09.08.2024
Billig-Barber-Boom: „Gewerbeanmeldungen sind zu einfach!“
Aufklärungs- sowie Beruhigungsarbeit sieht Ümit Akbulut in seiner Funktion als Obermeister. Vor allem das Thema Billig-Barber lässt die Gemüter erhitzen. Er sucht deswegen den direkten Kontakt zu den Barbershop-Besitzern, aber auch zum Gewerbeamt, um diesen Praktiken entgegenzuwirken.
Ümit Akbulut im Interview mit Juliane Krammer
Ümit, du führst deine Haarwerkstatt, hast eine Barber-School und bist Obermeister der Friseurinnung Delmenhorst – Oldenburg Land. Welche Ziele hast du dir als Obermeister gesteckt?
Ümit Akbulut: Ich will Kontakte und Beziehungen zueinander herstellen, deswegen veranstalte ich Stammtische einmal im Monat. Aber auch Charity-Veranstaltungen sind mir für den Zusammenhalt sehr wichtig. Bei derartigen Events lasse ich gerne Innungsbetriebe zusammenarbeiten, die auf den ersten Blick sehr unterschiedlich sind. So werden rasch Vorurteile abgebaut.
Woher kommen diese Ansätze?
ÜA: Ursprünglich komme ich aus der Skateboard-Szene und da sind zum Beispiel Generationskonflikte kein Thema. Alle teilen eine Leidenschaft und dieses Mindset will ich auch in die Friseur-Branche bringen. Es gibt oft noch viele Parameter, die uns aufhalten. Wir müssen auf eine Augenhöhe kommen, denn wenn ich mit meinem Porsche zum Golfclub fahre und mich über den Nachwuchs aufrege, bringt das nichts. Man muss dort sein, wo die jungen Leute sind und die neue Generation akzeptieren.
Verfolgst du auch politische Ziele als Obermeister?
ÜA: Vorrangig geht es mir ums Zusammenwachsen. Wir haben hier im Norden eine ganz tolle Obermeister-Connection, treffen uns quartalsweise und besprechen, wie es so läuft. Durch das ► Interview mit der neuen Obermeisterin aus Würzburg, Katharina Walker, habe ich auch mit ihr Kontakt aufgenommen. Es entstehen somit Regionen-übergreifende Friseurveranstaltungen. Unsere Innung steht für direkte Lösungen und den transparenten Austausch. Ob Preisgestaltung, Mitarbeitersuche, ... alle Themen werden geteilt und da nimmt man sich gegenseitig Unsicherheiten.
Welche Unsicherheiten können von der Innung beseitigt werden?
ÜA: Preise sind so ein Thema. Manche Kollegen haben Angst vor einer Erhöhung. Wir bestärken uns bei solchen Entscheidungen untereinander, denn, wenn die Arbeit sehr gut ist, kann ich auch mehr verlangen. Kunden zahlen nicht das Produkt, sondern unser Wissen! Ich zitiere auch immer wieder gerne Richard David Precht, den ich beim ► Zukunftskongress in Berlin gesehen habe: Handwerksberufe können niemals durch Computer oder künstliche Intelligenz ersetzt werden. Der Friseurberuf ist ein Empathie-Beruf und ich denke, wir müssen selbst bei uns anfangen und empathisch für unseren Beruf sein und das nach außen tragen.
"Mir ist wichtig, dass wir uns als Innung mit den zuständigen Ämtern connecten und im Auge behalten, wer sich anmeldet."
Wie ist die Lage bezüglich Billig-Barbershops in deiner Region?
ÜA: Da habe ich in den letzten Wochen für Unruhe gesorgt, was das Thema angeht. In einem Interview wurde ich zitiert, dass diese Billig-Läden schließen sollten. Ich will hier auf keinen Fall alle Barber verurteilen, es gibt viele gute Salons, die unter den Läden mit illegalen Praktiken leiden. Mir ist wichtig, dass wir uns als Innung mit den zuständigen Ämtern connecten und im Auge behalten, wer sich anmeldet.
Gab es Reaktionen aus den Barbershops auf deine Aussage?
