Guido Paar | Fotocredit: Fabian Renner

16.08.2024

Der Staat, nur Gegner oder schon Feind? - Gedanken von Guido Paar

Friseurunternehmer und Wirtschaftswoche-Kolumnist Guido Paar fragt sich, ob wir in Deutschland mittlerweile ein System haben, dass Arbeitgeber und -nehmer trennt. Und wann die Regierung endlich mal den richtigen Menschen zuhört...

Kommentar von Guido Paar

Willkommen im aktuellen Deutschland, wo kleine und mittelständische Unternehmer sich fragen müssen, ob der Staat nur ihr Gegner ist oder bereits ihr Feind. Ich betreibe einen Friseursalon mit rund zehn Mitarbeitern. Fast alle Branchen kämpfen gegen die unaufhörliche Flut von staatlichen Eingriffen und Regulierungen, daher bin ich nur ein Beispiel von vielen. Die Hauptschauplätze dieses Artikels? Personalkosten, Steuerrabatte und geringfügige Beschäftigung.

Die Mindestlohn-Falle: Ein Schuss ins Knie

Um nicht falsch verstanden zu werden: Ich bin für gute Löhne! Das Problem sind nicht die Bruttolöhne, sondern die Nettolöhne - also was zwischen brutto und netto passiert. Und das steuern nicht die Unternehmen.

Vor fünf Jahren waren die Bruttolohnkosten noch überschaubar. Seitdem haben sie sich um teilweise über 40% erhöht. Dank der unüberlegten Mindestlohnforderung und deren Durchsetzung. Dies hat nicht nur die Löhne der unteren Lohngruppen nach oben getrieben, sondern zwangsläufig auch die Löhne der oberen Leistungsträger-Lohngruppen (diese allerdings geringfügiger). Warum? Damit es „gerecht“ bleibt, Leistungsträger wollen schließlich nicht vernachlässigt werden, wie ein guter Unternehmer weiß, im Gegensatz zur Regierung. Das Ergebnis? Die Lohnkosten in meiner Branche sind inzwischen auf 50% gestiegen – eine Belastung, die den Betrieben die Luft abschnürt.

Die 50% wären schon längst überschritten, wenn die Betriebe nicht mit Preiserhöhungen reagiert hätten. Aber die Preise können nur bis zu einem bestimmten Punkt erhöht werden, ohne Kunden zu verlieren. Die Preiserhöhungen um insgesamt 20- 25% in den letzten 5 Jahren waren so hoch, wie historisch noch nie zuvor. Sie decken aber gerade einmal die Lohnsteigerungen. Und was ist mit den anderen Kostensteigerungen? Die Inflationsrate der letzten 5 Jahre liegt kumuliert bei 21,2%. Diese zusätzlichen Ausgaben werden aus den Gewinnen bezahlt. Ergo: sinkende Gewinne. Wie demotivierend für die Leistungsträger.

Die Nettolöhne sind in derselben Zeit übrigens nur um 28,5% gestiegen. Warum nicht auch um 41%, wie die Bruttolöhne? Der gewiefte Initiator der Mindestlohnsteigerung hat es geschafft, dass sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber dadurch mehr abgeben müssen. Sollte der Mindestlohn nicht steigen, damit Arbeitnehmer mehr in der Tasche haben? Stattdessen kassiert der Staat ordentlich mit, nämlich die Differenz von 12,5% zwischen Brutto und Netto sowie die zusätzliche Umsatzsteuer aus den Preiserhöhungen. Es ist einfach, den barmherzigen Robin Hood zu spielen, wenn Robin sich dabei selber sehr bereichert. Es ist unanständig, die Krise seiner Wirtschaft auszunutzen, um sich daran zu bereichern und somit die Kaufkraft, Investitionskraft und Innovationskraft zu schwächen.

Wir erleben alle täglich, wie sich die unüberlegten Mindestlohnforderungen flächendeckend auf die Preise auswirken. Mehr Lohn, höhere Preise, höhere Staatseinnahmen. Gegner oder schon Feind?

