Credit: Markus Schmidt

29.09.2022

Stuhlmiete im Friseursalon: Leitfaden für StuhlVermieter

Immer mehr Salonunternehmer*innen überlegen, offene Plätze an selbstständige Stuhlmieter zu vermieten. Was es dabei zu beachten gibt ...

Stuhlmiete: Der vorsichtige Weg in die Selbstständigkeit? Oder die Abkürzung zur Schwarzarbeit? Meinungen gibt es viele! Im Vergleich zu Amerika, wo Stuhlmiete (Booth Rental) ein sehr beliebtes und weit verbreitetes Unternehmens-Modell ist, tun sich hiesige Stuhlmiete-Interessent*innen häufig schwer. Dennoch entstehen immer mehr Co-Working-Spaces und Salongemeinschaften und erproben das Stuhlmiete-Arbeitskonzept.

Stuhlmiete – was ist das, was kann das?

Aus Stuhlvermieter*in-Sicht (Salonbesitzer*in):

Grundsätzlich können Salon-Unternehmer*innen, die Platz im Salon haben und Räumlichkeiten besser nutzen wollen oder kein zusätzliches Team-Mitglied aufnehmen möchten, Stühle alias Bedienplätze vermieten.

Vorteile:

  • Sichere Einnahmen durch monatliches Mieteinkommen
  • Bessere Raumnutzung
  • Keine Verantwortung für Mitarbeiter*innen
  • Ausweitung der Öffnungszeiten

Nachteile:

  • Sie haben nun Konkurrenz im Salon
  • Abstimmungsbedarf, was Öffnungszeiten, betriebliche Änderungen, Laufkundschaft, Markenverwendung, Azubinutzung etc. betrifft

Auswahlverfahren

Bevor Sie Stuhlmieter*innen auswählen, ist es ratsam über essenzielle Grundlagen, die Ihnen im Salon wichtig sind, zu sprechen. Dazu gehören zum Beispiel, welche Produkte die Stuhlmieter*innen nutzen und ob Sie eventuell mit einer fremden Marke im Salon „leben können“. Außerdem wäre für Sie wichtig zu wissen, ob die Stuhlmieter*innen in Ihr Preisschema passen und wer wo seine Preisschilder im Schaufenster montiert. Auch die Logos beider Parteien im Salon müssen klar ersichtlich vor dem Salon angebracht werden.

Und Sie sollten über einen Probemonat sprechen.

Eine „Klären Sie vorab“-Checkliste:

  • Reden Sie über die Öffnungs- und Arbeitszeiten
  • Besprechen Sie die Preispositionen
  • Ihr*e Stuhlmieter*in braucht einen Schlüssel für den Salon
  • Sie sollten wissen, mit welcher Marke Ihr*e Stuhlmieter*in arbeitet
  • Klären Sie den Mitbenutzungsumfang Ihrer Azubis
  • Wie wird der Produktverbrauch geregelt
  • Wer kümmert sich um das Service, Kaffee, Wasser, Tee etc. und den Einkauf?
  • Wie wird Laufkundschaft gehandhabt?

Vertragliches

Haben Sie jemanden gefunden, mit dem Sie dieselbe Arbeitsauffassung teilen und die Konzepte harmonieren, geht es darum, Mietpreis, Nebenkosten, Kündigungsfrist, Produktein- und Verkauf, WLAN, Reinigung, Öffnungszeiten und Nutzungsumfang der Saloninfrastruktur zu regeln und in einem Vertrag schriftlich zu fixieren. Die Stuhlmieter*innen sollten im unternehmerischen Handeln nicht eingeschränkt werden. Als Stuhlvermieter*in müssen Sie gestatten, Öffnungszeiten und freie Zeiten selbst festzulegen, ebenso wie Preise, Aktionen, Werbung und ähnliches. Gleichwohl sollen sich die Stuhlmieter*innen in die Gemeinschaft einfügen und in Grundsätzlichem Einstimmigkeit herrschen.

Steuerrechtliches

Die Einnahmen aus der Vermietung werden unter Sonstige Erlöse aufgeführt. Sie brauchen einen sogenannten Arbeitsplatznutzungsvertrag. Der Materialverbrauch des Mieters muss ebenfalls in der Bilanz aufgeführt sein, allerdings müssen diese extra dargestellt werden, damit dem Finanzamt der größere Materialverbrauch bei gleich bleibendem Umsatz erklärt wird. (Stichwort Schwarzarbeit) Stuhlmieter*innen erhalten eine monatliche Rechnung über Miete, Nebenkosten und Materialverbrauch zuzüglich Umsatzsteuer.

Vorwurf Scheinselbstständigkeit

Was ist Scheinselbstständigkeit?

Scheinselbstständigkeit tritt dann in Kraft, wenn die Trennung zwischen Stuhlvermieter*in und –mieter*in nicht strikt vollzogen wird und sich daraus ableiten lässt, dass es sich um ein Angestelltenverhältnis handelt - zum Zweck Sozialversicherung zu sparen und Schwarzarbeit zu verschleiern.

Wie verhindere ich Scheinselbstständigkeit?

