

31.05.2025
„Der Fake muss absolut real sein.“
Nils Jäger ist Haarextremist. Deshalb ist er Inhaber des Haarjäger Ateliers in Berlin-Schöneberg. Seit 2006 kreieren er und sein Team dort zahlreiche Tressen in ihrer Werkstatt. Im Interview spricht der Haarjäger über seine Anfänge, die Auswahl der perfekten Zöpfe und warum Haarverlängerungen immer noch ein Statement sind.
Im Gespräch mit Magdalena Hauer
Ihr bezeichnet euch als „Haarextremisten“. Das klingt ja erstmal womöglich negativ. Was steckt hinter diesem Begriff?
Nils Jäger: Ich habe ehrlich gesagt keine große Angst davor, auch mal negative Bezeichnungen zu nehmen und sie umzuwandeln. Der Begriff bezieht sich ein bisschen auf unsere extremen Kunden, die oft nach Haarlängen oder -mengen fragen, die sonst kaum jemand anbietet. Und natürlich auch auf unsere extreme Liebe zum Haar.
Ihr seid auf High-End-Extensions spezialisiert. Wie kam es zu dem Fokus?
NJ: Ich habe in den Achtzigern schon meine ersten Extensions gemacht. Damals gab es keine Anbieter. Ich habe mit bunten Faschingshaaren experimentiert, die ich auf den Kopf geklebt habe. Das war so mein Einstieg in die Welt der Extensions. Über Jahre hab ich die Techniken entwickelt, ein Netzwerk für Haarbeschaffung aufgebaut und mir das Know-how angeeignet. Heute liegt unser Fokus auf Qualität und Handwerk.
"Früher gab es gar keine Anbieter."
Warum arbeitet ihr mit europäischem und brasilianischem Echthaar?
NJ: Die Auswahl des Haares richtet sich nach den Bedürfnissen der Kund*innen. Zu Beginn habe ich viel mit indischen oder kasachischen Haaren gearbeitet. Da war jedoch der Hygienezustand oftmals nicht sehr gut. Europäische Tressen passen perfekt zu feinem, glattem Haar, weil es die gleiche Struktur hat. Brasilianisches Haar ist ideal für starke Locken und kräftigere Strukturen. Durch meinen Mann, der Brasilianer ist, habe ich diese Connection bekommen.
Ihr fertigt die Extensions selbst im Atelier an. Wie läuft das ab?
NJ: Die Anfertigung der Extensions erfolgt in unserer eigenen Werkstatt. Das Equipment, wie auch die gelernten Näherinnen hab ich damals von meinem alten Meister übernommen. Ich kümmere mich um das Anbringen am Kopf, während mein Team die Tressen in Handarbeit fertigt.
Wie lange sitzt man bei euch im Stuhl?
NJ: Das hängt stark von der verwendeten Methode ab. Eine einfache Haarverdichtung kann in 30 Minuten erledigt sein, während aufwendige Methoden wie Microbondings bis zu fünf Stunden dauern. Im Durchschnitt liegt der Zeitaufwand bei etwa zwei bis vier Stunden.
Wie viel ist das den Kund*innen wert?
NJ: Die Preisspanne ist groß. Günstige Varianten beginnen bei rund 500 Euro, während exklusive, handverlesene europäische Zöpfe mehrere Tausend kosten können. Alles hängt von Qualität, Herkunft und Haarlänge ab. Manche Kundinnen zahlen auch mal 4000 Euro.
Welche Haartrends beobachtest du aktuell?
NJ: Ich sehe den Trend klar in Richtung Natürlichkeit – Balayage, Face Framing und Naturtöne sind gerade sehr gefragt. Bunte Farben treten in den Hintergrund. Bei den meisten Kund*innen bewegen sich die Haarlängen zwischen 50 und 60 cm.
"Viele möchten das Haar spüren, sehen und erleben, bevor sie sich entscheiden."
Wie wichtig ist das Erlebnis im Salon?
NJ: Sehr wichtig, denn viele Kund*innen möchten das Haar spüren, sehen und erleben, bevor sie sich entscheiden. Oft sprechen sie auch mit anderen Kund*innen im Salon, um sich ein Bild zu machen.
Müsst ihr da noch mit Vorurteilen gegenüber Extensions aufräumen?
NJ: Kaum noch. Früher waren Vorurteile wie „das sieht unecht aus“ oder „woher kommen die Haare?“ gängig. Heute kommen die meisten Kund*innen sehr gut informiert und mit konkreten Vorstellungen.
Welche Aspekte sind euren Kund*innen am wichtigsten?
NJ: Für viele steht das Gefühl im Vordergrund, mit der neuen Haarpracht eins zu werden. Es soll natürlich aussehen, sich echt anfühlen und zum eigenen Stil passen. Der Fake muss absolut real sein, sozusagen. Auch die Zeit im Salon soll möglichst angenehm und entspannend sein.
Welche Rolle spielt Weiterbildung bei euch?
NJ: Die findet bei uns gezielt statt. Wenn eine neue Technik wirklich überzeugt, wird investiert. Aber wir erfinden das Rad nicht neu. Viele neue Trends sind Variationen bekannter Methoden. Daher ist mir konstantes Beobachten wichtiger als blinder Aktionismus.
Wo siehst du die Zukunft der Haarverlängerung?
NJ: Große Potenziale sehe ich in technologischen Entwicklungen wie „Hair to Hair“. Wenn das gelingt, ist das der nächste große Boom. Darüber hinaus, glaube ich, dass der Gefallen an langem Haar bleiben wird. Für viele ist und bleibt das ein Ausdruck von Schönheit. Daran wird sich so schnell nichts ändern.
Nils, danke Dir für das Gespräch!
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