Steuerrabatt für Ausländer: Das neue Fairplay?

Jetzt wird also ein Steuerrabatt für ausländische Arbeitnehmer in der Politik diskutiert. Was passiert, wenn Berufseinsteiger aus dem Ausland mehr Netto in der Tasche haben als erfahrene, seit Jahren loyale mitarbeitende Kräfte? Richtig, die Motivation der Leistungsträger sinkt. Beständigkeit, Weiterentwicklung und jahrelanger Fleiß werden nicht belohnt. Stattdessen wird belohnt, wer aus dem Ausland kommt. Der Arbeitgeber darf dann „gerecht“ werden, indem er die Bruttolöhne seiner beständigen Mitarbeiter anhebt. Klar, warum nicht – schließlich blüht die Wirtschaft! Und wieder würde der Staat damit seine eigenen Einnahmen erhöhen. Was für eine Scheinheiligkeit?!

Der Steuerrabatt ist eine gute und notwendige Maßnahme, aber für ALLE! Anderenfalls wird diese Ungerechtigkeit die Gesellschaft weiter spalten. Das können und wollen wir uns doch nicht leisten, oder?

Geringfügige Beschäftigung: Ein Anreiz zur Teilzeit?

Es gibt eine Möglichkeit die Lohnsteuerabgaben zu gestalten. Sogar Politiker sprechen in Talkshows über die 4-Tage-Woche und äußern, dass Unternehmer sich gefälligst Gedanken machen sollen, um Arbeitsplatze attraktiv genug zu gestalten und Mitarbeitende zu binden. Das machen wir unaufhörlich, liebe unwissende Politiker. Wie motiviert denn unser System die Arbeitnehmer und bindet Arbeitnehmer an Arbeitsplätze? Indem es sie dazu bringt, ihre Vollzeitarbeitsstelle zu reduzieren und zusätzlich einen Job unter 520 Euro woanders anzunehmen. In einer Massagepraxis verabschiedete ich mich bis freitags, die Rezeptions-Mitarbeiterin erwiderte, dass sie künftig freitags nicht mehr in der Praxis arbeite. Ich fragte sie, ob der Wohlstand ausgebrochen sei, wegen der Arbeitszeitreduzierung. „Im Gegenteil“ war die Antwort. Sie habe für freitags eine andere Stelle als geringfügig Beschäftigte angenommen. So arbeitet sie einen Tag der Woche brutto für netto. Das reduziere ihre Steuerlast sehr. Das könnte Schule machen. Ein Traum für jeden Arbeitgeber, der händeringend nach Fachkräften sucht und darüber nachdenkt, Mitarbeiter zu binden. Wer hat sich das ausgedacht, ein Gegner oder ein Feind? Und bald wird in der Zeitung stehen: „Nebenjobs werden in Deutschland immer notwendiger“. Womöglich verbunden mit der politischen Forderung, den Mindestlohn steigern zu müssen.

Ein nächstes Beispiel: Ich suche für meinen Salon eine tägliche Reinigungskraft für die Abendstunden. Eine eifrige Auszubildende möchte das übernehmen, aber das geht nicht. Sie darf am Ausbildungsplatz keine weitere geringfügige Beschäftigung haben, bzw. sie müsste dann den Zusatzverdienst voll versteuern. So wird sie ihre Stelle im Supermarkt behalten und ich suche weiter. Ein System, das Arbeitgeber und Arbeitnehmer bindet? Fehlanzeige! Ich kann nicht glauben, dass niemand in Berlin diese Problematik frühzeitig erkennt, um sie zu verhindern. Außer es ist gewollt, dann bestätigte es aber die Vermutung, von einem Feind regiert zu werden.

Ich möchte es nochmal als Frage formulieren: Haben wir in Deutschland wirklich ein System, das auf diese Weise Arbeitgeber und Arbeitnehmer trennt? Und warum haben wir kein System, das Arbeitgeber und Arbeitnehmer aneinanderbindet?

