist somit „Soft & Cut“ entstanden. Was hebt deinen Salon von anderen ab?
IH:
Der Salon verfügt über eine Einstiegsrampe mit weniger als 5% Steigung, damit man auch ohne Elektro-Rollstuhl oder eine Assistenzperson hineingelangen können. Im Salon selbst ist alles für Rollstuhl bzw. Gehhilfen ausgerichtet – vom Bodenbelag bis zum barrierefreien WC. Es gibt zwei Schneideplätze, deren Bestuhlung leicht zu verschieben ist, falls Personen im Rollstuhl bleiben wollen. Gleichzeitig sind die Sitze extra breit und tief sowie ohne Armlehnen zum leichteren Aufsitzen. Außerdem tragen sie deutlich mehr Kilogramm als die üblichen Salonstühle. Es war mir sehr wichtig, dass sich in meinem Friseur-Salon auch mehrgewichtige Personen wohlfühlen.

Deine Wände sind auch in einer besonderen Farbe gestrichen …
IH:
Ja, es ist eine anti-allergene Farbe, die für ein möglichst schadstoff- und allergenarmes Wohnklima sorgt, da auf synthetische Stoffe und Konservierungsstoffe verzichtet wird. Genauso erstrecken sich über den ganzen Salon Pastellfarben, vor allem in hauchzartem Rosa. Das kann sich beruhigend auf neurodivergente Personen auswirken. Das sind zum Beispiel Menschen mit ADHS oder Autismus.

Im Gegensatz zu großen Schaufenstern mit Blick in den Salon setzt du auf blickdichte Vorhänge, warum?
IH:
Der Vorhang deckt die Lichtblenden so ab, dass der Salon von außen nicht einsehbar ist. Das war der Wunsch meiner Community, von Personen, die Kopftuch tragen und Sicherheit vor Blicken wollen. Mittlerweile finde ich den Vorhang selbst zum Arbeiten super angenehm!

So sieht Ina Holubs Salon in Wien Neubau aus ► Moderne Salonkonzepte: Soft & Cut

"Es war mir sehr wichtig, meinen Salon für alle Haar- als auch Hauttypen zugänglich zu machen. Denn das ist nicht Teil der Ausbildung in Österreich."

Du gehst aber nicht nur in punkto Interieur auf marginalisierte Personen ein, sondern auch in Bezug auf deine Haar-Skills …      
IH:
Ich habe eine Zusatzausbildung für verschiedenste Haartypen, also auch für das Haar von Schwarzen Personen und jenen der asiatischen Diaspora (Anm. d. Red.: ethnische Gemeinschaften, die sich mit ihrem Heimatland identifizieren, dort jedoch nicht leben) Von Locken bis über Coils, 1A bis 4C Hair, habe ich die passenden Produkte und Treatments parat. Es war mir sehr wichtig, meinen Salon für alle Haar- als auch Hauttypen zugänglich zu machen. Denn das ist nicht Teil der Ausbildung in Österreich. Ich biete Make-up in dünkleren Shades an, aber auch Haarprodukte für starke Locken, die es sonst in klassischen Drogerien nicht gibt. Das wollte ich meinen Kund*innen unbedingt bieten können.

Sind alle deine Vorhaben abgeschlossen oder hast du noch etwas für „Soft & Cut“ geplant?
IH:
Im Moment arbeitet ein Female Only Team an meiner Website, denn es soll zukünftig ein Tool geben, um sich Termine auszumachen, bei dem auch das Pronomen angegeben werden kann, mit dem die Person angesprochen werden will. Genauso gibt es zur Auswahl, ob die Kundschaft Gebärden-Dolmetscher, Assistenztiere oder Begleitpersonen braucht. Weiters soll man in Zukunft auch Allergien angeben können oder, ob man sich einen No-Small-Talk-Termin wünscht.

Vielen Dank für dieses sehr spannende Gespräch! Ich wünsche dir alles Gute für die Zukunft!