30.09.2015

Christin Bader und ihr EPU Konzept

Es gibt Apfel-Holunder Limonade und Muffins aus der Bäckerei um die Ecke. Die Polster am Fensterbrett sind bequem. Ein gemütlicher Laden ist das hier, hinter der Leipziger Oper. Wohnzimmerflair mit bunt zusammen gewürfelten Sesseln, Spiegeln, Möbelstücken. Ein ausgedienter „Stassfurt“ Fernseher, der seine besten Zeiten mit den Programmen von DDR 1 und 2 hatte, dient als Produktregal. An den Wänden hängen wechselnde Gemälde Leipziger Künstler. Selbst gepflückte Blumen in verschiedenen Vasen. Ein kleiner Schreibtisch. Der Waschplatz thront auf einem Podest. Die Tür zum Geschäft lässt sich nur von innen öffnen. Für Kunden auf Termin. Der Salon ist über Monate hin ausgebucht. Ein Ein-Personen-Unternehmen. Eine Friseurin, ein Kunde. Ich plaudere mit der Hobbyfotografin, deren Kunde Erik Platz nimmt. Auf dem alten Schneidesessel, der dem tristen Dasein in einem Leipziger Keller entkommen konnte und jetzt zum Arbeitsmittelpunkt im Salon CHRISTIN BADER geworden ist. Mit charmantem Dialekt spricht Christin. Schnell, viel und trotzdem irgendwie kurz.

Fakten:

  • Geboren und aufgewachsen in Leipzig
  • seit 15 Jahren Friseurin | Make Up Spezialistin
  • Stylingbegleiterin und Fotografin am Hochzeitstag ihrer Kundinnen
  • Stationen: Ratgeber & Stengel, Leipzig, Hair by Henschel, Ben Friseure Leipzig, Meisterschule
  • seit April 2014 Salon CHRISTIN BADER, Leipzig
  • Estel Top Salon Award 2015


imSalon: Du stehst immer allein im Geschäft, mit jeweils nur einem Kunden?
Ja, stimmt. Es sei denn, es kommen Pärchen, dann sind es auch mal zwei.

imSalon: Warum das Ein-Kunde-Konzept?
Ich habe von der Pike auf immer in großen High-Class Läden gearbeitet. Masse und Klasse. Das war anstrengend. Drei Kunden nebeneinander, drei Kundengespräche…

imSalon: Bist du gern alleine?
Nö. Es ist ja immer jemand da. Mir reicht ein Kunde. Eine Stunde lang mit diesem Einen zusammen sein, das passt doch, oder? Das ist entspannt, besonders, wenn die Farbe einwirkt. Im Angestelltenverhältnis musste ich in der Einwirkzeit jemand anderen schneiden. Und durch die Spiegel, die überall hängen, beobachten dich die Kunden, die in der Farbe sitzen. Und dann der obligatorische Blick auf die Uhr. Wie lange dauert es denn noch? Acht Stunden am Tag. Das ist emotionaler Stress für mich. Ich wollte mit dem Geschäft in erster Linie MIR etwas Gutes tun.

imSalon: Du arbeitest nur auf Termin? Spontan vorbei kommen oder gar ein Laufkunde ist schwierig?
Christin: Ja.
Kunde Erik: Leider!
C: Ich bin ziemlich lang ausgebucht. Ich hab Ende nächsten Monat noch einen Schneidetermin frei.
Kunde Erik: Oh, kann ich den gleich nehmen? 
C: Geht klar. (lacht) 
Ich hatte schon immer einen großen Kundenstamm als ich im Angestelltenverhältnis war. Aber jetzt ist das so richtig viel geworden über Mundpropaganda. Meine Stammkundinnen sind dann schon Anfang des Jahres mit den Kalendern da gesessen und haben ihre Termine bis Ende des Jahres ausgemacht.

imSalon: So weit, so gut. Wie wirtschaftlich ist denn das Ganze?
In erster Linie ist es idealistisch und nicht wirtschaftlich. Ich hatte noch nie einen besonders großen materiellen Anspruch. Ich brauch kein Auto, fahr lieber Fahrrad. Meine Wohnung ist leistbar, meine Fixkosten überschaubar.

imSalon: Du ziehst das Glücklich sein vor? Ist "Größerwerden" gar keine Option?
Christin: Wirtschaftlich Denkende fragen immer wieder, warum ich nicht noch Jemanden anstelle. Nein. Will ich nicht. Da wären auch meine Kunden enttäuscht. Die lieben das so, wie es ist. 
Kunde Erik: Ich finde auch, das wär nicht das Gleiche: Ich geh zur Christin Bader und lass mich von einer anderen schneiden?
C: Perspektivisch möchte ich schon, dass alles so bleibt. Vielleicht noch ein kleiner Hinterhof, zum Draußen sitzen und nicht wie jetzt, auf der Straße. Und oben drüber einen kleine Trainerschule, in die einmal im Monat die Friseure kommen und wir machen ein schönes Blond. (zwinkert mit einem Auge und lacht)

imSalon: Jeder wird mal krank. Hast du dann Ersatz oder eine Kooperation?
Wenn das passiert, habe ich einen Freund, der mir behilflich sein würde.