Ein Freibetrag für Arbeitnehmer: Ein Schritt zur Gerechtigkeit

Ein möglicher Ausweg wäre ein Freibetrag über 520 Euro für JEDEN Arbeitnehmer. Das würde die Bürokratie abbauen und echte, notwendige Barmherzigkeit zeigen. Wer soll das denn bezahlen, wird Berlin nun fragen? Ein fast 1 Billion Euro schwerer Topf sollte dafür ausreichen, auf diese Weise die Kaufkraft, Gerechtigkeit und die Wirtschaft ankurbeln. Zumindest konstruktiver als Kanonen davon zu kaufen.

Wie viele solcher Artikel müssen noch geschrieben und gelesen werden, bis sich endlich etwas ändert und die Politik der Wirtschaft seriös zuhört? Immer weiter belasten, das machen nur Gegner und Feinde. Wir brauchen Lösungen, die spürbare Entlastungen bringen und nicht in erster Linie die Staatskasse füllen, trotz Krise.

Der Druck auf kleine Unternehmen: Die unsichtbare Krise

Kleine Unternehmen, wie mein Friseursalon, stehen unter immensem Druck. Die Regulierungen und Kostensteigerungen ersticken die Innovationskraft und den Unternehmergeist. Resignation macht sich breit, und zwar bei denjenigen, die die meisten Menschen beschäftigen. Während große Konzerne durch Automatisierung und Skaleneffekte ihre Kosten kontrollieren können, kämpfen kleine Betriebe ums Überleben. Der Staat scheint das nicht zu begreifen oder es ist ihm schlicht egal. Ein gutes Beispiel für die Feindseligkeit des Systems gegenüber denen, die ehrlich etwas leisten, Arbeitsplätze schaffen und die Wirtschaft am Laufen halten.

Die soziale Gerechtigkeit: Ein Trugbild?

Wir entwickeln uns immer weiter weg von einer Gesellschaft, die Leistung fördert. Wollen wir wirklich weiter Politik für die Faulen und Dummen machen? Die Erhöhung der Löhne und die Einführung von Mindestlöhnen sollten die soziale Gerechtigkeit verbessern. In der Praxis sieht es anders aus. Die Leistungsträger werden ignoriert, degradiert und demotiviert. Die sogenannte soziale Gerechtigkeit ist ein Trugbild, das den wahren Kosten und Folgen nicht gerecht wird. Wir müssen uns fragen: Ist es gerecht, dass die erfahrenen und beständigen Mitarbeiter, die Rückgrat und Stabilität eines Unternehmens darstellen, weniger in der Tasche haben als neue Berufseinsteiger aus dem Ausland, nur weil diese einen Steuerrabatt erhalten?

Fazit: Ein Weckruf an die Politik

Die Politik muss aufwachen und die Realität der kleinen und mittleren Unternehmen anerkennen. Ständig hören wir etwas über die Reduzierung der Bürokratie, selbst von Politikern. Wo hat sie sich denn in den letzten Jahren reduziert? Warten wir mal den 01.01. nächsten Jahres ab. Dann kommt die E-Rechnung, ein riesiges Bürokratiemonster, was die Wirtschaft erstmal wieder belasten wird. Es braucht Unterstützung und Entlastung für die Leistungsträger. Und es braucht Gerechtigkeit! Andernfalls wird der Staat vom Gegner zum Feind der Unternehmer und loyaler Arbeitnehmer, die das Fundament unserer Wirtschaft bilden.

Und er spaltet die Gesellschaft durch installierte Ungerechtigkeiten.

Wann hören diese blinden Regierenden endlich mal richtig den Menschen zu?

Guido Paar
 

Über Guido Paar

Guido Paar ist Friseurunternehmer (Paar Friseure in Willich), Trainer, Kolumnist in der Wirtschaftswoche und Mitglied im Vorstand der Intercoiffure Deutschland.