Credit: Zur Verfügung gestellt von Andreas Mignon

20.06.2016

Andreas Mignon – Mut zum Risiko

Aufstieg, Fall und Neubeginn haben Andreas Mignon stark gemacht. Der Ex-Sassooner aus Leidenschaft brennt für die Branche und hat bei KAO eine neue Heimat gefunden.

Fakten

  • Ausbildung bei Vidal Sassoon Frankfurt am Main

  • Coloristen Laufbahn, Vidal Sassoon Hamburg, später Frankfurt am Main
  • Sales & Development Manager Aveda, Frankfurt am Main & München
  • Education Manager Aveda D/A/CH, München
  • Education Director Aveda EMEA, London
  • Gründer Salon schönBERLIN
  • Salesmanager ALOXXI, USA, Dallas

Seit Mai 2015 Education Director KAO Salon Division, Deutschland

imSalon: Andreas, Du warst auf dem Wirtschaftsgymnasium und wurdest Friseur. Wie kam es dazu?
Andreas Mignon: Ich war in einem tollen engen Klassenverband in Wetzlar, nach der zehnten Klasse ging die Majorität aufs Gymnasium, so auch ich. Abgeschlossen habe ich es allerdings nicht. Ich war mehr auf meiner 80er MTX unterwegs (sinniert lächelnd) Außerdem bin ich mehr so ein „Learning by Doing“-Typ.

"Ich bin mehr so ein „Learning by Doing“-Typ..."

imSalon: Wie kam es dann zur Friseurlehre?
AM: Mit einer Kaufmanns-Lehre hab ich erstmal begonnen, irgendwann kam dann ein ehemaliger Schulkamerad und meinte, er mache ein Praktikum beim Friseur. Da hab ich gesagt, das mach ich mit.

imSalon: Und du bist beim Friseur geblieben!
AM: Dank Vidal Sassoon! 1987 habe ich Sassoon in Wiesbaden gesehen: Tim Hartley, Annie Humphreys, ich war begeistert. Während meiner Lehrzeit bin ich zu Sassoon nach Frankfurt gewechselt, um dort fertig zu lernen. Dort hat sich mir in jeder Hinsicht eine vollkommen neue Welt geöffnet und meine erste eigene Wohnung hatte ich auch. 

"Man muss ausprobieren, um zu wissen, was man nicht will..."

imSalon: Und nach der Lehre Sassooner forever?
AM: (lacht) Nein! Dann wollte ich etwas ganz anderes kennenlernen und bin zu Marlies Möller nach Hamburg, dort konnte ich mich arbeitstechnisch nicht wiederfinden. Ich wollte anders arbeiten, Sassoon war meins und das wusste ich nun. Man muss ausprobieren, um zu wissen, was man nicht will.

imSalon: Also bist du zurück zu Sassoon?
AM: Ja, diesmal in Hamburg. Farbe wurde meins und Peter Dawson mein Mentor. Das war ‚ne dollee Zeiit (im perfekten Hamburger Dialekt). Dort hab ich sehr, sehr viel gelernt, habe mich konstant weiterentwickelt und bin aufgestiegen. 1995 bin ich nach Frankfurt zurückgekehrt, um dort in enger Zusammenarbeit mit meinen Kollegen Frankfurt Haartechnisch nach vorne zu bringen. Das war eine großartige Zeit, die bis 2000 anhielt.

imSalon: Was kam nach 2000?
AM: Ich hatte das Gefühl nicht mehr weiter zu kommen. Suchte deshalb einen Platz an dem ich als hochqualifizierter Colorist arbeiten konnte. Schneiden und Farbe kam für mich nicht in Frage, da ich mich über Jahre nur einem Thema gewidmet hatte und dort weiterkommen wollte. Ich wechselte erster Colorist zu Wachs & Wachs & Zians. Bereits acht Monate später kam eine neue, große Herausforderung auf mich zu. AVEDA suchte einen Sales & Developmentmanager für Deutschland, ich war dabei. Dort habe ich meine Passion für Education eingebracht und recht bald diesen Bereich übernommen und aufgebaut.

imSalon: Was hat dich daran begeistert?
AM: Ich konnte meine Erfahrung als „Haarfärber“ einbringen und in einem kleinen Team etwas völlig neues beginnen. Wir haben wie ein“start up“begonnen und Aveda in Deutschland neu begonnen unter der Ägide von Estee Lauder.

imSalon: Dann kam deine London-Station?
AM: Ja, 3 Jahre arbeitete ich in London und leitete Avedas Education für Europa. Das machte ich bis 2009. Nach meiner Aveda Zeit wollte ich etwas ganz eigenes machen und 2011 startete ich gemeinsam mit zwei Partnern das Salon Projekt ‚schönBERLIN‘. Das hat leider nicht so funktioniert wie wir uns das vorgestellt haben.