imSalon: Und was ist mit Urlaub?
Dann mach ich zu. Ich plane im Januar meinen Urlaub für das ganze Jahr ein, das steht dann fix im Buch und wird nicht mehr geändert, das wissen meine Kunden.

imSalon: Kinder, Familie?
Das ist momentan kein Thema. Wenn es soweit ist, werden wir sehen. Die können ja mit im Laden sein, oder? 

imSalon: Siehst du dich als Alleinunterhalterin?
Ja! Meistens. (Kunde Erik lacht und bestätigt) Meine Kunden sind emotional auf der Höhe und reflektieren gut, die bekommen auch mit, wenn man mal nicht so gut drauf ist, da chillt man eher miteinander. Man ist ja nur ein Mensch.
 

imSalon: Wenn man immer allein mit einem Kunden ist, verkaufen sich dann Produkte leichter?
Da bin ich gebrandmarkt aus meinen vorherigen Jobs. Immer „Verkaufen nach Zahlen“! Ich lasse die Leute damit gern in Ruhe. Ich blondiere sehr viel, mache viele Aufhellungen. Da erzähle ich immer, welche Pflege wichtig ist. Ich will ja nicht für schlechte Haare verantwortlich sein. Ich verkaufe Sachen, die ich selbst benutze und weiter empfehlen kann. 

Es klopf. Das polnische Restaurant PONIATOVSKI von nebenan bringt uns Willkommens-Wodka. Einfach so. Der unbekannte Besuch in der Straße ist aufgefallen. Und er fragt kurz, ob er irgendwann noch zwischendrin zum Haare schneiden kommen könnte … Wir stoßen an mit „Stillem Josef“ …

imSalon: Wodka. Was für eine Überleitung! Du arbeitest ausschließlich mit Estel, einer russischen, bei uns noch unbekannteren, Marke. Warum? 
Ein Freund von mir, Christoph Meineck, ist Trainer bei Estel. In meiner Meisterprüfungszeit habe ich da ein paar Mal als Modell und als Assistenz gearbeitet. Und dabei die Produkte probiert. Von der BLONDE Maske war ich gleich begeistert. Auch von den Farben! Ich hab noch nie mit geileren Blondtönen gearbeitet. Bei denen geht alles über blau, bei anderen ist die Basis meist grün. Mit der 9/1 von Estel bekomm ich das schönste, matteste, graueste Blond hin. Und ich habe Erfahrung mit vielen verschieden Farb-Marken, da kenn ich mich wirklich aus!

imSalon: … was man an deinem eigenen Granny Look gut sehen kann. Selbstgemacht?
Mein langjähriger Kollege & Freund Christoph. 

imSalon: Wolltest du immer Friseurin sein?
Ja, immer! Ich hab als Kind meinen klappbaren Schreibtisch zur Parfümerie umfunktioniert und meine Freundinnen frisiert und angeschmiert.

imSalon: Was ist mit Seminaren, Veranstaltungen? Leistest du dir die?
Würde ich gerne mehr machen. Das ist der Nachteil, wenn du allein bist. Da fehlt die Zeit. Als ich noch bei Hentschel war, das sind wir aller drei Monate spätestens zu einem Seminar oder zu einer Veranstaltung gefahren. 
In diesem Jahr war ich zweimal auf einem ghd Workshop. Wenn man viel Hochzeitsstyling macht, braucht man das. Man lernt da immer wieder neue Tipps und Tricks. Und ich mag es, mich mit Friseuren auszutauschen. 
 

imSalon: Und du warst beim internationalen Estel Fest in St. Petersburg dabei, musstest sogar auf die Bühne, um deinen Top Salon Award, eine Auszeichnung für besondere Salons, zu übernehmen. Wie war das?
Großartig, beeindruckend, sensationell und ich möchte unbedingt nochmal hin! Was Estel bei dieser Veranstaltung alles aufgezogen hat – Wahnsinn!

imSalon: Was hast du mit dem Award gemach?
Der steht an der Kasse. Die Leute fragen mich sogar, ob ich jetzt mehr verlange, weil er so wichtig da steht.

imSalon: Und?
Natürlich nicht, bin ja fair. (sie lacht mal wieder)

imSalon.at: Christin und Erik, ich danke euch für die kurzweilige Stunde mit euch!