Danny van Tuijl | Credit:

09.05.2025

"Den Meister zu haben, macht mich nicht zum guten Friseur"

Mehr Realität in der Ausbildung, Privatisierung und eine Mindset-Änderung: Danny van Tuijl wünscht sich Änderungen im Dualen System und nimmt dafür auch Anleihen am niederländischen und englischen System …

Im Gespräch mit Katja Ottiger

Danny, ►Lizzy Lemon und du habt vor beinahe 7 Jahren euren Salon ►Ginger | Lemon Hairspace in Wien eröffnet und seid mittlerweile ein Team von sechs Leuten, bildet aber nicht mehr aus. Warum?
Danny van Tuijl:
Wir haben zweimal schlechte Erfahrungen gemacht. So wie wir arbeiten, vor allem im Farb-Bereich, sind wir eine Nische und sehr spezifisch. Natürlich bilden wir die Lehrlinge zusätzlich weiter, was ja auch ein Vorteil der dualen Ausbildung ist. Allerdings habe ich nicht das Gefühl, dass die Schule hier eine gute Grundlage liefert und nur einigermaßen mit der Realität oder den Bedürfnissen vom Salonalltag zu tun hat.

Eure beiden Lehrlinge sind aus dem Beruf ausgestiegen?
DvT:
Ja, das ist super schade, sie hatten durchaus Talent.

Was waren die Gründe? Euer Salon hat ein cooles Image, ihr macht tolles Handwerk, habt experimentierfreudiges Publikum. Man meint, wenn es euch nicht gelingt, wem dann?
DvT: Vor allem die viele Interaktion mit Menschen. Ich beobachte seit Jahren, dass die Jungen mental nicht fit genug sind. Sie lernen in der Berufsschule zwar, wie man mit Kunden und Feedback umgeht, aber nicht, wie man mit 16 Jahren reagieren sollte, wenn Kunden ihr ganzes Privatleben raushauen. Da besteht Aufholbedarf in der Ausbildung. am besten, schon bevor sie im Salon anfangen.

Ihr wollt überhaupt keine Lehrlinge mehr aufnehmen?
DvT:
Erst einmal nicht, auch wenn wir immer wieder Bewerbungen bekommen - wir sind ausgefallener und stechen ein bisschen aus der Masse heraus, was junge Leute anspricht.
Wir haben uns darauf konzentriert, ein stabiles Team aufzustellen, mit dem ich super happy bin. Zudem bin ich immer wieder unterwegs, kann Lehrlingen also nicht die Zeit geben, die ich möchte. Und wenn das nicht passt, sind die jungen Leute ohnehin weg.

Was vermisst du konkret in der Berufsschule?
DvT: Rhetorik, Psychologie, bessere Praxis und tiefer gehende Farbtheorie. Das erste Lehrjahr sollte näher an der Realität dran sein. Wenn da zu viele Themen sind, die nichts mit dem Alltag zu tun haben, springen die Jugendlichen ab. In einer Zeit von TikTok und Instagram-Reels und einer Aufmerksamkeitsspanne von 30 Sekunden, ist ein Lehrjahr mit Themen, die null interessieren, wie Folter.

Was wäre mit Modulen?
DvT:  Ich glaube nicht, dass das Schulsystem darauf ausgerichtet ist. Das lässt sich auch nicht schnell ändern. Außer, man lockert bzw. de-reguliert den Beruf und lässt Privatschulen zu, an denen man modulweise Teile der Ausbildung absolvieren kann. Ich weiß, in Österreich und Deutschland ist das schwieriger, weil man an diesen Strukturen hängt und an dem „Papierchen“, das man am Ende bekommt.
Aber wenn ich den Meister mache und mich 20 Jahre lang nicht weiterbilde, macht mich das nicht zu einem guten Friseur. Da braucht es eine Mindset-Änderung. Ich verstehe, dass sie nicht wollen, dass jeder mit Chemie am Kopf arbeiten kann, aber wir sehen ja, dass sich ganz viele, trotz Schule, nicht auskennen.

