

08.11.2024
Tipflation – bargeldlos zu mehr Trinkgeld
Bargeldlose Bezahlung wird immer üblicher, das hat Einfluss auf die Trinkgeldkultur. Ein Trend aus den USA setzt auf psychologische Tricks, um die Trinkgeldmenge trotz Kartenzahlung hochzutreiben.
„Tipflation“ ist das Stichwort, das den Trinkgeld-Trend aus den USA beschreibt: Bei Kartenzahlung werden auf dem Gerät Trinkgeld-Vorschläge angezeigt, die mitunter ungewöhnlich hoch sind, bis zu 25% und mehr. Das wären bei einer 80€ Frisur 20€ Trinkgeld. Emotionale Erpressung sagen die Kundinnen*Kunden – Verzweiflungstat sagen die Unternehmerinnen. Was dahinter steckt!
Weniger Trinkgeld bei Kartenzahlung
Sascha Hoffmann von der Hamburger Hochschule Fresenius spricht mit der Berliner Morgenpost darüber, dass „Studien zeigen, dass bei Kartenzahlung im Großen und Ganzen weniger Trinkgeld gegeben wird“, was besonders Berufe mit niedrigerem Einkommen unattraktiver macht und den Fachkräftemangel verstärkt. Nun stellt sich die Frage, was die Unternehmen tun können, um das Trinkgeld ihrer Mitarbeitenden wieder zu steigern.
Trinkgeldvorschläge bei Kartenzahlung
Viele Zahlungsdienstleister bieten die Möglichkeit an, Trinkgeld über die Karte zu kassieren. Dafür wird der ursprüngliche Preis durch den Mitarbeitenden um das vorab vom Kunden kommunizierte Trinkgeld ergänzt.
Es gibt auch die Möglichkeit, dass die Kundin*Kunde selbst das Trinkgeld eingibt, z.B. über einen Touchscreen mit Trinkgeld-Vorschlägen (z.B. 7%, 10%, 20%). Weitere Buttons mit „Freie Eingabe“ „Kein Trinkgeld“ stehen meist darunter.
Hier greifen gleich mehrere psychologische Tricks:
Nudging
Im sogenannten „Nudging“ wird der Zahlende mit Vorschlägen in die Richtung der (tendenziell hohen) Vorschläge gelenkt. Vor allem, wenn die Trinkgeldsätze mit wertenden Aussagen umrahmt werden, wie z.B. auf unserem Beispielbild unten.
Dadurch steigt zwar oft das Trinkgeld, es steigt aber auch die Zahl jener, die gar nichts geben. Es löst beim Kunden häufig Ärger aus, wenn die vorgeschlagenen Prozentsätze als zu hoch empfunden werden.
Ködereffekt
Wird ein Trinkgeldvorschlag als absurd hoch wahrgenommen, wirken alle niedrigeren (aber ebenfalls hohen) Beträge angemessener. Selbst, wenn die freie Trinkgeldeingabe verwendet wird, möchte man neben dem hohen Betrag nicht geizig wirken und gibt eher mehr.
Der Hang zur Mitte
Bei drei Vorschlägen wählen Menschen gerne die Mitte aus. Um diesen Effekt zu vermeiden, gibt es bei Umfragen oft keine „Mitte“ als Antwort. Beim Trinkgeld kann man sich das Phänomen zunutze machen!
Guilt-Tipping
Wird das Kartenlesegerät so platziert, dass die kassierende Person die zahlende Person bei der Eingabe beobachten kann, so kann es zum Phänomen des "Guilt-Tippings" kommen: Die Kunden geben mehr, als sie geben würden, wenn sie unbeobachtet wären. Dabei fühlen sie sich jedoch meistens schlecht.
Fazit
Das alles mag man mögen oder nicht, darüber Bescheid wissen sollte man jedoch, denn es ist bereits bei einigen Registrierkassenanbietern machbar.
Wie auch immer ihr im Salon euer Trinkgeld kassiert – es lohnt sich, zu wissen, wie viel Psychologie in dieser kleinen Handlung stecken kann.