v.l.n.r. Tamana Mousavi, Claudia Woltereck | Credit: Matthias Hewing

07.03.2025

Berufseinstieg Migranten - Sprache bildet die Grundlage der Dienstleistungsqualität

So kann erfolgreiche Integration gelingen. Ein neues Projekt von Schwarzkopf Professional führt MigrantInnen an das Friseurhandwerk heran. Wir sprachen mit der „ersten Generation“ und wie die Umsetzung im Salon gelingt.

Immer weniger Beschäftigte und der Rückgang von Auszubildenden ist nicht aufzuhalten. Händeringend suchen Friseurunternehmen nach neuen Quellen für qualifizierte Mitarbeiter. Die von Schwarzkopf Professionals ► Shaping Futures gemeinsam mit "Jobs4Refugees" ins Leben gerufene Initiative schafft Perspektiven. Jetzt kommen die ersten Teilnehmenden des intensiven Berufseinstiegstrainings in den Markt.

Tamana, du hast dich entschieden, Friseurin zu werden. Wie war für dich die Teilnahme bei Shaping Futures?
Tamana Mousavi:
Gut! Ich hatte mehrere Monate intensives Training im Programm mit Schwarzkopf und konnte an 10 Praxistagen im Salon mein Wissen direkt anwenden. Ich habe viel gelernt und durfte alles ausprobieren – Waschen, Schneiden, Färben. Und ich möchte auf jeden Fall weitermachen!

Ab 1. März hast du einen Salon gefunden, in dem du deine Ausbildung startest.
TM:
Ja, ich freue mich schon sehr darauf, bei FON Friseur noch mehr zu lernen.

Frau Woltereck, sie greifen als Salonunternehmerin (FON Friseur) auf Absolventen des Programms zurück. Was begeistert sie?
Claudia Woltereck:
Die Initiative von Schwarzkopf finde ich sehr stark, denn am Ende des Tages arbeiten wir alle zusammen und müssen uns gemeinsam den Herausforderungen stellen. Ich finde, mit diesem Programm entsteht eine wertvolle Verzahnung zwischen Friseurbetrieben, Schulen und Industrie und weiteren relevanten Akteuren.

Am 1. März beginnt nun Tamara bei Fon-Friseure. Wie gehen Sie die Ausbildung an?
CW:
Ich nehme zwei Teilnehmende aus dem Shaping Futures Projekt auf. Eine besucht die Berufsschule, wobei die Rahmenbedingungen bereits abgestimmt wurden. Die Schule bietet spezielle Klassen für SchülerInnen, für die die deutsche Sprache noch eine Herausforderung ist. Die andere steigt dank ihrer Vorerfahrung direkt in den Beruf ein.

Tamana, ich finde, dein Deutsch ist bereits sehr gut. Wie lange bist du schon in Deutschland?
TM:
Ich bin vor dreieinhalb Jahren aus Afghanistan nach Deutschland gekommen.

Und sie haben dann damit begonnen, die Sprache zu lernen?
TM:
Ja. Meine Muttersprache ist Farsi und seither lerne ich deutsch.

Kompliment, ich bin beeindruckt.

„Friseurdienstleistung ist ein Zusammenspiel von Gespräch und Qualität…“

Sprache ist im Friseursalon essenziell. Wird das mit Kund*innen thematisiert?
CW:
Ja, wir sind ja ein Kommunikationsgeschäft, Friseurdienstleistung ist ein Zusammenspiel von Gespräch und Qualität, die optimalerweise zusammenspielt. Wir haben viel Erfahrung mit der Integration von ausgebildeten Friseuren aus anderen Ländern. Meistens starten sie als Assistenzen, bis sich ihre Deutschkenntnisse verbessern und sie die Kunden auch eigenständig beraten und bedienen können. Als Auszubildende hat Tamana Zeit, sich erst einzufinden und im Background zu arbeiten und ihr Deutsch zu verbessern.

Sie sagen, Sie haben schon viel Integrationsarbeit geleistet. Auf welche Herausforderungen muss man sich vorbereiten?
CW:
Man muss sich bewusst sein, dass Sprache oft eine Herausforderung ist und kulturelle Unterschiede eine Rolle spielen. Nicht alle Unterschiede lassen sich einfach auflösen, aber wenn beide Seiten bereit sind, Spannungen zu überwinden, kann Integration gelingen.