"Das war mein größter Erfolg und Misserfolg!"

imSalon: Das klingt jetzt nicht gut.
AM: Das war mein größter Erfolg und Misserfolg! Es war ein phantastischer Salon (schwärmend wandern die Hände durch die Luft). Ich habe alles dafür getan, wollte mit diesem Salonprojekt etwas fürs Leben aufbauen, was leider nicht funktionierte. Die Rahmenbedingungen waren sehr herausfordernd und als das Führungsteam nicht in die gleiche Richtung lief war das der Anfang vom Ende. Wir konnten nicht schnell genug Wachsen und dann liefen die Kosten davon. Mir fehlte ein Controller.

imSalon: Welchen Rat gibst Du Friseuren, was ist dein Learning?
AM: Kein anfangen, langsam aufbauen und im überschaubaren Rahmen bleiben und frühzeitig professionelle Hilfe holen. Zudem waren wir drei Partner, die entstehenden Differenzen darf man nicht unterschätzen, denn sie kommen – meistens. 

imSalon: Wie holt man sich aus einem solchen Loch wieder heraus?
AM: Neuanfang in den USA.
Ich ging für Aveda nach Iowa, wechselte dann aber nach einem halben Jahr zu Aloxxi in den Vertrieb. Das damit verbundene Reisen hat mich nicht glücklich gemacht. Da waren meine Kinder, die mir nach meiner Scheidung wichtiger waren, als alles andere. So habe ich Clive & CO kennengelernt, ein sensationelles Salonkonzept, in dem ich wieder als Colorist arbeiten konnte.

imSalon: Also verhalf dir die USA zu einem neuen Start.
AM: Ja, mit Abstand kann man sich von Dingen lösen und plötzlich war alles gut und wurde noch besser. Am 6.3.2015 habe ich wieder geheiratet. Ein paar Tage darauf rief Tobias Staehle (Geschäftsführer Kao Salon Division Deutschland) an und am 1.5.2016 war ich mit meiner neuen Familie wieder zurück in Deutschland, bei der Kao Salon Division.

imSalon: Du bist eloquent und sehr sprachgewandt. Wie viele Sprachen sprichst du?
AM: Hessisch (lacht). Nee, deutsch und englisch. Ich mag Sprachen sehr. Da gibt es eine lustige Geschichte. Mein Vater sprach so richtig schnoddrig und als ich dann nach Hamburg kam, na da musste ich dann erstmal Deutsch lernen. Als ich dann wieder zurück nach Frankfurt gezogen bin, dachte ich mir, ja wie reden die denn. Das hat mich sensibilisiert.

"... wie ein großer Tanker, der gerade aus dem Hafen ausläuft."

imSalon: Du baust bei Goldwell die Education Abteilung aus. Welche Herausforderung birgt diese Aufgabe? 
AM: Die beiden Marken Goldwell und KMS California befinden sich in einer sehr spannenden Phase und für vieles werden neue Weichen gestellt. Das ist wie ein großer Tanker, der gerade aus dem Hafen ausläuft. Wenn man da nach rechts will, dann dauert das. Diese Zeit nehmen wir uns. 

...es fehlt ein eindeutiger Hang zur Exzellenz.

imSalon: England – USA – Deutschland, welche Unterschiede hast du wahrgenommen?
AM: Die Amerikaner springen schneller auf Trends auf und setzen sehr stark auf Eigenmarketing. Das wirkt sich in den USA sofort aufs Einkommen aus. Ein guter Friseur kann dort richtig gut verdienen, und hat in vielen Fällen um 50.000 USD in seine Ausbildung gesteckt. Von daher gibt es auch keinen Mangel an Nachwuchs und das Image ist besser.
Deutschland ist sehr komplex. Konsumenten geben im Durchsnitt weniger Geld für ihre Haare aus und Friseure verdienen einfach zu wenig. In die Ausbildung wird zu weinig investiert, es fehlt ein eindeutiger Hang zur Exzellenz.
In England hingegen gibt es einen viel höheren Celebrity-Status des Friseurs, dass Selbstbewusstsein ist stärker ausgeprägt und bei Mitarbeitern ist der Hang gut zu sein buchstäblich spürbar. 

imSalon: Was ziehst du persönlich aus deinen Auslandsaufenthalten?
AM: Sie haben mich verständnisvoller gemacht. Man spürt erst in der Ferne, was man zu Hause hat. Und Deutschland ist so liberal.