ÜA: Ja, ich bekam Besuch von einem Barber, der das 10 Euro Schild im Schaufenster kleben hat. Er wollte sich selbst erklären, warum er solche Preise hat, und erzählte mir, dass seine zwei Mitarbeiter gegangen sind. Ich erklärte ihm, dass er sich nur selbst schadet und anstatt den Kunden zu sagen, dass zwei seiner Mitarbeiter gekündigt haben, betreibe er Preisdumping. Das mindert auch das gute Barber-Image. Genauso, wie der aktuell heiß diskutierte Barber-Pilz, der aber schon seit gut 1,5 Jahren im Umlauf ist.
Warum eröffnen so viele Billig-Barber?
ÜA: Die Gewerbeanmeldung ist ganz einfach online auszuführen. Bei der Frage, ob man in die Handwerksrolle eingetragen ist, steht bei „Nein“ eine Auflistung, wann man sich strafbar macht. Ich glaube, viele verstehen das gar nicht. Ich versuche hier auch Aufklärung zu betreiben.
Was machen die Innung und du als Obermeister dagegen?
ÜA: Ich gehe persönlich auf diese Shop-Betreiber zu und spreche über Hintergründe sowie Sorgen und kläre die Betriebe auch über ihre Pflichten auf. Natürlich sind Prüfungen immens wichtig! Es ist aber nicht so einfach, Gewerbeamt, Zoll und Handwerkskammer unter einen Hut zu bekommen. Was ich aktiv als Innung machen kann, ist, mit dem Gewerbeamt zu sprechen, zu erklären, wer ist wirklich berechtigt. Wir haben sehr viel Glück mit dem Geschäftsführer unserer Kreishandwerkerschaft, Sven Jochims, denn er ist mit der Stadt und den zuständigen Behörden im Austausch, und bei solchen Angelegenheiten arbeiten wir sehr gut zusammen.
"Billig-Barber machen das Bild des Handwerks kaputt. Oft weiß man auch gar nicht, wer dahintersteht und was mit dem Geld dort überhaupt gemacht wird."
Glaubst du, dass die Kunden aus Billig-Barbershops auch in deinen Salon kommen würden?
ÜA: Nein. Deswegen bremse ich auch immer Kollegen, die glauben, dass die Billig-Barber die ganzen Kunden wegnehmen. In diesem Fall war das sogar ein Intercoiffeur. Ich schlage dann immer vor, dass man sich vor so einen Shop stellen soll, um zu hinterfragen, ob das wirklich „unsere“ Kunden sind. Was aber mein großes Problem ist: Billig-Barber machen das Bild des Handwerks kaputt. Oft weiß man auch gar nicht, wer dahintersteht und was mit dem Geld dort überhaupt gemacht wird.
Aber was können Friseure selbst gegen solche Billig-Salons machen?
ÜA: Man muss bei sich selbst anfangen, seinem eigenen Beruf Wertschätzung entgegenbringen und so auch das Image des Friseurs verbessern. Leidenschaft wird immer belohnt und dann pilgern die Leute auch in deinen Salon. Dazu kommt eine gute Mitarbeiterführung. Keiner will die alten hierarchischen Strukturen.
"In Form von Mitarbeitermangel knallt es gerade ordentlich und wir kriegen keinen Nachwuchs mehr, weil wir uns den Nachwuchs auch fern-, aber an alten Mustern festhalten."
Nun warst du im Januar beim Zukunftskongress. Wie siehst du die Friseur-Zukunft?
ÜA: Es muss immer einmal knallen, bevor es wieder gut wird. In Form von Mitarbeitermangel knallt es gerade ordentlich und wir kriegen keinen Nachwuchs mehr, weil wir uns den Nachwuchs auch fern-, aber an alten Mustern festhalten. Man muss sich außerdem mit Workshops fachlich oder im Bereich Social Media weiterbilden. Es hilft nichts, in der Vergangenheit, der golden Ära, weiterzuleben und sich zu wundern, warum die Kunden, die vor 10 Jahren zu mir in den Salon kamen, jetzt nicht mehr da sind. Aber das ist auch meine Funktion als Obermeister: Ich muss Aufklärungs- und Beruhigungsarbeit leisten.
Vielen Dank für den Einblick und alles Gute für die Zukunft.