Wie spricht man über solche Unterschiede?
CW: I
ch habe Mitarbeitende aus den unterschiedlichsten Ländern und Glaubensrichtungen - ehrlich gesagt, denke ich darüber gar nicht viel nach. Entscheidend ist nicht Religion oder Herkunft, sondern das gemeinsame Ziel eine gute Qualität und eine professionelle Dienstleistung anzubieten

Was wären konkret Wünsche an die Politik?
CW:
Die Politiker sehen oft das Big Picture, aber nicht die Details, wir haben das beim Zukunftskongress gesehen. Wir Friseure leisten eine unglaubliche Integrationsleistung, immerhin haben fast 30% der Beschäftigten im Friseurhandwerk Migrationshintergrund (►Friseurmarkt Deutschland in Zahlen). Ich wünsche mir eine zusätzliche und zielgerichtete Unterstützung vom Staat, zum Beispiel bei der Sprachförderung.   
Neben starren behördlichen Strukturen und viel zu viel Bürokratie behindert ein sehr starkes Gesetzeskorsett flexible und zukunftsgerichtete Ideen. Es wäre wünschenswert, mehr Unterstützung und Augenmerk auf kleinere Betriebe zu legen und Strukturen zu vereinfachen und zu erleichtern. Auch beim Arbeitsrecht stoßen wir immer wieder an unsere Grenzen.

Darunter leiden viele Unternehmen. Welche Starre beobachten sie im Bereich Integration?
CW
: Viele Migrantinnen und Migranten, aber auch die Unternehmer, bekommen viele Steine in den Weg gelegt und geben auf. Jobs4Refugees hat da den Weg geebnet und Transparenz geschaffen. Die vielfachen Integrationsinitiativen sind häufig nicht transparent.

Tamana, was sind denn deine Wünsche an die Zukunft im Beruf.
TM:
Mein Wunsch ist in Zukunft meinen eigenen Salon zu eröffnen

Shaping Futures 2025 | Credit: Matthias Hewing

Du warst gemeinsam mit elf Damen und einem Herren im Kurs. Wie war denn die Stimmung?
TM:
Wir haben uns alle gut verstanden und jeder möchte einfach nur viel lernen und arbeiten.

Was erwartest du dir denn von der Ausbildung?
TM:
Ich möchte viel lernen und das Friseursein zu einem Teil meines neuen Lebens machen.

Hast du bereits Erfahrung im Friseurhandwerk in Afghanistan sammeln können? Welche Unterschiede gibt es?
TM:
Ich habe in Afghanistan zwei Jahre in einem Salon ausgeholfen, aber dort zählte nur das Ergebnis - egal, was es für die Gesundheit des Haars bedeutete.

Was bereitet dir die meiste Freude?
TM:
Am meisten Spaß machen mir Färben, Schneiden und Stylen.

Die Lehre dauert 3 Jahre?
CW:
Ausgelegt ist die Lehre auf 3 Jahre. Viele Azubis verkürzen, aber das sehen wir, wenn es so weit ist. Wir haben eine kleine Akademie für unsere aktuell 12 Auszubildenden, in welcher wir mit ihnen arbeiten, und sie fördern. Aber, wir möchten niemanden unter Druck setzen, sondern jedem die Option bieten.

Gibt es denn Farsi sprechende Mitarbeitende, um sich untereinander in der Muttersprache austauschen zu können?
CW:
Grundsätzlich ist deutsch unsere Unternehmens- und Salonsprache. Es gibt allerdings einige Kunden, die sehr dankbar sind, in ihrer Landessprache zu kommunizieren.

Welchen Ratschlag geben Sie Kollegen, die sich für Quereinsteigende aus dem Programm interessieren?
CW:
Future shifts! Wir sollten auf die Veränderungen zukunftsorientiert und überlegt reagieren. Um das Handwerk und die Ausbildung zu retten sind Programme wie Shaping Futures möglich, aber wir sollten auch über alternative Ausbildungsmöglichkeiten, wie z.B. Teilausbildungen nachdenken.

Das Programm mit Jobs4Refugees bietet einen alternativen Zugang: Es ermöglicht sowohl eine gezielte Vorbereitung auf die Ausbildung als auch den direkten Einstieg für erfahrene Fachkräfte. So gewinnen wir hoch motivierte Menschen – und genau das zählt am Ende.

Ich danke für das Gespräch und wünsche eine wunderbare und erfolgreiche Ausbildungszeit.