"Jeden Tag geht Pflege im Wert von € 5Mio. über die Ladentheke..."

imSalon: Was beschäftigt dich derzeit im Markt?
AM: Der Shampoo-, Conditioner- und Treatmentmarkt in Deutschland hat ein Volumen von ca. 1.3 Mrd. EURO,d.h. jeden Tag gehen Pflegeprodukte im Wert von 5Mio. EURO über die Ladentheke und ich wünsche mir das Friseure sich ein viel größeres Stück von diesem Kuchen abschneiden. Wir haben so ein riesiges Potential und die Kompetenz dazu – „do good and talk about it“- tue gutes und rede darüber. Alles was es braucht.

imSalon: Apropos Pflege. Du warst lange in einem Unternehmen mit Fokus Nachhaltigkeit. Ein Trend der sich in unserer Branche nicht so richtig etablieren mag. Woran liegt das?
AM: Die Nachfrage beim Friseur ist einfach noch nicht so groß. Bei vielen zählt letztendlich doch der Preis. Die Lebensmittelbranche ist da schon weiter, wenn man sieht wieviel „bio“ angeboten wird. 

imSalon: Du warst in unterschiedlichsten Unternehmungen aktiv. Welche Beobachtungen ziehst du aus Vergleichen?
AM: Gesamtstrategische Herangehensweisen und klar festgelegte Rhythmen sind ein Schlüssel zum Erfolg. Das ist Markenunabhängig. Salons haben ein großes, bislang ungenutztes Potenzial sich besser zu präsentieren und besser zu vermarkten. Ich mache das immer gerne am Beispiel Apple deutlich, eine Message, Klarheit, Fokus und exzellenter Kundenservice. 

imSalon: Und diese Erkenntnisse helfen dir beim Ausbau der Education?
AM: Es ist viel strukturelle Veränderung und sicherstellen dass wir a jour sind mit unserm Angebot. Wir haben einige Umbesetzungen vorgenommen, drei neue Stellen geschaffen und Programme umgewandelt. Das was wir machen, ändern wir langsam um alle Beteiligten mitzunehmen. 
Außerdem habe ich die Position des ‚Capability Managers‘ geschaffen. Jesus Rodriguez ist unser lokaler kreativer Kopf der unser internes Team nach vorne bringt und unser Motto nach außen transportiert, „we think stylist“.

imSalon: Es fällt bei dir ganz häufig der Begriff „langsam“, das ist ungewöhnlich, heute will ja jeder schnell schnell.
AM: 42 Educator, 120 Außendienstler… Auf dieser Reise muss man alle erreichen und mitnehmen. Neue Ideen müssen gehört werden und dann kommen wir erst zur Umsetzung. Steter Tropfen höhlt den Stein. Ich würde gerne schneller, aber das ist nicht realistisch und natürlich müssen ja auch die Kunden mitgehen für die wir schließlich alles machen. Unsere regelmäßigen Kundenumfragen bestätigen übrigens eine überdurchnittlich hohe Zufriedenheit.

imSalon: Gibt es Herausforderungen, die dir die Branche in den Weg legt?
AM: Als Friseur ist es wichtig kreativ zu arbeiten, kreative Menschen sind erfüllt von dem was sie machen und nehmen das nicht als Arbeit wahr. In der Corporate World geht es mir oft zu bürokratisch zu. Arbeitszeiten sind streng geregelt, viele Leute wollen ja, nur sie dürfen nicht und das hindert Kreativität und dadurch auch letzten Endes Wachstum.

imSalon: Nachwuchs, ist derzeit ein heißdiskutiertes Thema, was denkst du?
AM: Es muss ein Umdenken stattfinden, wir müssen Strukturen schaffen die junge Menschen mit anderem Wertesystem anzieht. Hohe Flexibilität der Arbeitgeber und Veränderung von starren Systemen wird imminent. Wir arbeiten an verschiedenen Ideen haben aber noch keine finale Lösung.

imSalon: Welche Visionen hast du für die Branche?
AM: Nach einem Jahr Kao bin ich sehr im Tagesgeschäft, da wir durch viele Veränderungen gerade erst die Arbeit im neuen Team begonnen haben und uns finden. Meine grundsätzliche Vision für die Branche ist „Macht was ihr macht schön, geschmackvoll und mit Exzellenz“.

"Schau über den Tellerrand und sieh mehr als nur Haare!"

imSalon: Nach allem was du erlebt hast, welchen Ratschlag würdest du einem jungen Friseur auf dem Weg in die Selbstständigkeit geben?
AM: Hab keine angst davor zu scheitern, das bringt dich erst richtig weit! Schau über den Tellerrand und sieh mehr als nur Haare!

imSalon: Andreas, DANKE für das sehr offene Gespräch und weiterhin viel Erfolg bei all deinen Unterfangen.

Das Interview führte Raphaela Kirschnick