Wichtig ist die 100-prozentige Trennung und Anmeldung (sowohl die Eintragung der Handwerksrolle, als auch die Gewerbeanmeldung) der beiden Unternehmen, gültig also für Stuhlmieter*in und -vermieter*in. Zur Trennung, die von außen ersichtlich sein muss, gehört auch die Anbringung der Logos Ihres bzw. aller Stuhlmieter*innen vor dem Salon. Ebenso unterliegen Stuhlver- und -mieter*innen der korrekten Einzahlungspflicht der Haftpflichtrentenversicherung sowie Steuern und es besteht die Erfordernis über eine individuelle, ordnungsgemäße Buchführung.

Was kann passieren, wenn ich als „scheinselbstständig“ geoutet werde?

Bei einer Steuerprüfung durch das Finanzamt oder Überprüfung durch die Sozialversicherungsträger, die in den meisten Fällen die Kontrollorgane darstellen, werden die Finanzen des Salons genau unter die Lupe genommen. Stichwort: Schwarzarbeit! Ein erstes Indiz für Scheinselbstständigkeit ist, wenn sich zum Beispiel eine Differenz zwischen dem tatsächlichen Materialverbrauch und dem in Ihren Aufzeichnungen ergibt. Gefährlich wird es, wenn es sich eigentlich um ein Angestelltenverhältnis der Stuhlmieter*innen im Salon handelt und Sozialversicherungsbeiträge seitens Stuhlvermieter*innen unterschlagen wurden, denn dies hätte erhebliche Auswirkungen für beide Parteien. Im schlimmsten Fall könnte man zur Zahlung bis zu 4 Jahren rückwirkend belangt werden.

Der ZV meint dazu: „Es ist wichtig, dass der Stuhlmieter seine eigene Salonstruktur hat. Alles, was man tut, muss völlig selbstständig und weisungsfrei sein und man muss nach außen hin verdeutlichen, dass es zwei getrennte Unternehmer in einem Salon sind. Der Stuhlvermieter und auch der Stuhlmieter müssen gesondert angemeldet sein, das heißt auch extra Steuern bezahlen, extra Buchführung, extra Kassen besitzen und so weiter. Falls das nicht der Fall ist und eine Kontrolle durch einen Rentenversicherungsträger durchgeführt wird, kann das erhebliche Auswirkungen haben. Ich höre immer wieder von einzelnen Fällen, wo es um 80.000 Euro Schulden der Sozialversicherungsbeiträge geht.“

 

Thema: Produkte

Szenario 1: Produkte des Saloninhabers mitbenützen – geht das?

Wenn sich die Stuhlmieter*innen mit Ihrer Salonmarke identifizieren können besteht die Möglichkeit, dass die Produkte des Salons mitbenützt werden.

Dabei gibt es aber vieles, das Sie unbedingt beachten bzw. gemeinsam mit den Stuhlmieter*innen bereden müssen (am besten vor der vertraglichen Fixierung, damit es zu keinem unschönen Erwachen kommt):

  • Wie wird die Verrechnung geregelt: Zahlen die Mieter*innen die Produkte pro verwendeter Flasche oder verrechnen Sie ihm/ihr einen Pauschalpreis? Gibt es eine Strichliste für verwendete Produkte? Wird die verwendete Farbe abgewogen?
  • Herrscht eine gewisse Vertrauensbasis zwischen Ihnen und den Mieter*innen? Diese ist bei einer Strichliste nämlich unumgänglich!
  • Wie verrechnen Sie den Produktpreis an die Stuhlmieter*innen? Einzelhandelskaufpreis? Rabatte? Mit oder ohne Aufschlag?
  • Wichtiger Punkt: Produktlager? Gibt es ein gemeinsames Lager? Haben Sie einen extra Raum zur Verfügung mit Absperrmöglichkeiten für die Mieter*innen?
  • Produktverkauf an Kund*innen: Wie wird verrechnet?

Szenario 2:  Stuhlmieter*in möchte seine eigenen Produkte verwenden

Wenn Sie das vorab miteinander geklärt haben, dass die Stuhlmieter*inne ihre eigenen Prdukte verwenden und Sie d’accord sind, dürfen Sie Ihrem Stuhlmieter Ihre Produkte im Nachhinein nicht aufzwingen. Fragen Sie sich, ob eine weitere Marke zu Ihrem Salon passt?

Auch bei diesem Szenario gibt es einige Punkte, die Sie nicht außer Acht lassen dürfen:

  • Wie regeln Sie die Logistik der beiden Produktlager?
  • Gibt es einen eigenen, absperrbaren Abstellraum für die Produkte der Stuhlmieter*innen? Wie organisieren Sie die Visualisierung der beiden Marken im Salon?

Meinungen seitens des Zentralverbandes:

„Die Miete eines Stuhles beruht darauf, dass ich den Stuhl oder mehrere zur Verfügung gestellt bekomme, dafür Miete und Nebenkosten zahle und je nach vertraglicher Vereinbarung Salon-Infrastruktur mitbenützen kann, aber alles andere muss eigenständig geführt werden. Dazu gehört eine eigene Warenwirtschaft mit eigenverantwortlichem Produkteinsatz und dazugehöriger Buchführung. Waren abwiegen würde ich als spekulative Methode sehen“, so der ZV zum Thema.

Idealerweise hat also Stuhlmieter*in und -vermieter*in seine eigene Warenwirtschaft und ein eigenes Warenlager. Wenn das aus Platzgründen nicht möglich ist, sollten die Vorräte eindeutig dem jeweiligen Unternehmen, also von Stuhlmieter*in oder -vermieter*in zuzuordnen sein. Nur dann ist die jährliche Inventur korrekt möglich.