Als Niederländer scheint das eine einfachere Denkweise zu sein. Dort gibt es keinen Meister, oder?
DvT:
Nein. Der Beruf ist in den Niederlanden nicht reguliert. Wenn du heute sagst, ab morgen bin ich Friseur, kannst du das machen. Es gibt eine Art duales System und viele Privatschulen. Die Schulzeit zahlt man selbst. Ich hatte zuerst Maler gelernt, wollte aber Friseur werden. Um meine Ausbildung finanzieren zu können, habe ich mein Auto verkauft und bin zu meinen Eltern zurückgezogen.

Deine Meisterprüfung hast du dann in Österreich abgelegt?
DvT:
Ja! Und wer glaubt, innerhalb der EU ist die berufliche Anerkennung relativ leicht, kennt die österreichische Bürokratie nicht! Ich habe für die Meisterprüfung erstmal Make-up, Nageldesign und Rasur lernen müssen (lacht). Ich hätte gedacht, da geht es mehr um Unternehmertum.

Bei euren Mitarbeitern setzt ihr auf interne Education?
DvT:  Ja, vor allem, wenn neue Leute dazu kommen. Und auch, weil unsere Mitarbeiter, wenn sie von Seminaren kommen, die wir bei unterschiedlichen Brands buchen, meinen, unsere eigenen Seminare würden ihnen mehr bringen.

Im Moment educaten wir in Blöcken: ein paar Monate intensiv, dann zwei Monate Pause. Ab und zu holen wir uns Externe aus dem Ausland dazu, z.B. aus England oder den Niederlanden. Die Internationalen haben andere Blickwinkel, was ich spannend finde. Am DACH-Markt fehlt mir da die Diversität.

Wie findest du das Thema Messe? Was wäre ein neues Konzept?
DvT: Es ist immer einfach zu sagen, man muss das Konzept „Messe“ neu denken. Es geht halt um Ausstellung, es geht um Netzwerk, um anschauen und anfassen. Ein großes Thema sind da für mich Workshops an den Ständen - das ist interaktiv und für die Brands interessant, weil sie ihre Produkte besser pitchen können.

Eine Showbühne zusätzlich ist cool, aber vielleicht für weniger Acts. Gewisse Konzepte funktionieren nur gut auf großer Bühne. Ich würde lügen, würde ich nicht auch eine große Show auf der TOP HAIR machen wollen, aber hier sollte es darum gehen, die Leute mit anderen Welten zu inspirieren. UpDo‘s oder einen Barberschnitt auf einer Showbühne zu machen, bringt für mich nur bedingt was, denn da kommen Fragen auf.

Danny van Tuijl's aktuelle Kollektion, mit der er für die IHA´s 2025 (International Hairdressing Awards) nominiert ist:  

Auf Nachfrage bietest du jetzt verstärkt Education an?
DvT: Ja, ich habe eine Education-Plattform gelauncht, die all-brand-friendly ist (www.refraction.space). Ich möchte gern ein paar Sachen ankicken, denn es muss nicht immer alles konform sein.

Ich habe im letzten Jahr damit angefangen, weil wir immer wieder Seminar-Anfragen von Salons aus Österreich und Deutschland für Schnitt und Farbe hatten. Ich mag das, wenn ein Seminar personalisiert ist und ich Teams über einen längeren Zeitraum begleiten kann und wachsen sehe: Ich gehe auf die Leute ein, auf ihre Schwerpunkte und auf das, was öfter mal schiefgeht und was richtig gut läuft. 
Wir bauen hier in Wien auch gerade unseren Salon aus und werden im ersten Stock bald einen kleinen privaten Salon bzw. eine Mini-Academy haben.

Was wünschst du dir für die österreichische bzw. deutsche Friseurbranche?
DvT: Ich würde mich freuen, wenn die Leute ein bisschen mutiger, kreativer wären und einfach mal was anderes als Komfortzone machen. Das fängt in den Salons an und weniger bei den Brands, die Education anbieten. Wenn Friseure entscheiden, was gepusht werden soll, werden die Brands mitziehen.

Sie sollen sich austoben – nicht nur bei Shootings oder Wettbewerben - sondern im Alltag Kreatives und Schönes machen, mit dem sie Kunden begeistern und neue Kunden gewinnen können. Kreativität ist ein Muskel, den man trainieren muss. Das ist kein Zufallsschlag, der von heute auf morgen kommt.